Fast kein Arbeitsjournal. Donnerstag, der 7. April 2011. Uchida & Brossmann, und von Arndt. Sowie Hans Deters’ Machete.

20.35 Uhr:
[Arbeitswohnung.)
Von Arbeit ist heute (noch) nichts zu erzählen. Die Nacht war lang. Zweite Bilanz: zu zweit dreieinhalb Flaschen Wein und mehrere Stamperl vorzöglichen Himbeergeistes; dazu gebratener Seeteufel, Zucchini- und Auberginengemüse mit gut viel Knoblauch, sowie als Beilage gewürfelte Melone, über und unter die luftgetrockneter Schinken sowie ein Speck gebettet wurde, der auf der Zunge zerfloß. Wunderbar Musik gehört, einiges auf den Stick gezogen. Über Mitsuko Uchidas Schubert-Einspielungen möchte ich an nächster Stelle ganz gesondert schreiben. Dazu will ich sie erst sämtlichst gehört haben.
Der in die Nacht langende Abend fand bei >>>> Brossmann statt. Um zwei ging ich vorsichtig heim. Schon die nächste Augenuntersuchung, mit dem Fahrrad die neun Kilometer hin und neune zurück, inkl. Einer Umfahrerei, weil wegen israelischen Staatsbesuches der letzte Teil meiner Strecke gesperrt war. Nach den zweiten neun Kilometern gleich auf den Crosslauf, warmlaufen, dreieinhalb Kilometer in 16 Minuten; danach Krafttraining, und wieder danach dann so müde, daß ich eine Stunde schlief. Darauf erst das erste Essen des Tages.
Und gelesen. Martin von Arndts „Der Tod ist ein Postmann mit Hut” ausgelesen. Schönes Buch, das gegen Ende etwas weich wird; dennoch, immer wieder klasse Sätze:„Schau, ich hab meine Bücher mal wieder inventarisieren müssen, weil – wurscht. Ich sitz also über der Inventur, da fällt mir Freud in die Finger. Freud, der Freund freudloser Herzerln, von dem wir wissen, daß sich Libido unter Zugabe von Ethanol und Dextrose mühelos in Kunst wandeln läßt, wenn der Sympathikus mitspielt.”Das war dann der Nachmittag. Jetzt folgt der Abend. Ich gehe noch einmal die Kleine Litblog-Theorie in der umgearbeiteten Form durch, bevor ich sie dann endlich ausdrucken werde, um das gleiche noch einmal auf dem Papier zu tun.
Zwei Telefonate mit der Löwin. Aber ich habe keine Badewanne.
Der Profi ist nach Libyen gereist. Deshalb keine Bar. Aber später noch mal Brossmann, weil ich eine Pfeife und ein Pfeifenbesteck bei ihm vergessen habe.

Nein, von Arbeit bislang nichts zu schreiben, aber von vielen Rodungen von Unkraut, das in Der Dschungel heute den Pfad verstellt hat. Nun ist er wieder richtig licht.

22.34 Uhr:
Läuft ganz gut, der Text, auch wenn das momentan nicht grade eine Konzentrations-Hochphase ist, die ich da durchlebe. Dafür erreicht mich von der Uni Kiel soeben folgendes:

Prof. Dr. Hans-Edwin Friedrich und Prof. Dr. Albert Meier würden Sie
gerne zu einer zweistündigen Diskussionsrunde mit Doktoranden in das
Institut für Neuere Deutsche Literatur und Medien der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel einladen, wo u.a. über Ihre
Poetik-Konzeption – beispielsweise den Kybernetischen Realismus –
diskutiert werden soll.
Wir haben recherchiert, dass Sie am 31.05. eine Lesung im Literaturhaus
Schleswig-Holstein hier in Kiel halten und wollten fragen, ob Sie unser
Institut nachmittags – vor der Lesung – vielleicht besuchen könnten.
Für das zweistündige Kolloquium würden wir Ihnen
undsoweiteranbieten und uns sehr über eine positive Rückmeldung freuen.
Ich werde zusagen. Das wird also ein heftiger Mai: allein sechs Lesungen, dazu zwei Wochen Kreuzfahrt mit drei großen und mehreren kleinen Lesungen vor den Bordgästen: AEOLIA, Elegien, Sainte Chapelle und ganz sicher immer mal wieder was aus Der Engel Ordnungen – und nun macht eben auch der Kybernetische Realismus einen weiteren Schritt. Imgrunde kann es – >>>> Schlammwerfer hin und her – besser gar nicht laufen. „Du versteckst dich nicht, sondern zeigst den Leuten persönliche Blößen – da versteh ich nicht”, sagte die Löwin am Telefon,” weshalb du dich immer noch ärgerst. Menschen sind so, vor allem, wenn sie das anonym ausleben können, so daß sie nicht Gefahr laufen, wirklich was auf die Finger zu kriegen.”
Dieses Menschen sind so mag ich nach wie vor nicht akzeptieren; ich bin ebenfalls ein Mensch und bin n i c h t so. Ich mag zuweilen scharf ungerecht sein, aber ich bin, was ich bin, immer mit geöffnetem Visier und stehe persönlich ein. Wie kann jemand das nicht tun und sieht sich dennoch im Spiegel, ohne sofort zu kotzen?

9 thoughts on “Fast kein Arbeitsjournal. Donnerstag, der 7. April 2011. Uchida & Brossmann, und von Arndt. Sowie Hans Deters’ Machete.

  1. Rodung Ich möchte Sie nur warnen, lieber Herr Herbst, was mit einer Rodung beginnt, endet häufig im Kleingarten. Die Machete ersetzt kein gutes Argument.

    1. @Henze. Das ist hübsch, daß Sie mich “warnen”… mit welcher Gefahr habe ich denn zu rechnen, sollte ich weiterroden? Und dann

      1) ist die Machete bisweilen das beste Argument, das es gibt,
      2) läßt sich’s argumentieren auch nur dann, wenn Argumente zu lesen und zu hören waren. Ich rode keine Argumente, sondern sense anonymen Dreck – – oder lasse meine Administrator(inn)en sensen. Wer mit Argumenten kritisiert, hingegen, hat von mir noch allemal argumentierende Antwort erhalten – es sei denn, ich würde aufgefordert zu wiederholen, was ich eh schon Hunderte Male gesagt.

      (Ein Argument ist n i c h t, persönlich zu hämen, zu diffamieren, zu …. um das hier passende Modewort zu verwenden: dissen. Wenn wiederum ich mich bisweilen im Ton vergreife, dann immer gegen Anonyme, also gegen Avatare, für die es meines Wissens so wenig Persönlichkeitsrechte gibt wie für Mülleimer, Feudel, Klobrillen. Indem sich jemand anonym macht, begibt er sich seines Persönlichkeitsrechts. Macht sich hingegen jemand so sichtbar, wie ich selbst das tue, und steht dann für sich ein, ist ihm und ihr – auch bei tiefer Feindschaft – meine Achtung sicher.)

    2. @albannikolaiherbst Ich finde es ja interessant, dass Sie einen Namen mit dem physischen Körper gleichsetzen, auf den er zu verweisen scheint. Vielleicht bin ich ja zu stark mit diesem post-strukturalistischem Gedöns aufgewachsen aber: Ist die Identität, die man in digitalen Räumen verkörpert nicht automatisch eine Andere als diejenige, die t a t s ä c h l i c h Körper ist? Und – sollte das stimmen – wäre es nicht ehrlicher genau das zu unterstreichen anstatt anstatt mit ein und demselben Zeichen dort zu wischen, wo eigentlich Grenzen gezeichnet werden sollten?

    3. @Benjamin. Das ist eine spannende Frage, auf die ich gerne eingehen möchte. Nur lassen Sie mir bitte Zeit bis morgen früh. Ich werde aus zwei Perspektiven, wenigstens aus zwei, antworten müssen.

    4. Das ist keine spannende Frage, das ist wie der Beiträger Benjamin schon sagt, Gedöns, erledigt sich, wenn man ins Gras beißt, dereinst von selbst.

    5. @Benjamin mit einer Anfangsbemerkung zu Sowieso. Liebe Sowieso,
      wenn wir ins Gras beißen, erledigt sich alles von selbst; mir scheint Sterblichkeit hier kein sehr gutes Argument zu sein.

      @Benjamin.
      Ist die Identität, die man in digitalen Räumen verkörpert nicht automatisch eine Andere als diejenige, die t a t s ä c h l i c h Körper ist?1) Ganz sicher ist sie das, nämlich sozial, aber – ich sag einmal – teilmengig. Unsere Identität ist auch jeweils eine andere, wenn wir am Arbeitsplatz sitzen oder unsere Eltern treffen, egal wie alt wir dann sind. Identität ist immer auch gefühlte Rolle. In der Hinsicht ist das Netz nur ein anderer Raum von vielen anderen Räumen, die auf Identitäten wirken.
      2) Identität und Körper gleichzusetzen, kommt selbst mir problematisch vor, sofern Sie mit “Körper” die erlebte Physis des Subjekts meinen. Beziehen Sie in “Körper” das Gehirn und seine Tätigkeit als körperlichen Prozeß mit ein (wie ich es tu), dann wäre Ihr Satz allerdings falsch.

      Des weiteren wäre Ihre These dann diskutabel, erschienen sämtlichen Beteiligten mit einer von einer “realen” Identität getrennten Netz-Identität; in meinem Fall geschieht das aber nicht, da ich mit meinem Klarnamen operiere. Insofern ist meine reale Identität von Angriffen stets mitbetroffen, und es können ihr durchaus reale Verletzungen zugefügt werden. Ich habe das, als ich mit der Kleinen Theorie des Literarischen Bloggens begann, >>>> “sich verwundbar machen” genannt. Folgen solcher Verletzungen bleiben nicht “nur” psychisch, sondern sie können sich auch durchaus konkret materialisieren: in Arbeitszusammenhängen etwa, aber auch solchen von privater Natur. Das kann vom Verlust von Aufträgen reichen bis zum öffentlichen Mobbing. Etwa bleibt von üblen Nachreden stets etwas erhalten, das auch in anderen als Netz-Zusammenhängen weitergetragen und persönlich verwendet wird. Hingegen bleibt der Anonyme von jeglicher Realfolge seiner Invektiven verschont. Jemand, der wie ich, mit Klarnamen im Netz operiert, agiert im Netz, anders als einige Trolls, nicht deshalb, um mal die Sau rauszulassen und sich irgendwie schadlos zu halten. Man kann sagen: der Identitätsanteil i m Netz ist mit den Identitätsanteilen im “Real”leben enger verbunden als bei avatarischen Akteuren, bei denen Rückschlüsse auf die Realität oft gar nicht möglich sind oder nur mit beträchtlichem behördlichen Aufwand.

      Was wiederum die Grenzen anbelangt, die gezogen werden sollten, tendiere ich stark zu ihrer Schleifung, und zwar um so nachdrücklicher, als das Internet zunehmend bestimmender Faktor auch der realen Lebensgestaltung wird. Der Fall Guttenberg ist dafür ein sehr konkretes und politisches Beispiel; in größerem Maßstab gehören auch die Aufstände in der arabischen Welt dazu: da sterben sogar Leute.
      Mehr dazu übrigens in meinen Aufsätzen. Einige können Sie >>>> dort einsehen; die Essays insgesamt werden im Herbst als Buch erscheinen. Zudem gilt, was ich im >>>> Kybernetischen Realismus schrieb.

    6. Nein, wieso, wie identisch man schon immer mit sich war, zeigt die Auslöschung, sie rafft Identität und Körper dahin, es gibt das eine nicht ohne das andere, das ist schon alles. Ich tippe ja auch hier unter physischer Beteiligung, you can call me any name you like, i will never deny it, war doch so, oder? Eine Dylanzeile, die für mich nichts anderes bedeutet als, nenn mich doch wie du willst, ich bleib eh immer der eine, dann kam Freud und Trallala und musste spalten spalten spalten, im Grunde ist es aber Gedöns, die Identität wird gewahrt von den Anzügen, die bei guter Qualität 10 Jahre halten, meinte Benn, und ich denke, wenn das Denken die Richtung wechseln kann, weil der Kopf rund ist, dann kreist es immer noch im selben Narrenkastel und hat noch keinen anderen aus mir gemacht.

    7. Irgendwie hielt ich die Poststrusis auch immer für irregeleitete Christen, die an sowas wie Transsubstantiation glauben, nur eben mit der eigenen Identität, aus einer mach viele, viele Fisch für alle Mensch, das denkt mir die Idee vom Einen aber zu beschränkt, denn natürlich kann das Eine auch noch was anderes, ob es allerdings darum schon seine Identität wechseln muss, wie den Wintermantel, wenns Frühling wird, das erscheint mir nicht eine halb so spannende Frage, wie sie den Franzosen immer schon erschienen ist.
      Verzerrtes Wort: fart. Soso. Ich nehms mal so hin.

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