Mit Schubert beginnen. Das Arbeitsjournal des Dienstags, dem 8. August 2011. Darinnen Zugriffsstrafen und die kleine Litblog-Theorie, nämlich 133. Sowie zur Libido, monotheistisch.

8.22 Uhr:
[Schubert, Klavierquintett D667.]
So springt mir die Forelle aus dem, wie ich hoffe, Springbach der Ideen. Wobei die Sprache noch nicht richtig stimmt, die dieser Junge spricht. Er muß altklug sein (allerdings auch wirklich klug), doch zugleich ist er eben noch elf. Das muß ich genau austarieren; es muß Kindermund bleiben. Doch bringe ich jetzt erst einmal die Geschichte voran, den sogenannten Plot. Mein Problem besteht ein bißchen darin, daß sich sehr viele Ideen bei mir aus dem Sprachfluß selbst ergeben, also aus seiner Rhythmik. Vielleicht habe ich deshalb diesen bestimmten Schubert zur Einstimmung gewählt, der eine, sag ich mal, hüpfende Kindlichkeit hat.
Habe verschlafen und bin erst um sieben auf. So daß ich mir erst gleich den zweiten Latte macchiato bereiten werde. Daß >>>> Nahid hier mitliest, habe ich gestern nicht mehr gemerkt. Wenngleich ich’s mir hätte denken können, wie ja sehr viele Leute mitlesen, die darüber nicht sprechen, jedenfalls nicht mit mir. Andere wollen bewußt nicht lesen, ob und wie und als welche Figuren sie vorkommen. Weblogs wie Die Dschungel sind Vermischungsgewässer, die nicht nur ins Private, sondern auch in Arbeitsverhältnisse dringen. Manchmal möchte jemand aufwischen, was doch immer noch nachdringt. Man muß auch hier, wie zwischen dem altklugen und dem Kinder-Ton oben, genau balancieren.

Kleine Theorie des Literarischen Bloggens 133.
Litblog 132 <<<<


Liegengeblieben ist immer noch die Essay-Zusammenstellung. Da muß ich heute, ebenfalls, wirklich ran. Und nebenbei denke ich über die während der Italienreise skizzierten Gedichte nach. Das ist, als hätte mein Hirn derzeit drei Zimmer, die von einer ganzen Menge Kammern und Separées umrahmt sind; der Salon aber, den ich zu lange nicht mehr betreten habe, heißt ARGO. Ich weiß nur nicht so recht, woher die Zeit zu nehmen wäre, ihn wieder herzurichten, so daß ich auch Gäste drin empfangen, ja Empfänge geben kann, die ihren Anlaß wert sind.

Dies ist der 14301ste Eintrag in Der Dschungel. Immerhin steigen ihre Zugriffszahlen wieder. Die Löwin, gestern am Telefon, an dem sie zu Nahid g a r nichts sagte, sagte: „Du wirst jedesmal abgestraft, wenn du auf Reisen bist. Die Leute wollen, daß du an deinem Schreibtisch sitzt und schuftest.” Ob ich darüber ernstlich nachdenken soll, weiß ich noch nicht. Und sowieso: weitermachen! – Siebtes Kapitel.

14.56 Uhr:
[Nach dem Mittagsschlaf.]
Jetzt hab ich wen verärgert. Nein, nicht die Löwin.
Die religiöse Idee der und des Einzigen: Libido, monotheistisch. Aber Sie haben recht: auch ich bin davon nicht frei. Vielleicht noch nicht: ich werde mich bemühen, es zu erleben. „Hat aber nie funktioniert”, wandte die Löwin in Skype ein. „Schau dich um”, gab ich dagegen, „wo hat denn das Modell der Monogamie funktioniert – also anders als zur ökonomischen Absicherung? Das immerhin ist was, das stimmt, aber nicht das, was wir meinen.”

>>>> Abendschein hat noch einmal das Cover der Kleinen Theorie des Literarischen Bloggens geschickt; ich möchte nun doch noch, in kleinerer Schrift, Die Dschungel. Anderswelt mit auf dem Titel stehen haben. Er will es probieren, hat aber Sorge, daß es dann zu viel Text wird. Ich hätte das aber schon deshalb gerne mit drauf, weil ich auch eine Zusamenstellung der Paralipomena, jedenfalls eine Auswahl, in Printform herausbringen will. Wer bös ist, könnte, was ich will, ein Dschungelfleddern nennen.

Der Jungenroman läuft zäh. Noch ist mein oft üblicher, rasender Zug nicht darin. Ich nehme an, es sind die üblichen Starthemmungen. Es kommen dauernd neue Ideen, aber es ist noch kein rundes Bild der Geschichte da, die sich erzählen will. (Wichtige Formulierung: es will sich etwas erzählen.)
Bin noch nicht mal unter der Dusche gewesen.

Arbeitsfortschritt:
Jungenroman II, bis TS 11.

23 thoughts on “Mit Schubert beginnen. Das Arbeitsjournal des Dienstags, dem 8. August 2011. Darinnen Zugriffsstrafen und die kleine Litblog-Theorie, nämlich 133. Sowie zur Libido, monotheistisch.

    1. Aber, Löwin, wenn das jemand wirklich schafft… wissen Sie doch. Wobei sich in diesem ‘Fall’ mit gleichem Recht sagen ließe, ich selbst sei es gewesen, der etwas überstand. Das würde ich so aber nicht unterschreiben, zum einen aus Gründen des mir eigenen Charmes, zum anderen, weil manches Überstehen eine Erfüllung ist. Und auch das ist Ihnen tief bekannt.

      (Ich hätte von Nahid wahrscheinlich nichts schreiben sollen und kann mich jetzt nur damit herausreden, daß ich sie erfunden hätte. Das wäre für sie aber ebenso verletzend, wie sie zu verschweigen. – Leute ohne Dschungel haben es leichter.)

  1. Ich glaube ja, die Leute kommen nur zur Wochenschau, wenn auch Wochenschau läuft, reisen tun die ja alle selbst, aber schreiben nicht, und vom Schreiben schreiben schon gar nicht. Ist bei mir ein bisschen anders, das mit dem Tauchen interessiert mich sehr, weil schon schnorcheln so irre ist und reisen interessiert mich auch, das Schuften interessiert mich nur bedingt, weil es mich dran erinnert, was ich dringend angehen muss. Und für meinen Geschmack wird eh zu viel geschuftet und zu wenig getaucht.

    1. @diadorim. Es ist ein Unterschied, ob Menschen reisen oder in Urlaub fahren. Deshalb glaube ich nicht, daß Ihre Aussage stimmt, reisen täten die ja alle selbst. Genau darauf hat, denke ich, zu recht >>>> Tom zur See angespielt.
      Interessanterweise aber kann man sogar im Urlaub reisen, vorausgesetzt, man arbeitet. Der Begriff des Schuftens stammt nicht von mir, denn mir gefällt meine Arbeit. Schuften setzt ein entfremdetes Arbeitsverhältnis voraus; erst und nur in ihm bekommt der Begriff Wahrheit. Das sehr schöne ist doch, daß wir in unseren Berufen tauchen k ö n n e n, nämlich in der Arbeit selbst. Wir haben sie uns ausgesucht.

      (Vor dem anderen Tauchen aber steht, wie bei jedem Sport, ebenfalls wieder Arbeit.)

    2. Als wenn das, was man sich selbst ausgesucht hat, immer der reine Segen wäre, es ist natürlich im Vergleich zu allem anderen, was man sich nicht selbst aussuchen kann, über allen Zweifel erhaben, aber, ach, wurscht, ich hab 21 Jahre drauf verwandt, dem Mann an meiner Seite die Trödelei etwas schmackhaft zu machen, ist mir total klar, dass ich das hier nicht so einfach fertig bringe, dass Sie mal sagen, jo, irgendwie, ich tät jetzt auch gern lieber mal weiter tauchen, mit den Fischen, weil, ja, bla, Metapher hin oder her, meine Arbeit ist auch Arbeit, die ich nicht immer gleich liebe, recht eigentlich ist Tauchen ne gute selbstgewählte Abwechslung. Ein hoch aufs selbstbestimmte Schaffen und die Erfindung des Müßiggangs!

