Mit Kundry, dann abends. Das Arbeitsjournal des Freitags, dem 8. April 2011. Morgens wieder Fukushima, nämlich Thetis.

6.45 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Seit kurz nach halb sechs auf, erster Latte Macchiato, Morgenpfeife. Eigentlich hatte ich mit einem Arbeitsjournal einmal wieder beginnen wollen. Da kam mir ein Text ins Feld, der vor zweidrei Wochen begonnen war, nur dreivier weitere Sätze zur Kleinen Theorie des Literarischen Bloggens, die irgendwie auch >>>> damit zusammenhängen, worauf ich ja heute antworten will; anders als darunter Sowieso nehme ich die Frage ernst.
Jedenfalls formulierte ich erst einmal in eine ganz andere Richtung und sitze noch immer daran bei meinem nunmehr schon zweiten Latte Macchiato; auch die zweite Pfeife ist zu stopfen. Für meine Arbeit wird es ein Dschungeltag werden; so einen gab es lange nicht mehr. Aber vielleicht bekomme ich es hin (ich muß es hinbekommen), daß die Überarbeitung der Litblog-Theorie an diesem Wochenende fertig wird und am Montag an den Verlag kann. Dagegen spricht die Musik: heute abend, ab 18 Uhr der >>>> Parsifal, eine sehr schöne Einladung auf sehr teure Plätze; am Sonntagnachmittag dann ein >>>> Kinderkonzert im Konzerthaus; in Begleitung meiner verlorenen Familie; am Sonntagabend, in Begleitung der Samarkandin, was für gerade dieses Stück wirklich paßt, die >>>> Neuinszenierung der Salomé; über die beiden letztgenannten Aufführungen werde ich schreiben, den Parsifal aber einmal privat nehmen: selten genug kommt das vor*. Fast alles, fast immer, wird mir zu Text und damit Öffentliches, bzw. öffentlicher Akt (Akt von actus, Darstellung, öffentliche Tätigkeit, ja Tat und Werk, bzw. actum, Handlung, Geschehenes, Vollbrachtes [sowie die Aufzeichnungen darüber]). Womit ich nun wieder da ge„landet” bin, wovon ich heute früh ausging: Kleine Theorie des Literarischen Bloggens.

[*) Doch: Ob ich’s wohl garantieren kann?]

Ich bekäme die Bearbeitung des ersten Lektoratsdurchgangs meines Jungenromans gern bis zum Ende der nächsten Woche fertig und muß sie deshalb am Montag angehen; für die Woche darauf kann ich nicht einschätzen, wie ich, der Augen-OP halber, werde arbeiten können. Im Mai, bevor die Lesungs- und Kreuzfahrttage losgehen, muß der Text aber vom Tisch sein.

Sowas gegen elf Uhr zum 10-k m-Crosslauf ins Studio; mein Körper bekommt langsam Form. Wir können selbst bestimmen, wenn wir gesund sind, wie wir aussehen wollen; es ist, wenn wir gesund sind, eine reine Frage des Willens und also der Prioritäten, die wir setzen (die unser Wertesystem uns setzen läßt), – auch: Achtung vor den Liebespartnern; das geht mit der Selbstliebe Hand und Hand. Wenn wir gesund sind.

Jeder Morgen seit dem 13. März beginnt damit, daß ich nach Fukushima schaue. Meine Einschätzung der Atomkraft als Energiequelle bleibt ambivalent; dabei bin ich mir der Lobbykräfte, die hier für sie wirken, durchaus bewußt. Aber ich habe nach wie vor keine eindeutige Position; ich muß immer nur glauben, weil ich selbst gar nicht entscheiden kann, ob wir auf Atomkraftsenergien verzichten können oder ob, etwa, das Problem nur verschoben wird, wie jetzt, wenn Energie, die wir selbst derzeit nicht mehr herstellen, aus AKWs im Ausland importiert wird, das die Kernkraftanlagen bisweilen sogar noch aufrüsten will. Meine Ambivalenz kann aber auch daran liegen, daß ich seit >>>> THETIS Katastrophen als Grundbedingungen der Existenz begreife… ah, begreife ist falsch: fühle ist besser, weil ich ja nun imgrunde gar nicht bedroht bin, sondern am Luxus des industriellen Westens ziemlich mitschmarotze. Aber anders als andere, die doch viel besser verdienen als ich, habe ich nach wie vor keine Angst – also keine vor der Technik und eben auch nicht vor den AKWs. Vielleicht ist das Dummheit. Doch Angst hab ich vor Menschenmengen.

An den Text!

9.09 Uhr:
Prometheus >>>> trägt das Feuer durchs Netz. Jedenfalls hab ich den neuen Partikel fertigbekommen und eben auch gleich >>>> eingestellt. Jetzt das Ding in die Buchdatei nachtragen. Dann den Kommentar von gestern beantworten.
Leider nur wenig, wenig Sonne draußen. Ist nichts mit hellem Anzug heut. April.

9 thoughts on “Mit Kundry, dann abends. Das Arbeitsjournal des Freitags, dem 8. April 2011. Morgens wieder Fukushima, nämlich Thetis.

