Vorosternkaltes Arbeitsjournal. Darinnen Leander Sukov erscheint, neben ihm auch ein zweiter, ihrer spitzen Kinnbärts halber, Plessis. Die Tücken der Soundcards dazu. Sowie Fettbergs Gleisbauarbeiten: eine Empfehlung.

9.05 Uhr:
[Arbeitswohnung. Strauß, >>>> Oboenkonzert in der Digitalen Konzerthalle.]

Gestern den ganzen Tag mit dem Weiteraufbau meines Tonstudios verbracht; erst nachts, nachdem ich von Leander Sukovs erster Lesung aus seinem Roman zurückkam, wurde es auch – einigermaßen – fertig. Jedenfalls funktioniert jetzt fast alles; ich würde aber gern noch an der Qualität herumschrauben. Bis 4.30 Uhr morgens saßen Freund Michael und ich hier, bei Talisker und Wein und ein wenig Cidre, und bastelten, nachdem wir gegessen und anderthalb Stunden lang wie benommen >>>> auf Sellars’ unfaßbare Matthäuspassion gestarrt hatten, die uns fast die Tränen trieb; also kam ich erst um elf aufs dem Bett, womit denn der Tag literarisch gelaufen war. Vor allem sah – und sieht immer noch – es wüst aus hier. Überall liegen Kabel herum, die Bücherstöße sind halb zusammengerutscht oder ins Unauffindbare verschoben – also, es wäre noch Ordnung zu schaffen, dringend. Aber ich wollte arbeiten heute, will es und tu es. Und was das Tonstudio anbelangt, sei folgender Dialog, vorgestern nacht und also müde kurz nach vier Uhr zitiert:
MV, erschöpft: „Tontechniker ist ein Ingenieursberuf, oder?“
ANH: „Ja.“
MV, indem er seine Zigarette ausdrückt: „Man schließt den mit Diplom ab, oder?“
ANH: „Ja.“
M: „Jetzt wissen wir, warum.“
Als mein Nebenwecker zum Aufstehen fiepte, ging der Freund.

Ergo: neue Normalität ist vonnöten. Obwohl ich morgen nach Halle fahren werde. >>>> Ragna Schirmer selbst lud mich ein. Ob ich über das Projekt schreiben wolle in Der Dschungel. Lange las ich keinen so persönlichen Brief mehr, der für eine Veranstaltung warb; obendrein kam er wirklich mit der Post. Von der kommen seit fünf Jahren eigentlich nur noch Behördlichkeiten oder Rechnungen. Eigentlich war es keine Frage, ob ich zusagen sollte. Dennoch schwankte ich, wegen der vielen sonstigen Arbeit. Nun wird es ein Ausflug, hab ein nahes Hotelzimmer gefunden, das sich auch bezahlen läßt.
Zur Veranstaltung, die heute wiederaufgenommen wird, erst einmal noch nichts außer >>>> diesem Link mit den nächsten Terminen. Vielleicht hat ja jemand von Ihnen, der nahbei wohnt, Lust, dort hinzugehen.

Leander Sukov. Die Lesung gestern abend.
Von guter Organisation läßt sich nicht sprechen, das Baiz war rammelvoll, aber keiner wußte, daß es eine Lesung geben würde. Verlegerin Barrientos mußte sogar mit etwas Nachdruck drauf bestehen, daß die Boxen ausgeschaltet wurden. Dennoch tobte der Lärm um uns her. Die kleine Bühne blieb von Trinkenden besetzt, denen man das auch nicht übelnehmen konnte, weil sie erstens von einer Veranstaltung gar keine Ahnung hatten und zweitens US-Amerikaner waren, die kein Deutsch verstanden. Treffliche Voraussetzung für eine Lesung.
Die Sukov tapfer, und lachend, in den Griff nahm. Und las >>>> seinen wirklich wütenden Text. Er liest sehr gut, bisweilen vielleicht zu theatralisch; für diesen vollkrawallten Raum war das perfekt. Doch nicht nur er, auch Barrientos las. Erst sie, dann er, dann sie. Am Zehnertisch, an den wir uns zu fünfzehnt auf den Stühlen quetschten. Es ging auch viel zu spät los, statt der angekündigten 21 Uhr erst eine Stunde später. Was etwas ist, das ich gar nicht leiden kann. Aber die Samarkandin saß mir zur Seite und war zärtlich. Nur rückte sie fast gleich nach der Lesung aus, „das wird mir zu viel, ich kann diesen Krach nicht ertragen“, außerdem standen bereits die Wodkas auf dem Tisch, die sie desgleichen floh.
Die Lesung, bei aller Unvorbereitung oder vielleicht sogar ihretwegen, hatte etwas Intensives, Nahes, Nachdrückliches. Hier ein paar Bilder, die Ihnen einen Eindruck vermitteln:

Ich blieb noch eine halbe Stunde, machte mich dann ebenfalls auf, dachte: vielleicht daß ich mit Dämpfer noch etwas an mein Cello geh. Da knallte die Lampe durch, die die Noten beleuchtet. Also noch mal an den Computer und den Kram mit dem Tonstudio noch eine halbe Stunde weiterbebastelt. Und plötzlich kam für ein Problem die Lösung. Die hatte sich von selbst überlegt, ich mußte gar nichts für sie tun. Nur noch folgen.

[Bruckner, Vierte, Berliner Philharmoniker,
Thielemann in der >>>> digitalen Konzerthalle.]

17.40 Uhr:
[Franz Schreker, Der Schmied von Ghent.]
Eben mit der >>>> Hans-Sommer-Kritik fertig geworden; wie immer lasse ich sie nun einen Tag „abhängen“, bevor ich noch mal drübergehe und sie an die FAZ hinausschicke. Zum Galouye-Hörstück habe ich es dafür noch nicht geschafft; die Kritik brauchte mehr Zeit, als ich eingeschätzt habe. Sowas passiert mir immer wieder. Da setz ich mich also jetzt gleich dran. Danach geh ich an den kleinen Auftrag des Schweizer Fernsehens, für das ich eine nach Rousseau modelliert Frage beantworten soll.
Bislang nur etwas mehr als eine Stunde am Cello gewesen; eine halbe gönne ich mir noch. Sowie ich die erste der beiden weiteren CDs angehört haben werde, die ich ebenfalls besprechen soll. Franz Schrekers >>>> Schmied von Ghent, produziert durch die famose jpc, auf die auch schon deshalb direkt der Link geht. Nix Amazon.
Abends werde ich hierbleiben. Hab mir einen Rinderbraten bereits morgens zubereitet, mit einer fast schwarzen Sauce, wie ich es von meiner Großmutter gelernt habe. Etwas seltsam ist das aber schon: alleine essen, und eben nicht im Stehen, so vor Ostern. Aber ab morgen mittag bin ich ja eh unterwegs. Den Laptop werd ich mitnehmen, für die Frühmorgenarbeit im Hotel. Vielleicht noch einen Abstecher ins Saaletal machen. Max Klinger. Nietzsches Naumburg. So stell ich mir das vor. Am Montag abend pünktlich genug zurück nach Berlin, daß ich noch ans Cello komme. Am Abend darauf ist mein Junge ja schon wieder da.
Pfefferminztee um Pfefferminztee. Dauernd muß ich aufs Klo.
Frühnachts will auf einen Spätdrink brsma vorbeikommen, dem ich unbedingt Hans Sommers Vertonung des goetheschen Wanderers Nachtlied vorspielen will, die die besprochene CD abschließt – und die rasend schöne Claudius-Vertonung Der Mond ist aufgegangen Othmar Schoecks..
So, Galuoye.
Argo ist nun bis 388, unteres Drittel, durchkorrigiert.

(Ziemlich untypischer Schreker bislang.)

Ach, eh ich das vergesse: Eine sehr schöne Besprechung von >>>> Phyllis Kiehls Roman “Fettberg”

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