Nun bin ich ja nicht eigens für B. nach Frankfurt gereist. Frankfurtmainer Arbeitsjournal des 28. Septembers 2010: Das Literaturforum im Mousonturm.

5.39 Uhr:
[Dornbusch, Wintergarten. Machaut, Messe de Notre Dame.]
Erst um fünf Uhr auf, nachdem es gestern nacht dann doch nach zwei Uhr wurde. Da ich nahezu den ganzen Tag über an >>>> dieser Meistersinger-Kritik geschrieben hatte, wäre es ziemlich unhöflich und auch ja sowieso unangemessen gewesen, das im übrigen sehr schöne Gespräch mit B. schnöde abzubrechen, um meine frühste Früharbeit in der Regelzeit zu halten. Es gab immerhin dreißig Jahre zu erzählen, sie von sich; über mich wußte sie ziemlich bescheid, vor allem „natürlich” Der Dschungel wegen. Sie bat mich, nicht zuviel zu erzählen, nichts, das wirklich privat wäre, hingegen sie gar nichts dagegen habe, erkannt zu werden. Weshalb sie nicht bisweilen als Kommentatorin auftrete, fragte ich. „Vielleicht tu ich das ja”, antwortete sie und lächelte. „Aber wenn, dann nur selten. Da hast du recht. Ich denk mir meistens lieber meinen Teil.” Was mich kurzfristig verstimmte, aber nicht sehr. Sie bemerkte es. „Nicht jeder stellt sich gerne aus”, kommentierte sie. „Ich lese auch lieber für mich.” Fast alle meine Sachen hat sie gelesen. Wußte, Klügstes dazu zu sagen, zwar nicht bei allem zustimmend: etwa hat sie gegen >>>> THETIS Einwände, aber die üblichen: „Ich lese nicht gerne Science Fiction.” „Das ist keine Science Fiction.” „Aber technische Fantasien interessieren mich nicht so sehr. Und dann diese Grausamkeiten!” So daß ich ihr erzählte, wie dieser Roman eben auch eine Mitschrift der Brutalitäten während des Balkan-Bürgerkrieges sei, der parallel zur Arbeit an dem Typoskript brandete, „es ging gar nicht anders, als daß ich das mit in die Arbeit übernahm. Ich wäre zeitfern gewesen, hätte ich das nicht getan, ich wäre wie ein Vogel Strauß gewesen, der seinen Kopf in den Sand des Wohlstandsbürgertums steckt.”
Viel sprachen wir, m e h r sprachen wir über ihr Privates; wie früh ihr Mann, und so böse, gestorben ist und wie dann sie seine Praxis übernahm; daß sie das gemeinsame Kind alleine großzog; wie eine Zeit lang ein nächster Mann gewesen sei, aber das sei nicht gutgegangen, wegen des Kindes. Das heute, B. zeigte Fotos, ein ausgesprochen schönes Mädchen von vierundzwanzig ist. Das Zimmer, in dem ich schlief, ist seines. Sinnigerweise studiert die junge Frau heute in Heidelberg. „Vielleicht seht ihr euch ja mal? Oder vielleicht,” sie lachte ironisch, halb aber bedenklich, „besser doch nicht.” Mein schlechter Ruf bezüglich junger Damenwelten ist auch an ihr nicht vorübergegangen. Obwohl sie mich doch kennt. Nun ja, kennt

Moment, die Erde fordert grad ihr Recht –

6.09 Uhr:
Gleich noch, auf dem Rückweg, einen zweiten Kaffee mitgebracht; gefriergetrocknet, sehn Sie’s mir nach. Ich mochte nicht darauf warten, daß die außerdem ziemlich komplizierte Kaffeemaschine durchgelaufen war. Nun bin ich aber nicht eigens für B. nach Frankfurt gereist. Sondern zu den >>>> Jubiläums-Feierlichkeiten des Literaturforums, dessen Mitgründer ich vor 25 Jahren war und in dessen Vorstand ich nach wie vor bin, wenn auch nicht mehr als erster, sondern „nur” als zweiter Vorsitzender; zum Vorsitzen taugte ich eh nie recht. Nachmittags ist beim Notar eine Satzungsergänzung zu unterschreiben, Eva Demski will dazukommen, und abends treffe ich dann mehrere Hände voller Freunde und Bekannter: >>>> Paulus Böhmer wird dasein, schon darauf freue ich mich, Klaus Reichert, wahrscheinlich Wolf Singer und außerdem, erzählte sie mir gestern am Telefon, >>>> Phyllis Kiehl. Sie hat, nachdem ich anfragte, per Mail reagiert, dann telefonierten wir. Zwar ist es nun eigentlich „unnötig”, sich nachmittags zu treffen, wenn man sich abends sowieso sieht, aber ich hätt sie ganz gerne für mich; ein paar Mal sahen wir uns ja schon, einmal fuhr sie sogar nach Heidelberg ins >>>> Seminar; aber richtig sprechen konnten wir da nicht, nicht ungestört. Es gibt, nachdem wir sowieso schon immer mal wieder hin- und herkommentieren, einiges bezüglich der Weblogs zu… na, diskutieren ist zu fern als Wort. Wenn wir das, was n i c h t zu fern ist, im Mousonturm täten, fühlten sich acht Siebtel aller Anwesenden ausgeschlossen, weil ihnen das Internet jenseits seiner lexikalischen Qualitäten achtundzwanzig böhmische Dörfer ist und sie auch wollen, daß das so bleibt. Das Beharrungs- und Buchhaftsvermögen meiner meisten Kollegen ist enorm. Und dann… Frau Kiehl ist schön, das teilt man nur, wenn es denn unbedingt sein muß. Löwin, verzeih.
Ich verplaudere mich. Die Sainte Chapelle wartet.

[: 6.25 Uhr.
[Lutoslawski, Sinfonische Variationen.]

14.15 Uhr:
Nahezu anderthalb Stunden sehr tief geschlafen und nun sehr munter auf. Da ich aber gleich zu dem Notar losmuß, schnell noch die >>>> Häkchen in mein Arbeitsprotokoll gesetzt, in das und wohin sie auch dürfen. Übrigens sollte ich’s mir angewöhnen, >>>> meine Dts’e jeweils schon vornachts für je den nächsten Tag zu skizzieren; dann vergeht ihretwegen morgens nicht immer derart viel ungenutzte, weil rein administrative Zeit. Jedenfalls, bis TS 23 meiner Überarbeitung der „Fenster von Saint Chapelle” gekommen. Und eben erreicht mich Pressepost von >>>> ECM, es liege für mich wegen Jan Garbareks Konzert mit dem Hillard-Ensemble eine Gästekarte im Berliner Dom. Nun werde ich also d o c h hingehen.

Oh, muß los!



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