Vier Tage vor Rom: Das Arbeitsjournal des 24. Juli 2010. Bereits die übernächste Reise, dazwischen nämlich Paris. Sowie zum Corpsgeist der Szenen.

8.19 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Jedenfalls begonnen, nachts, der Profi und ich, die übernächste Reise zu planen, eine, die wir schon seit Jahren unternehmen wollen: er kennt Sizilien nicht. Ich fragte die Löwin: „Magst du dabei sein?” Mochte sie wohl, aber im Herbst? Nein, das gehe nicht. Termine, Wien wieder, auch Amsterdam. Zu anderen Terminen würde wieder i c h nicht können… ein Wochenende, ja, das ja, aber eine Woche? Ich muß an Paris denken, es kam hier eine Anfrage des Gräfin: Wann werden Sie wieder hiersein? Sind Sie bereits weitergekommen? Und so. Ich meine, ich hab jetzt auch noch das Kinderbuch am Rücken. Und n a ch dem Oktober wird Sizilien von Regengöttern heimgesucht, die ausgesprochen cholerisch sind; zumal, die Tage sind dann schon kurz. Es geht sowieso erst nach dem 13., weil da >>>> das Seminar wieder anfängt; u n d: mein Junge wird dann Herbstferien haben. Da der Profi seine Gefährtin mitnehmen möchte und C. auch gerne mitkommen will, ist beschlossen: für mich kommt mein Bub mit, und für ihn (also: für sich selber). C. liest gerad >>>> mein Sizilienbuch; einiges wird ihr vorkommen, wenn sie vor Ort ist, als kennte sie es schon lange: meine ungeheure Eitelkeit möcht das gerne sehen.
(Momentlang die Idee, Ayana zu fragen. Aber sagte sie ja, wäre die Sizilienreise von dem Gräfin beschattet; das möchte ich nicht.)

Welch ein Packen, die Fahnen von Azreds Buch!In >>>> der Bar mit den Korrekturen begonnen, während ich auf C. und den Profi wartete. Es regnete, meine Beine wurden naß, der Oberkörper saß unter der Markise. Wobei dann n o c h später meine Shorts und Ledersandalen zu einem unangenehmen Auftritt führten; denn die Dottoressa erschien eben auch noch: als wir gehen wollten, wollte sie noch weiter in die Nacht. „Komm doch mit, ich zeige dir eine nächste Bar.” Ich kreuzte dort auf, die Dottoressa fuhr mit dem Taxi vor, war auch ein bißchen schneller als ich. Eine Transe öffnete mir, sah mich an und, man faßt es nicht, schnauzte: „Was willst d u denn hier? Biste verabredet oder was? Flipflops” womit sie meine geflochtenen Sandalen meinte, „halte ich nicht aus.” „Selbstverständlich bin ich verabredet”, antwortete ich. Sie ließ mich ein, hörte aber nicht auf, auf ordinärste Weise über mich herzuziehen, was freilich von ihrer mit der Perrücke überwölbten und von einem Lederkleid geschnürten Männerstimme noch bizarr verstärkt wurde. „Ich kann Flipflops nicht leiden, das ekelt mich an.” In diesem Ton. Wortwechsel. Ich zur Dottoressa, die mit Freunden dastand und ganz vorsichtig zu schlichten versuchte: „Tut mir leid, ich bin hier nicht erwünscht. Und einen solchen Ton nicht gewöhnt.” Drehte mich um und ging.
Ich meine, ich versteh ja, daß es Bars gibt, in denen lange Hosen, Jackett und geschlossene Schuhe, meinethalben auch Krawatten notwendig zum Bild gehören; hätte diese Transe mir das höflich gesagt, hätt ich erwidert: „Entschuldigen Sie, das wußte ich nicht. Da ich verabredet bin: darf ich kurz hinein, um mit meiner Begleitung zu sprechen? Dann kann ich mit ihr das Etablissement wechseln.” Ich hätt nicht mal eine Ausnahme gewollt, Ausnahmen stören die Aura, einverstanden, aber ich muß da dann nicht sein. Das Leben geht auch ohne mich, vor allem das von Transen. Doch dieser stinkordinäre Ton!
Wahrscheinlich war’s einfach so, daß sie, die Transe, mich ansah und sofort unsympathisch fand, wie übrigens ich auch sie… oder ihn, egal. Sowas gibt es, das ist ganz in Ordnung. Meistens sagen einem die Instinkte die Wahrheit, wenn man Instinkte noch hat. Aber man kann sich zivilisieren und sollte es vor allem müssen, wenn man an einem Tresen bedient.
Also aufs Fahrrad, heimgeradelt. Die Dottoressa ruft an: Was ich mir für einen Auftritt geleistet hätte. Da war ich sprachlos. Nun gehört sie dort in den Kreis, das war ein Loyalitätskonflikt, den ich kapiere. Dennoch, es gibt Entscheidungen im Leben, man muß sie treffen, so oder so. Sie rief dann n o c h mal an… Ach, meine Leserin, ich kann Ihnen sagen! Wie bitte? Nein, ich bin n i c h t überempfindlich. Der Dottoressa zuliebe nenne ich den Namen der Bar nicht. Tät ich nämlich höchst gerne. Jedenfalls gehöre ich nicht in „die” Szene, weder in die eines Literaturbetriebs noch in diese. Szenen wollen Corpsgeist. Den habe ich weder, noch schätze ich ihn: Corpsgeist, immer, ist seine Abwesenheit: die von Geist. Das ist ein Gesetz.

Also die Fahnen für „Azreds Buch”. Sie kommen mit nach Italien. Ich werde sie auf Eigners Olivberg durcharbeiten, hinterm Cimitero, schon die riesige Pinie nahe am Abgrund… die Feigenbäume, die jetzt tragen werden, geduscht wird unter einer Gießkanne, die ein anderer halten muß… ah ja, es gibt da ein süßes Bild von meinem Jungen… >>>> fünf Jahre war da alt… Moment:

Und „Die Fenster von Sainte Chapelle” sollen mit nach Italien. Weshalb ich jetzt sofort den Text weiter umarbeiten will. Damit ich auch ihn zur zweiten Durchsicht ausdrucken und mitnehmen kann. Außerdem will ich heute die Reise vorbereiten: nach Zeltplätzen recherchieren um den Golf von Neapel herum, auch mal schauen, ob es bei Amelia einen gibt, wo wir >>>> Bruno Lampe besuchen wollen. Es wird wegen alledem in Der Dschungel wahrscheinlich ein wenig schweigsam sein. Ah, eines noch: Ich will >>>> Dr. No antworten, hab gestern schon damit angefangen.

Guten Morgen. Ich warte auf den Anruf der Löwin. Die ich so gerne mithätte auf Sizilien. Es regnet in Berlin.

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