Noch einmal Gogolin, nunmehr gegen Ruge gehalten. Doch abends revidiert. Das Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 5. Oktober 2011.

8.20 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Seit kurz nach sieben auf, bin ich bereits wieder in >>>> Ruges DDR-Geschichte eingetaucht; das Buch hat jetzt etwas Reiz bekommen, vielleicht, weil ich mit den handelnden Personen, die mir an sich ziemlich fremd sind, nun doch ein wenig vertrauter wurde, vor allem aber wohl, weil es unterdessen einzwei romanästhetische Tricks gegeben hat, die mich ein bißchen überraschten und deshalb meine Aufmerksamkeit wecken konnten. An sich kommt das aber, für ein 420-Seiten-Buch, zu spät. Wobei ich mir klar darüber bin, daß es dieser einfache Realismus ist, der mich so lange nicht hineinfinden ließ, weniger, weil er so dokumentieren möchte, was für einen Roman, das weiß Ruge sicherlich auch, an sich keine tragfähige Option ist, sondern mehr, weil dem etwas Referierendes anhaftet, das, um in die Protagonisten wirklich hineinzulangen, sie wirklich zu werden, nicht genügt. Ganz anders da Gogolins >>>> Calvinos Hotel; das ist einfach viel eleganter, nein: ü b e r h a u p t elegant. Allerdings fragt es sich, ob literarische Eleganz für Ruges Sujet überhaupt angemessen wäre, ob er nicht irgendwie sogar darauf verpflichtet ist, seine Geschichte mit den ästhetischen Mitteln des sozialistischen Realismus zu erzählen – etwas, wovon Gogolin völlig unbeschattet sein durfte.
Aber ich merk grad, ich formuliere hier meine noch zu schreibende Rezension vorweg. Na gut. Ich kann ja später von hier nach dort copy ‘n pasten.
Erster Latte macchiato, zweite Morgenpfeife, mit >>>> Motzeks Meistermischung gestopft.
Noch achtzig Seiten zu lesen, dann werde ich sofort zu schreiben beginnen; der Redakteur möchte den Text morgen vormittag zum Gegenlesen haben; aufnehmen werd ich ihn übermorgen um Viertel nach acht. Vielleicht probiere ich vorher mal M‘s Erzählung von dem einfachen, doch, sagt er, höchst funktionierenden Studio aus: zwei Stühle auf den Tisch, darüber eine dicke Decke, mitten darin auf dem Tisch das Mikrophon. Einen Versuch ist das wert.
Draußen ist das gütige Wetter voll Lichts, das uns nun so gestreichelt hat, einer windscharfen Trübe gewichen, die sich, merkt man, einregnen will. Das paßt zum Titel von Ruges Buch: In Zeiten des abnehmenden Lichts. Sogar eine Hörbuchfassung gibt es schon, was für diesen reichlich sprachplanen Text ziemlich bizarr ist. Der offenbare Erfolg dieses Buches ist alleine sein Thema.

20.01 Uhr:
Durchgearbeitet bis eben; mittags war ich mit der Lektüre fertig: so ganz „sprachplan“ ist der Text denn doch nicht, da hatte ich mich geirrt. Auch die Konstruktion „sitzt“. Problematisch, vielmehr, ist tatsächlich der realistische Erzählansatz, der den Erzähler letztlich in die Klemme bringt. Ich habe versucht, das in meiner Rezension herauszuarbeiten, die jetzt in Erster Fassung fertig ist und bis morgen früh „abhängen“ muß. Dann, in der Früharbeit, noch einmal drüber und schließlich das Ding an den Funk gemailt.
Am Sonnabend, übrigens, in der Tiefdruckbeilage der FAZ, soll nun mein Pettersson erscheinen, nicht aber in der Sonntagszeitung. Der Text sei allgemein „zu literarisch“ genannt worden – das stimmt selbstverständlich, nur muß man das zu subtrahieren. Wir werden hören, was Leser dazu sagen. – Außerdem mit der Messe hin- und hergemailt und etwas Hübsches herausgeschlagen… was ein zu hartes Wort für die kleine Pfiffigkeit ist, die mir ganz automatisch in die tippenden Finger geriet.
Jetzt wollte ich eigentlich, nach getaner Arbeit, >>>> in die Bar radeln – aber es regnet so blöd; da käme ich klitschnaß an. Vielleicht beweg ich den Profi, hierher zu kommen.

Nachtrag:
Was>>>> Edith anbelangt, so nerven mich ihre permanenten Miesheiten allmählich sehr. Hätt ich doch damals nur mit ihr geschlafen, anstatt ihr einen Korb zu geben! Aber vielleicht hat sie sich den selbst verpaßt und nimmt mir eben das jetzt übel. Manche Leute ticken so.

6 thoughts on “Noch einmal Gogolin, nunmehr gegen Ruge gehalten. Doch abends revidiert. Das Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 5. Oktober 2011.

  1. Deutsche Geschichte verkehrt. Westei(erkopf), von westdeutschen Verlagen in
    einem kleinen Independent-Verlag mit DDR-Profil
    untergeschlüpft, bespricht Ruges DDR-Geschichte,
    verlegt von einem renomierten westdeutschen Verlag.
    Beim “Gegenhalten” gewinnt, kaum überraschend,
    der nette Kumpel aus der Kulturmaschine, was
    gemeinhin als “Betrieb” bezeichnet und mit einem
    Glas Eierlikör gefeiert werden kann.

    1. @Edith. 1) Hab ich mein morgendliches Urteil nach Abschluß der Lektüre soeben sehr relativiert. Also warten Sie doch erst einmal die Sendung meiner Kritik ab und folgen meiner Argumentation. Gegen die Sie dann gerne argumentieren können.
      2) Sollten wiederum Sie >>>> den Gogolin erst einmal lesen, bevor Sie urteilen.
      3) Sind sie autoritätshörig – einmal ganz abgesehen davon, daß ja auch drei meiner Bücher, darunter der erste Andersweltband, bei Rowohlt erschienen sind, und der zweite erschien im Berlin Verlag schlichtweg deshalb, weil ich meinem Lektor gefolgt war. Jedenfalls lügen Sie Gründe, aus denen Büchern dort und dort erscheinen, absichtlich hinweg – was dann nicht nur mir übel nachredet, sondern vor allem auch Literat:innen wie Scho, Stolterfoht, Böhmer, übrigens auch Georg Klein, der zu seinem Großverlag erst kam, als ihn der neue Rowohlt-Verleger zu Rowohlt aus dem Kleinverlag mitnahm. Usw.
      4) Haben die >>>> Kulturmaschinen weder einen DDR-Hintergrund (wie kommen Sie, übrigens, darauf?), noch gehören sie zu den >>>> Independents.
      5) Ist Gogolin alles andere als ein Kumpel, geschweige denn “nett”.
      6) Bin ich Ihrer dauernden Anwürfe allmählich müde. Sie stalken, Edith, und projezieren dabei Ihre eigene Übergriffigkeit ständig auf mich. Ich empfehle deshalb, damit Ihnen klare Sicht wird, eine Therapie. Denn ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie wirklich glücklich mit diesem Zwang sind, ständig bei mir zu lesen und ständig mich im Kopf zu haben, um mich dann ständig zu schmähen, bzw. beleidigen zu müssen. Das führt zum Händewaschen dreihundertfünfzig mal am Tag.

  2. Edith 88 einmal wieder gelöscht. Auch, wenn es sinnlos ist, weil sie nichts anderes zu tun hat, als ihr Zeug wieder und wieder einzustellen. Bedauernswerte Frau. Und jetzt warten wir drauf, daß es gleich wieder drinsteht.
    (So lange ihr Schmutz anonym eingestellt wird, wissen zumindest feine Charactere, was, na sowieso, davon zu halten ist.)

  3. Ihre Kehrtwende. (1) hat uns Leserinnen nicht weiter überrascht.
    Machen Sie etwas Hymnisches daraus, das liegt Ihnen.
    Vermeiden Sie das Reizwort “sozialistischer Realismus”,
    reden Sie drumherum, klar, auf über vierhundert Seiten
    muß es auch Tiefen geben, ansonsten aber, Sie wissen
    schon, und bringen Sie unbedingt Ihren
    “kybernetischen Realismus” unter, die Chance,
    vielleicht wieder einmal in die Suchmaschine Ihres
    Rohwohlt-Verlages zu kommen, ich suchte dort
    vergeblich nach Ihnen.
    2) und 5) Wenn zwei Haudegen öffentlich versprechen,
    gegenseitig ihre Bücher zu besprechen, spreche ich
    von echten “Kumpeln”, ob nett, kann ich nicht
    beurteilen, da haben Sie recht. So Sie Nettigkeit
    wirklich als Miesheit empfinden, ich nehme sie zurück.
    3) Hörigkeit ist mir fremd, weder lege ich wert auf
    Morcheln noch auf Beischlaf. Heiterkeit verursacht
    allein Ihre Aufgeblasenheit. Sagen Sie einmal, seit
    wann haben Sie keine Samstags-FAZ mehr gelesen,
    seit fast einem Jahrzehnt gibt es keine Tiefdruckbeilage
    mehr. Was also wollten Sie uns mir Ihrem Hinweis
    “übrigens” sagen?
    4) Das Verlagsprogramm spart nicht mit Solitären
    aus trüben Zeiten. (Natürlich nicht nachvollbar, da
    Ihr Link “Kulturmaschinen”, mit “Lulturmaschinen”
    unterlegt, ins Leere führen muß. “Lultur”, “Lultur”,
    das schmeckt nach Eierlikör am frühen Abend? –
    Mittlerweile korrigiert. Wie heißt das? Danke?).
    6) Riefen Sie nicht gerade Leser:innen auf, an
    Ihren Entäußerungen zu rupfen? Klar, lese ich
    lieber Streeruwitz und Lewitscharoff, aber immer
    nur “Gefrorene Safran-Mandel-Espuma”,
    zwischendurch Ihre deutsche Hausmannskost
    läßt Rotationsverdampfer und Stickstoffpatronen
    vergessen.

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