SECHSTER PRODUKTIONSTAG: Das ungebändigte Leben (17). Feinschliff & Formate. 26. November 2011.



Nachdenken, mich zurücklehnen, meditieren. Ich muß warten, bis es nach acht Uhr ist, damit ich das Stück noch einmal über die Lautsprecher anhören kann, nunmehr als mp3, um abzuschätzen, wieviel Klangverlust die Kompression bedeutet und ob ich guten Kunstgewissens eine so geschmalte Tondatei überhaupt zum Abhören verschicken darf. Dabei dann Korrekturnotizen kritzeln, was ich gestern abend, als ich >>>> die Erste Mischung hörte, nicht getan habe, denn da wollte ich erst einmal nur hören und wirken lassen. Wirkt. Wirkt sogar s e h r. Dreivier Korrekturen bekam ich aber auch da schon in den Kopf, wobei es allerdings um Feinheiten geht, die wahrscheinlich nur noch ich selbst höre; bzw. würde man sie bei wiederholtem Hören des Stückes mitbekommen. Meinem künstlerischen Kalkül kommt es freilich darauf genau an: Ich habe selbstverständlich eine CD-Ausgabe oder etwas dergleichen im Sinn, die es von meinen nunmehr achtundzwanzig Hörstücken eines Tages geben soll; dann erst würden die Arbeiten überprüfbar, und es würde sich erweisen, wie oft sie von ihren Hörern wieder- und wiedergehört würden, so, wie man sich wieder und wieder geliebte Musikstücke anhört oder immer wieder bestimmte Bücher aus dem Regal nimmt, um darin vielleicht auch nur versonnen zu blättern und hier und da Passagen wiederzulesen. Denn meine Hörstücke handeln nie nur von ihren definierten Gegenständen, sondern ergeben insgesamt einen wichtigen Pfeiler einer von mir nach und nach entwickelten literarischen Ästhetik der Neuen Moderne; letztlich höre ich auch Musik literarisch.
Also die Korrekturen. Es geht teils um Einsätze, die eine Zehntelsekunde zu früh oder zu spät sind, es geht um minimale Tonhöhenverschiebungen oder um Hintergründe („Atmos“), die sich für mein Ohr noch zu sehr vordrängen. Letztlich sind Entscheidungen der Balance zu treffen: es muß kalibriert werden. Und dann ist noch eine Sprecher:in-Ort-Bestimmung vorzunehmen: Wo sitzt in den Lautsprechern (bei guten Anlagen: hinter ihnen) wer. Sie dürfen nicht zu weit auseinandersein, aber eben auch nicht alle den gleichen akustischen Platz einnehmen. Diese akustische Justierung nimmt man am besten im Kopfhörer vor; alles weitere ist dann eine Frage der jeweiligen Raumakustik; vollständig wird sich meine eigene Imagination alleine deshalb nicht realisieren lassen, weil die Möbel in den Hörerzimmern je woanders stehen, oder es stehen überhaupt zu viele davon herum oder zu wenig; auch die Oberflächenbeschaffenheit der Möbel und ob die Fußböden von Teppiche gedeckt, von Teppichböden, Parkett oder Laminat sind, spielt akustisch eine Rolle, ebenfalls wie die Art der jeweiligen Tapete: all das bestimmt nicht nur den Character des Klangs, sondern auch, inwieweit sich Stereophonie perfekt wahrnehmen läßt, um von Surround-Systemen ganz zu schweigen und davon, wie klar ein Klang wird. All das ist tatsächlich wahrnehmbar. Doch ist die Realität überhaupt eine anderen: wie viele Leute hören in der Küche mit mangelhaften, den Küchen aber durchaus angemessenen Geräten. Bei den meisten meiner Hörstücke gilt allerdings sowieso: am besten nimmt man sie in Kopfhörern wahr, schon weil einige jener bei musikalischen Einspielungen bewußt an der Grenze des Hörbaren agieren, völlig bewußt, wenn ich etwa so etwas wie eine Erinnerung evozieren will, die eben ungefähr sein soll und nicht sofort („begrifflich“) zuordnend, – wenn es mithin d arum geht, die Wahrnehmung unterhalb der Bewußtseinsschwelle anzusprechen. Undsoweiter.
Soweit.
Jetzt aber werde ich erst einmal die Dritte Fassung des Typoskripts erstellen, aus der Zweiten, in die nun präzise die Musiken eingetragen werden; es könnte ja mal jemand auf die Idee kommen, mein Stück neu zu inszenieren. Außerdem hörte ich vom WDR, daß regelmäßig >>>> Marbach die Typoskripte meiner Poetischen Hörstücke anfordert; da will ich so genau wie nur möglich sein. Denn irgendwann wird sich die Literaturwissenschaft darüber hermachen.
Vielleicht werde ich am Nachmittag auch schon soweit sein, die fertige Sendung an meine Redakteurin zu schicken, so daß sie sie sich bereits an diesem Wochenende anhören kann, privat, über die Dropbox. Überdies hat jemand das Stück angefordert, der in einer großen Tageszeitungen vor der Ausstrahlung darüber schreiben und auf sie hinweisen will. Krausser hat eine Fangemeinde; das kommt offenbar für dieses Stück zum Tragen.

