Schondeckchen.

[Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg.
Komische Oper Berlin. >>>> Zu Andreas Homokis Inszenierung.
Anfang eines von mir schließlich verworfenen neuen Textes
für die Opernzeitung der Komischen Oper Berlin.]


Es ist ein politisches Stück über das Eigene an der Kultur. Wir haben’s ins Zimmer gestellt, ein Schondeckchen drüber, damit’s nicht verstaubt. Zu den Festtagen wird das gute Besteck aufgelegt, mit den teueren Tellern, handgefertigt, handgemalten, die unser Stolz sind. Wenn der Wintersturm geht, schließen wir die Fenster und tragen Gebäck auf zum Kaffee oder Tee. Wer Glück hat, tut’s am Kamin: früher taten’s da alle. Da geht die Tür auf, und die jungen Leute, vermummt noch bis zum Kinn, stürmen mit Lachen und einer Kälte zu uns herein, die ihnen in Haar und Mantel hängt. Fröstelnd nehmen wir die Stola, die um unsre Schultern liegt, enger um die Brust zusammen. „Zieht wenigstens draußen die Schuhe aus.” So viel zur Bewahrung. So wenig, noch, zu Hans Sachs. Auch er braucht die Distanz erst, um zu begreifen. Dann aber lädt er, ob mit, ob ohne Schuhe, zu Tisch.
Es ist ein menschliches Stück über Verzicht. Und über Reife. Denn er, Hans Sachs, bekäm das junge Ding ja selbst: im Einverständnis mit den Alten und ihrem, dem Mädchen, sogar. Wenn nicht ein Beckmesser wär, sich zu blamieren, und nicht ein Stolzing, den’s anzuleiten gelte. Wenn nicht ein solcher Winter wär! So nämlich rücken auf der Bühne die Häuser zusammen. Von freilich freierer Art, >>>> bei Hofmannsthal, die Marschallin: „Red Sie nur nicht zuviel, Sie ist ja hübsch genug.” Das sagt sie zur jungen Sophie und anerkennt die Schönheit von Jugend als Wert. Faktisch verbürgt er Fruchtbarkeit. Der Tag wird kommen, daß Sophie von dem Satz gereift ist. Auch so wird Tradition übertragen: als aristokratische Haltung. Die Bürger Nürnbergs indes, Handwerker sind sie fast alle, schufen die ihre aus Kunst, die, selbst einmal Handwerk gewesen, Gedeck für den Feiertag wurde. Sonst liegt das Schondeckchen drüber.
Ein Schondeckchen: so steht das Nürnberger Dorf einer Wagenburg gleich im technoiden Bühnenraum, der an ein riesiges Raumschiff von Aliens gemahnt. Fern blinken Lämpchen an Apparaturen, ins Dunkle führen kalt die Treppen. Da ist nirgendwo Halt, der Verlaß wär. An Piranesis Kerker zu denken. Angesichts solcher Bedrohung ist es nicht falsch, sich vorm Fremden zu schützen. Nürnberg, aneinander dicht wie Tiere, die nachts zusammen atmen, beugt sich nach innen. Als Stolzing das erste Mal auftritt, kommt er da kaum hinein.

unter der Bühne, möchte man sagen, wie einem Himmel

(Abgebrochen.)

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