  1. Fukushima und andere wundersame Dinge. Die bittere Wahrheit ist: die Welt wird sich weiter an all die Katastrophen gewöhnen, sowohl an die “natürlichen” als auch an die menschengemachten. In Flußtälern, in der Nähe von Vulkanen und am Meer leben? Atomkraftwerke und Chemiefabriken um des Profits willen so preiswert und effizient wie möglich betreiben? Tag und Nacht online sein, um all den Tratsch mitzubekommen und all die Katastrophen-Meldungen? Schöne neue Welt. Dennoch, ANH: Sie haben recht, wenn Sie Katastrophen als Grundbedingungen der Existenz erfühlen, auch der künstlerischen. Eine persönliche Betroffenheit ist dabei natürlich ebenso notwendig wie ein gewisser, das pure Überleben sichernder Abstand, um damit künstlerisch arbeiten zu können. Doch wer keine Freunde in Japan hat, der ist nun selbstverständlich auch nicht betroffen von der dortigen Katastrophe, so daß all die Anteilnahme der Unbeteiligten ganz sicher durchweg geheuchelt ist, was wiederum niemand zugeben wird. Doch auch mit Betroffenheitskitsch kann man ebenso gut Geld verdienen wie mit Atomkraftwerken, die sogenannte schweigende Mehrheit sichert dafür die Grundlage. Oft frage ich mich, wie viele von den scheinbar nicht schweigsamen Anti-Atom-Demonstranten zu faul oder zu doof sind, ihren Stromanbieter zu wechseln. Doch auch das massenweise Aufmarschieren als Folge von Katastrophen, die ja immer eindeutig menschengemacht sind – niemand demonstriert gegen Vulkane oder Erdbeben –, ist vor allem für den Klein- und Wutbürger Lebenselexier, da kann er sich selbst feiern als einen Gutmenschen, der es schon immer besser wußte. Ich selbst war schon als Kind gegen Atomkraftwerke, weil ich Technik (wie jeder Mensch) immer als anfällig erlebt habe und auch weil die, die dafür waren, sich durchweg als naive, schlichte Gemüter zeigten. Gott ist mit die Doofen, ich nicht. Dennoch renne ich weder mit diesen ebenfalls naiven anderen Menschen auf der Straße rum und laß mich von Der Partei (im Moment sind’s Die Grünen) instrumentalisieren, noch verdrücke ich mich ins schräg gegenüberliegende Gotteshaus, um für Japan zu beten, und dies nicht nur, weil Beten Selbstinszenierung ist, die jeder mit sich selbst ausmachen muß.
    In Wirklichkeit ist die Büchse der Pandora das schönste Geschenk, das die Götter den Menschen gemacht haben, ohne deren Ertrag Leben, Handeln und Kunst nicht möglich und nicht einmal notwendig wäre, und überhaupt ist die Angst (vor den Übeln und Katastrophen) nur in der Welt, um sie nicht haben zu m ü s s e n, was ja bedeutete, von vornherein ihr Opfer zu sein. Passieren wird aber irgendwann alles Denkbare, so weit es auf Reaktionen von Bestehendem beruht und den inwendigen Gesetzen der Materie nicht widerspricht, ob man nun Angst hat oder keine. Japan ist zum Glück für uns eine weit entfernte Insel, so daß sich die radioaktive Strahlung also zunächst einmal in Japan auswirkt. Besser wäre es natürlich, das ist klar, dies teils menschengemachte Unglück wäre nicht geschehen. Doch man stelle sich ein AKW-Unglück diesen Ausmaßes in Europa vor, viele der Dinger stehen ja unweit der Staatsgrenzen, und welche Auswirkungen das haben kann, bis hin zu militärischen Aktionen gegen die Verursacher, etwa zur Sicherstellung von Regreßforderungen! Undenkbar? Nichts ist undenkbar, liebe Physiker, Historiker, Militärs und Politiker.
    Es wird immer so getan, als sei es Konsens, die Welt für folgende Generationen nicht zu sehr zu ruinieren. Das wird nicht funktionieren, nicht weil es noch nie funktioniert hat, sondern weil es nicht im Sinne der jetzt Lebenden ist. Punkt. Das war indes immer so. Außerdem kann niemand mehr tun, als mutwillig sein Bestes geben, und zwar jetzt. Die Öko-Diktatur kommt allerdings noch früh genug, ach was, sie ist schon da. Die Ziele sind dabei natürlich vernünftig, doch ebenso natürlich im Sinne von menschengemacht ist die Gleichmachung und Unterdrückung der Vielen zugunsten einer Partei- und Wirtschaftselite, die an der Öko-Religion verdient. Darauf läuft es hinaus. Schöne “neue” Welt.

    1. wirklich norbert ich habe mich wirklich bemüht, ihren beitrag durchzulesen, aber nach der vierten zeile zog mich etwas bleischweres und mein kopf sank wie mit uran gefüllt in die tiefen meiner tastatur, als ich mich wieder aufrichten wollte, zogen sich da speichelfäden. ich hatte eine halbe stunde lang geschlafen.

    2. Ein Hoch auf die Suchfunktion! Zu wenig Zeit zum Antworten, und kurz darauf ist alles schon wieder weg und aus den Köpfen sowieso. In “Fukushima und andere wundersame Dinge.” ist viel Stoff zum Diskurs angelegt, das ist ein schlauer text, den Leute wie strange days nicht verstehen können oder wolln. Ein bisschen Kulturpessimismus steckt natürlich schon darin, doch das ist verständlich.

    3. so kann man seine texte natürlich auch wieder aus der versenkung holen, auch wenn niemand sie lesen will. voll durchschaubar.

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