9.58 Uhr:
Mit der Bearbeitung der dritten Typoskript-Fassung fertiggeworden. Jetzt müssen nur noch die Musikquellen detailliert in den Fußnoten ausgewiesen werden; das wird mir einige Arbeit bei den Urheberrechtsmeldungen ersparen: wichtig. Ich will ja kein eigenes Backoffice eröffnen. Aber diese Auszeichnerei schiebe ich, bis das Stück abgegeben ist.
Jetzt wird die gestern erstellte mp3 abgehört, mit Papier und Stift zur Seite, um Einwände etc. zu notieren, wozu es höchst sinnvoll ist, immer die genaue Zeit dazuzuschreiben. Wenn ich damit durchbin, ist der endgültige Text zu verfassen, den meine Redakteurin sprechen soll und den ich dann noch in das Hörstück einmontieren muß, sowie sie mir ihre Aufnahme geschickt hat – wahrscheinlich werden wir das auch wieder per Dropbox regeln.

11.41 Uhr:
So. Ja. Das geht mit der mp3. Im Prinzip ist das Stück sendefertig, nur ein paar Kleinigkeiten fielen mir noch auf:

Jetzt sind meine notierten Einwände, bzw. die notierten nicht gänzlichen Zufriedenheiten Punkt für Punkt abzuarbeiten. Um da jetzt aber keine neuen Fehler versehentlich in die Montage hineinzuschleusen, lege ich nunmehr die Dritte Fassung an.
Mal sehen, wie weit ich vor dem Mittagsschlaf noch komme. Eine Stunde lang, jetzt wieder mit den Kopfhörern, will ich dem Ende der Vormittags entgegen arbeiten.

13.15 Uhr:

Sämtliche Punkte weggearbeitet und auch die Sprecherbalance neu definiert, was wiederum dazu führte, daß ich noch einmal die Dynamikverteilung jeder Musik-Sprach-Kombination abhören mußte. Jetzt wird zur Zweiten Mischung gemischt und dann, nach dem Mittagsschlaf, das ganze Stück noch einmal, jetzt mit den Verbesserungen, abgehört. Läuft das zu meiner Zufriedenheit, erstelle ich die neue mp3 und schickte das Hörstück an meine Redakteurin. Womit dann der letzte Produktionstag meiner Krausser-Arbeit abgeschlossen wäre. Was noch folgt, ab dem Montag, werden Nachbesserungen auf Einwände der Redakteurin sowie auch meiner Freunde sein, die ebenfalls noch vorhören werden.
Also, ANH: Anderthalb Stunden lang woanders hinschalten nun.

16.50 Uhr:
Fertig mit allem; was ich jetzt noch herumkorrigiere, von dem weiß ich erstens, daß alleine noch ich die vermeintlichen Fehler höre, und zweitens, nämlich nicht, ob es überhaupt noch welche sind, oder ob ich nicht Gras auf Blech wachsen höre – der Profi jedenfalls, der eben, auf einen Espresso heraufgekommen, zwölf Minuten mitgehört hat hörte nicht eine der Macken, die ich noch immer… gut, auch mehr ahne als höre.
Deshalb: Abstand jetzt. Soeben wird die mp3 komprimiert; wenn der Prozeß abgeschlossen ist, lade ich das Stück in die Dropboxes: eins für die Redakteurin, eins für den Journalisten, ein weiteres für UF und schließlich ein viertes zur Löwin nach Wien. Dann warte ich die Rückmeldungen ab, vor allem der Redakteurin, und setze mich für ein allerletztes Mal an diese Arbeit, um eventuelle Nachbesserungen vorzunehmen an Stellen, die jene und die Freunde monieren. Nach Lage der Montagedinge kann ich meinen Überspieltermin von morgen früh, im ARD HS, eigentlich canceln. Hoffentlich erreiche ich dort jemanden.

Jetzt wird, mit dem Stück, das noch einmal läuft, hier a u f g e r ä u m t.






Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .