Chen Reiss am 21. Februar in Berlin, Kammermusiksaal der Philharmonie

Bekannte Schauspieler füllen Konzertsäle. Martina Gedeck und Sebastian Koch lasen im ausverkauften Kammermusiksaal der Philharmonie aus Briefen von Robert und Clara Schumann, die sie sich bis zur Hochzeit schrieben. Da störte es wohl wenige, wenn bei Gedeck deutliche Spuren des Besuchs von Berlinale-Parties zu registrieren waren, die sich in nachlässiger Diktion auswirkten, sogar in Lispeln, sodass Inhaltliches zu oft versank. Es ist wohl ein geschickter Schachzug des Veranstalters, dass er auf diese Weise ein breites, auch jüngeres Publikum anzog, das quasi nebenbei in den Genuss der Weltklasse-Sopranistin Chen Reiss und ihres Bariton-Kollegen Paul Armin Edelmann kamen. Die waren die eigentlichen Stars des Abends, präsentierten sie doch mit ihrer höchst fundierten, geschliffenen, wahren Interpretationskunst Schumann-Lieder, wie man sie so selten erleben kann. Noch in der letzten Reihe des Saales konnte man jedes Wort verstehen, ausgearbeitet bis ins letzte Detail. Außerdem ging in der exzellenten Akustik nichts an Stimmqualität verloren, die diese Ausnahme-Sänger zu bieten haben. Die Schere des Präsentationsniveaus öffnete sich gegen Ende der Aufführung bis zum Anschlag. Aber wen interessiert das tatsächlich? Eine große Menschenmenge harrte aus, um bei der anschließenden Autogrammstunde Frau Gedeck “mal nahe zu sehen”. So waren die Sänger mehr oder weniger vom Schreiben entlastet. Das war ihnen zu gönnen, hatten sie doch die mit Abstand größere Gesamtleistung vollbracht. Reine Liederabende stecken in der Krise. Doch wenn Menschen auf Umwegen wie diesen an das Genre herangeführt werden, ist (fast) alles erlaubt. Und es wird vielleicht doch bald die Zeit kommen, wo man Chen Reiss und Paul Armin Edelmann “ungestört” genießen darf. Die Umkehr zur Innenschau ist jedenfalls kulturell im Trend – das könnte man auch aus dem Filmangebot der diesjährigen Berlinale ablesen – und ist hoffentlich nicht zu optimistisch gedeutet.

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