    3. Völlig einverstanden, diadorim. Etwa tu mich mich momentan ziemlich schwer mit dem neuen Jungenroman, das zieht sich so Zeile für Zeile vorwärts, zäh, auch wenn die Idee rollen, es sind halt nur die Ideen, ist nicht der Ton, nicht die Abfolge, nicht – schon gar! – die konkrete Geschichte. Das ist mühsam, ja, aber absolut kein Vergleich zu der Fronzeit, als ich noch in die Büros ging und – für mich – sinnentleertes Zeug tat. Und auch beim Tauchen wird es Situationen geben, in denen man lieber wieder normal Luft bekäme. Oder als ich neben dem ausbrechenden Ätnakrater stand, da wär ich, zugegeben, schreiend gern wieder unten im Sichren gewesen, aber kaum war ich dann dort, trieb es mich wieder hinauf. Was ich sagen will: Ich kann mit “Müßigkeit” nur sehr bedingt und ausgesprochen kurze etwas anfangen, während mich Arbeit immer wieder füllt, anstatt mich, wie die Muße es tut, auszusaugen.
      Man erholt sich, glaube ich, von einer Arbeit sehr viel besser vermittels einer anderen Arbeit (zu der auch leidenschaftlich betriebener Sport selbstverständlich gehört, schon rein physikalisch betrachtet) als durch Nichtstun.

  2. Na ja, was heisst denn funktioniert? Meine bescheidene Meinung dazu, nicht jeder kann es so gut ab, sich immer anderen Menschen auf einer Weise zu nähern und zu öffnen, die ihn auch das Leben kosten könnte, ich glaub schon auch, es gibt eine Art Urangst vor körperlicher Nähe, genauso wie es das dringende Bedürfnis nach ihr gibt, Fremden gegenüber nähert man sich eigentlich auch erst mal nicht weiter als bis auf Armlänge, und beinahe jedem ist unwohl in überfüllten Räumen. Und ausserdem mag auch gar nicht jede/r immerzu die Anstrengung unternehmen, jemanden von sich zu beeindrucken, es gibt so viele Gründe, warum dem einen Monogamie passiert und dem anderen eher nicht. Sie ist sicher kein Wert an sich, aber sie ist eben auch kein Unwert an sich, und manch einer wünscht sie sich eben dennoch. Ich hab es nie verstanden, warum ich so jemanden zum Gegenteil bekehren soll, ich sehe nicht, wo das Gegenteil in jedem Fall die glücklicheren Menschen hervorgebracht hat.

    1. @diadorim. Es geht mir nicht darum, jemanden anderes zu bekehren – allenfalls mag ich helfen, wenn sie oder er unglücklich ist. Ich erwarte aber, daß meine eigene Freiheit respektiert wird, also daß ich meine Liebesbeziehungen halte, wie ich sie halten will, und daß ich nicht, umgekehrt, auf einen common sense und eine sog. allgemeine Moral heruntergebogen werde. Das meint sowohl die Pluralität meiner Lieben wie ihre Arten: sie verlangen dasselbe Recht.
      Nun ist das problematisch selbst in den Innenverhältnissen, denn nicht jede Geliebte teilt die Neigung des Geliebten; Liebe aber kann sein, auch wenn sie sich die Nase an sich selbst blutig stößt. Da erst beginnt eigentlich mein Interesse. Es ist nur sehr schwierig, hier eine lebenswerte Lösung zu finden, wenn man sich zugleich mit dem moralischen Mainstream herumschlagen muß, der einen verunglimpft, weil solch eine Freiheit offenbar immer auch als Angriff empfunden wird.
      Ich bin nicht missionarisch unterwegs, sondern stelle lediglich dar – fantasierend, imaginierend und real durchlebend.

    2. Das mit dem gewagt klingt dann aber so, als seien alle anderen feige Luschen, das meine ich damit. Aber jemand der Gay ist, würde doch heut auch nicht mehr sagen, er habe das gewagt zu sein, er ist es eben einfach, dass man sich dann mit einem moralischen Mainstream herumschlagen muss, ist natürlich auch wahr, aber ein anderes Feld. Wer schreibt Ihnen denn was vor, zumal als heterosexueller Mann, ich glaub, so viel moralischen Mainstream muss man da gar nicht ertragen. Und die paar Monogamen, die zeige man mir doch mal in den großen Städten, reitet man da nicht einen beinahe ausgestorbenen Gaul zu Tode, frage ich mich dabei?

