Offene Visierung ODER Der Sexualtrieb als Kimme und Korn. Das Arbeitsjournal des Freitags, dem 10. Februar 2011.

8.37 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Das ging mir offensichtlich nach, daß UF, der den Jungenroman II lektoriert, der Ansicht ist, es müsse doch noch einiges daran getan werden, weil die Geschichte zu unübersichtlich geraten sei, so daß er immer mal wieder die Orientierung verliere. Ich selbst fand das nun gerade nicht, aber er hat möglicherweise insofern recht, als die von mir gewählte elliptische Erzählform für Kinder nicht gänzlich geeignet ist. Andererseits unterschätzt man sie vielleicht. Von anderer Seite kam der Einwand, es passiere zu wenig, zu wenig direkt, sondern alles werde fast ausschließlich vom sprechenden Protagonisten nach/erzählt. Was stimmt, aber auch der Witz an dem Ding ist. Freilich könnte auch hier der „Kinder-Einwand“ berechtigt sein. Falls dem so ist, werde ich gründlich noch einmal umarbeiten müssen, was bedeutet, den gesamten Text völlig neu zu schreiben, diesmal in „normaler“ Chronologie. Damit würde aber auch ein Großteil des Witzes fallen, des Irrwitzes, in den die Schlüsse dieses permanent nur logisch argumentierenden Jungen immer wieder hineingeraten.
Das war das eine, was in mir umging.
Das andere war dieses Lektorat meines Opernaufsatzes, das mir nahezu alle Ellipsen, Neologismen, Bilder usw. so sehr normalisieren will, daß ich einen fast belustigten Brief an den Herausgeber schrieb: ob ich das allen Ernstes ernstnehmen solle?
Und zum Dritten, daß der Kinderbuchverlag mich trotz der Neuerscheinung nicht an den Stand der Leipziger Messe eingeladen hat, damit ich das Buch auch persönlich präsentiere. Normalerweise ist das usus.
Die drei Geschehen auf einmal waren meinem Unbewußten offenbar etwas viel Tabak, der sich nicht rauchen ließ. Er krümelte derart in seinem Papier, daß er hinausbröselte und mich ratlos vor dem Screen sitzen ließ. Woraufhin ich, wie >>>> seit früher Jugend, mit voyeuristischer Gier, bzw. direkt sexueller Aktion re/agierte. Also hing ich mal wieder bis fast drei Uhr nachts in den heftigsten Pornosites fest, was mir aber insofern keine Erleichterung verschaffte, als ich, als ich schließlich im Bett lag, zu nichts anderem mehr fähig war, als spontan einzuschlafen; an irgend einen Akt von Autoerotik war nicht im entferntesten zu denken. So daß von alledem der Testosteronschub noch immer aufgestaut ist und ich überdies nicht, wie gewohnt und mir nötig, um halb fünf aufstehen konnte, um wieder vernünftig zu arbeiten, sondern erst um halb acht. Da sprang ich aber auf, so erschrocken war ich. Doch ein wichtiger Tagesteil wird für meine Arbeit verloren bleiben.
Ganz offenbar sind Testosteronschübe bei mir auch ein Ausdruck von umgelenktem Protest und damit Verarbeitungsform von Konflikten. Sie sind ein offenes Visier, das ich zwischen mich und Sachverhalte schiebe, die mir nicht schmecken, bzw. die mich kränken. Ich werde wieder ausgerichtet. Im Fall der beiden Lektorate ist das sehr sinnvoll so, weil ich jeweils in der Sache selbst die Übersicht behalte oder schnell wiedererlange, statt auf eine Kritik mit emotionaler Abwehr zu reagieren und dann irgend welches Geschirr zu zerschlagen. Fakt bleibt indes Enttäuschung: man hat fest gemeint, Begeisterung zu erzeugen, bekommt aber Skepsis zur Antwort.

Also jetzt mit Übersicht erst einmal an den Operntext und diejenigen Lektoratsvorschläge übernehmen, die mir einleuchten. Dann wieder wegschicken das Ding. Woraufhin ich mit den Fahnenkorrekturen des >>>> Essaybandes anfangen werde, damit er zur Leipziger Messe auch vorliegt. An den Jungenroman, bat mich UF, möge ich noch nicht wieder gehen, sondern erst, wenn er die Lektüre abgeschlossen habe. „Du brauchst erst einmal Abstand, nachdem du das Ding >>>> in so rasender Geschwindigkeit niedergeschrieben hast.“ Woran rein faktisch etwas ist (meine „normalen“ Romane verlangen drei bis vier Überarbeitungsphasen, hier gab es nur einen einzigen, bislang).
Guten Morgen.
Unwahrscheinlich, bei alledem, daß ich heute schon die Erzählung zur >>>> Sechs schaffen werde, nachdem mir allerdings die Sieben auch erst an-diskutiert zu sein scheint. Einen ergebigen Kommentar hat gestern abend >>>> Bruno Lampe da hinzugeschrieben.

Ich stell dies eben ein und bereite mir den zweiten Latte macchiato sodann.

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