Die letzten Tage 104

Ein LKW versperrte vorvorgestern am späten Nachmittag die Hälfte des Garagentors. Man brachte weiteres Gerüst-Material. Ich aber brauchte Zigaretten und Fleisch. Der Laden im Dorf hält sich noch an die alte Regel des donnerstäglichen Ruhenachmittags. Wußte es aber nicht genau, ging also zunächst zu Fuß zum Tabakhändler. Dort piepte das Handy hinten in der Hosentasche. S. vom B&B ‚Le Cisterne‘: ob ich etwas vorhätte. Kurz, eine Einladung zum Grillen oben in der Altstadt in einem verlassenen Garten. Damit war die Fleischfrage gelöst. Nur solle ich bald kommen, weil da ja kein Licht sei und man dort recht bald im Dunkeln sitze, was dann aber doch nicht störte, da ein Feuer brannte und eine Leuchte besorgt wurde. Was störte, war der LKW. Ich wartete noch eine halbe Stunde am Balkonfenster stehend. Ging abermals zur Garage. Man bot sich an mich hinauszuwinken: Zentimeterarbeit. Wann sie anfingen mit den Arbeiten. Er sei bloß Arbeiter, das wisse der Chef. Aber es sei die Rede von „nach dem 23.“. Kann sein, Montag, kann aber auch sein, Mittwoch. Im verlassenen Garten wurde auf Rumänisch viel von Drachen erzählt, denn L. hat eine junge Familie aus Bukarest zu Gast, und dem kleinen Mädchen war versprochen worden, es werde dort auch ein „dragon“ sein. Als ich den Namen der Mutter hörte, stutzte ich ein Weilchen, und fragte, wo denn solch ein Name herkäme. Smaranda nämlich. Mit ihren großen Augen, der spitzigen Nase und dem zurücktretenden Kinn hatte sie etwas kindlich Mangahaftes. Aber eine andere Atmosphäre: mehr en famille (denn B. kam auch noch mit Tochter und Bruder) und wenig Wein, als sonst im Hof. Der Abend darauf in Tuscania verlief auch anders als erwartet. Schon saßen zwei Freundinnen bei S., die auch mitwollten zur Poesie-Veranstaltung, die dann eine Unterhaltung über Journalismus wurde, denn der da seinen Gedichtband vorstellte, war einst ein bekannter Fernsehjournalist, also so ein bißchen Landes- und Weltgeschichte, ausgehend von der Entführung und Ermordung von Aldo Moro durch die RAF, sozusagen als Ausgangstrauma, das immer noch nicht ausge(t)räumt ist (nicht „sei“) – ja, er ließ es mitklingen – und immer schlimmere Folgen zeitige. Lediglich den mitternächtlichen Gang bis zur Haustür hatten wir für uns. Die Tage verlaufen ruhig im äußeren Verlauf, Verlinken, Lesen (gestern und heute dann völlig festgelesen in Benjamin Steins ‚Leinwand‘ (darüber vielleicht dann morgen mehr), schon dafür wäre ihm zu danken). Unruhig, nach innen. Die Zahngeschichte, das dafür aufzubringende Geld, die Fahrt nach Deutschland, die wirklich fehlende Überzeugung, sie unternehmen zu wollen, was dennoch nicht dem Wunsch widerspricht, mal wieder dort zu sein. Vielleicht ja die Befürchtung, doch immer fremder den Umgebungen der Freunde gegenüberzustehen bzw. –sitzen. Nicht Agierender, sondern Agierter. Insofern war ANHs Woche hier tatsächlich eine Art Urlaub für mich. Eben mal mit umgekehrten Vorzeichen. Wäre da nicht auch Freund M., von dem ich wieder mal lange nicht gehört habe, und er von mir nicht. Es geht nur per Telefon oder auf dem normalen Postwege. Mag sein, ich bin mittlerweile zu sehr gewöhnt an Mails. Mit Briefen habe ich Schwierigkeiten. Telefonieren ist sowieso eine Ausnahme bei mir, so oder so. Und er: „Ich fahre nicht in ein Land, dessen Sprache ich nicht kenne.“ Punktum. Ergo, auch mal wieder ein psychologisches Problem mit dem Freund, der’s seit dreißig Jahren ist. Was nicht wenig belastet. Ist mir, was ihn betrifft, hingegen nichts Neues. Ein Brief also. Auch weil ich hoffe, daß in der nächsten Wochen schon wieder Arbeit eintrudelt. Schaffenszwang unter all solchen Umständen. Der Plan, heute mit S. die kalte Quelle aufzusuchen, fiel flach. Ihr ginge es nicht gut, stand in der SMS von heute morgen acht Uhr. Und ertappte mich dabei, des zufrieden zu sein.

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