    3. @diadorim (fff). Zum einen: “gewagt” erklärt nicht alle zu feigen Luschen, aber jene zu – in diesem Fall durchaus auch zu recht – ängstlichen Menschen, die polyamor leben, aber es nicht zugeben.

      Sie verkennen mehrerlei:
      Wer heute homosexuell ist, muß, sofern er’s als Mann ist, das nicht mehr wagen; in bestimmten Kreisen ist es sogar zu einer Positionsvoraussetzung geworden. Das heißt, mit der Homoxualität von Männern sind Machtstrategien verknüpft worden. Das war aber einmal anders. Noch Oscar Wilde war rechtlich gefährdet; es hat sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gerade in Hinsicht auf männliche Homosexualität ein Emanzipationsprozeß vollzogen, der für Polyamorie noch viel weniger überhaupt erst angedacht, geschweige gelebt ist, als etwa für weibliche Homosexualität, die seit ein paar Jahren von den gewonnenen Kämpfen der männlichen zu profitieren beginnt. Polyamorie greift aber die Grundkonstanten dieser Gesellschaft in ihrem Intimsten an, in den eineindeutigen Partnerschaftskonstellationen nämlich, die unterdessen interessanterweise auf homosexuelle Beziehungen übertragen werden, etwa in Form der sog. Schwulen-Ehe. Ob polyamores Verhalten hingegen praktiziert wird, nämlich sowieso (was mir ausgemacht zu sein scheint), aber eben heimlich, ist insofern nebensächlich, als dem kein öffentliches Selbstbewußtsein zur Seite steht, das über Stammtischbekundungen hinausgeht und da meist auf Kosten der Frauen. Außerdem geht es dabei mehr um sexuelle Affären als um Polyamorie. Frauen sind übrigens sehr viel besser darin, so etwas geheimzuhalten, zum einen, weil sie ganz offenbar keine Zuschauer und deren Applaus brauchen, zum anderen, weil das Geheimhalten von Affären für sie über Jahrhunderte lebenswichtig war. Während Männer bekanntlich tun konnten, was sie wollten, jedenfalls innerhalb ihrer jeweiligen Sozial-, bzw. Klassensysteme: das gehört ins Hauptbuch des Patriarchats, in dem Frauen quasi rechtlos waren (es sei denn, sie verfügten über Macht).
      Gewagt aber ist es nach wie vor, sich als polyamor zu bekennen, einerseits öffentlich, andererseits aber auch in den eigenen Geschlechts-, bzw. Partnerschaftsbeziehungen. Das habe ich gemeint. >>>> Phyllis Kiehls kurzer Einwand scheint genau das auch zu meinen.

    4. Ich sehe das nach einigen Diskussionen so: es wäre überhaupt kein Problem, mehrere zu lieben, wenn der Sex ausgeklammert wäre. Dann wäre gemäß der herrschenden Moral alles in Ordnung.
      Das mit dem Sex ist ein bisschen unangenehm. Das Konzept de Liebe, das in unserer Lesart ja erst wenige hundert Jahre besteht, scheint dem Sex eine bestimmte Hauptrolle zuzuspielen. Habe ich selbst auch so gesehen. Seelenverwandschaft und Sex – das ist die große Liebe.
      Sex an sich ist aber schlimm. Das schafft Kirche und Staat gleichermaßen. Die Verdammung und Eingrenzung von Sex ist die leichteste Möglichkeit, den Menschen ein schlechtes Gewissen einzureden. Damit werden sie politisch leichter handhabbar. (Kann man bei W. Reich nachlesen, der das besser begründen kann.)
      Wäre Polyamorie offiziell akzeptiert, hätte jeder einen Berechtigungsschein für den Seitensprung. (Ich brauche hier wohl nicht erwähnen, dass es “den” Seitensprung bei PA nicht gibt. Ganz im Gegenteil, der würde dann eher ein Grundverständnis aufheben, dass alle Betroffenen im Bilde sind und auch die Gegebenheiten akzeptieren.)
      Die Monogamie hat den großen Vorteil, dass sie energiesparsam ist. PA ist viel aufwendiger im behutsamen Ertasten von gleich zwei Stimmungslagen, Anpassung an benötigte Zuwendung und Zeiteinteilung.
      Wie ich vor wenigen Tagen anderswo geschrieben habe, (relativ aggressiv zugegebenermaßen) können sich gerade die PA nicht vorstellen, die nicht einmal mit einem Partner zurechtkommen. Die, welche in einer glücklichen Monogamie leben, sind da viel toleranter und sagen: könnte es schon geben, aber ich brauche es nicht.

    5. Also, ich sehe das nicht ganz so easy mit dem problemlosen mehrfach lieben, bzw, alle, die ich kenne, die gleichzeitig mehrfach geliebt haben, also, wirklich geliebt, gerieten an die Grenzen ihrer Kapazitäten, was Aufmerksamkeit und Ressourcen anging, sprich, in einer gelebten und geliebten Menage a trois sah ich alle Beteiligten zum Schluss mit ihrem Latein am Ende, weil es entsprechend der Intensität ihrer Gefühle nicht genug Energie gab. Es ist ähnlich, wie es mir schon mit den zwei Orten geht, das klingt toll, aber, ehrlich, man will zum Schluss keinen von beiden mehr und verkriecht sich im Virtuellen, es zehrt, der Reibungsverlust ist enorm, es macht nicht wirklich glücklich, es ist eine Überforderung, auch wenn man es sich immer wieder beweisen muss, dass man es kann, so kommt es mir für mich vor. Polyamorie, ja, man hat einen Begriff, mir bedeuten Begriffe nicht die Welt, sie kommen mir manchmal vor wie überfrachtete Menükarten, es gibt unendlich viele Gerichte, aber letztlich doch nur die immer gleichen Geschmäcker. Niemand muss heute mehr in Zweierbeziehungen leben, die wenigsten tun es in Städten wie Berlin, die Sehnsucht danach gibt es scheinbar dennoch.

    6. Wie lustig sich das anhört, als wäre es in Berlin aus der Mode gekommen durch die Strassen zu springen, zu hüpfen, sich zu lieben, sich ins Haar zu fassen usw.
      Aber was für Moralspritzen es immer noch gibt, mehrere oder nur alleine, am Ende kommt es doch drauf an, ob alle Beteiligten sich darin wohlfühlen oder etwa nicht?

    7. Natürlich, jeder nach seiner Facon, ich kenne vielleicht einfach andere Leute, an denen der Liebeskummer anders nagt und die leiden, wenn der Freund sie betrügt und es nicht zugeben mag, die aber alles in Kauf nähmen, nur um nicht noch mehr zu leiden, wenn er sie doch nur nicht auch noch verließe. Den letzten, den ich so leiden sah, der hat mir gezeigt, es ist dabei wirklich egal, welches Geschlecht welches Geschlecht liebt, ich glaube aber auch, man will mich nicht verstehen, es geht nicht um Moral, es geht um Innigkeit und das Gefühl, sich verbunden zu fühlen, und ich glaube, das ist etwas, was genuin menschlich ist, denn man verscharrt uns nicht im Sand, lässt uns von der Wärme ausbrüten und dann sind wir auf Gedeih und Verderb uns selbst überlassen, wir erfahren wohl in der Regel in unseren ersten Lebensjahren eine starke Bindung, möglicherweise hinterlässt das Spuren und Sehnsüchte. Und Formen a la Otto Mühl, die da krude und diktatorisch gegen die Zweierbeziehung vorgingen, die wünscht sich sicher auch niemand mehr her.

  3. @Libido, monotheistisch Was wählt man? Wen man liebt (oder in wen man sich verliebt?) Wie oft? In wie viele?
    Ich wählte nicht, was ich fühle. Ich wüsste aber auch nicht, was ich wählte, wenn ich´s könnte. Denn die Frage stellt sich gar nicht.

    (Some Do Not)

    1. Aber, MelusineB, man wählt durchaus… … beispielsweise die Ängste, von denen man sich beherrschen lässt, ebenso die, denen man sich stellt – und eben *nicht* unterordnet. Und wählt man nicht das Gefühl/das Denken selbst, wählt man doch wenigstens den *Umgang* damit. Und wirkt damit wiederum in das Gefühl «selbst» hinein zurück. Somit stellt sich die Frage, im Gegenteil: ganz unbedingt. Das letzte Refugium des ehemals freien Willens: einen wesentlichen (sic!) Unterschied zu machen, zwischen, sozusagen, Genotyp und Phänotyp, als wetterumstürzlerischer Schmetterlingsflügelschlag innerhalb komplexer Feedbackprozesse. Voilà: Neuroplastizität. Wir *können*.

      (Nennen Sie’s wie Sie wollen: Reifeprozess, Selbstentwicklung, Kultur, Emanzipation, ggf. auch Heilung etc.)

    2. das aber, brsma, klingt… … mir doch etwas zu euphorisch. wer wählte die angst, von der er/sie/es sich beherrschen lässt?! freilich, manche(r) entscheidet sich eines tages, sich von diesem oder jenem, sei es angst, sucht, gewohnheit, nicht mehr beherrschen zu lassen a la “führe dein leben oder dein leben führt dich”, aber ob das nun immer “freie wahlen” sind und nicht entscheidungen, die ihrerseits aus bestimmten zwängen oder abhängigkeiten resultieren, scheint mir fraglich.
      [beiseite: ich habe mich gerade zu einer ziemlich einschneidenden kursänderung in meinem leben entschieden, aber wie frei diese wahl wirklich war, scheint (je länger ich darüber reflektiere) immer unklarer.]

      viele leute wählen den “umgang” mit bestimmten denkungsarten (schon bei gefühls- wäre ich in der einschätzung vorsichtig), solche, und extreme leute, laufen mir ständig über den weg. für viele folgt daraus, dass sie von eben jener denkungsart in anderen sphären (schlimmstenfalls: charakterbildung) deutlich eingeschränkt sind. wie frei ist also frei? und wen bläst der orkan vom deich, wenn anderswo ein schmetterling den kurs ändert?

      (ich nenne es: eine frage der dosierung, die im zweifel nur haarfein zwischen reife und verstiegenheit, selbst und rolle, “kultur” und peer pressure, emanzipation und blindwut, heilung und vergiftung unterscheiden kann…)

    3. @brsma “man wählt durchaus…beispielsweise die Ängste, von denen man sich beherrschen lässt, ebenso die, denen man sich stellt – und eben *nicht* unterordnet”.

      In diesem “man/n” kann ich mich nicht finden. Die Ängste, die mich quälen, wählte ich “freiwillig” nicht.

      (Ich wüsste nicht einmal, ob ich überhaupt eine nähme aus dem Angst-Regal, wenn ich denn wählen könnte oder nicht wagte Felicitas Furchtlos zu sein und am Ende einer dreifachen Prüfung gegen den Teufel zu obsiegen und mit meinem Prinzen in einer Hütte im Wald in großer Eintracht zu leben bis wir gestorben wären oder noch immer lebten…)

      Wohl gehe ich um mit meinen Ängsten, – um und um, wenn Sie so wollen. Wie mit andern Gefühlen auch. Dass ich die Wahl habe (oder mir einbilde sie zu haben), w i e ich mit ihnen umgehe, nimmt mich erst recht in die Pflicht. Dass ich mir trauen können muss, wenn ich einem Gefühl nachgebe, heißt das zum Beispiel. Oder dass einer, der sich mir anvertraut, geborgen ist.

      Und trotzdem glaube ich, dass am Ende Aikmaier Recht hat, weil man nicht wissen kann: “wie frei ist also frei”? – Auch dann also, wenn man meint, man sei so frei, nicht frei sein zu wollen.

      “Some do not” (Ford Madox Ford) – Die Leiden schaf(f)t der SelbstbeHERRschung.

      Oder denken sie an Henry James “Portrait of a Lady” – eine selbstgewählte weibliche Passion.

      Ja, es gibt eine Wahl – w i e man an der Liebe leiden will. Aber ob und wen und dass man liebt, das wählt man nicht…

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