Keiner sprach vom Regen. Das Arbeitsjournal des Dienstags, dem 21. August 2012. Die Kunst und das Recht. Sowie die Tarnung der Zwerge. Und, zum Glücklichsein, die Quartette von John Cage.

4.49 Uhr:
So. Auf.

5.04 Uhr:
[Arbeitswohnung. Joonas Kokkonen, Vierte Sinfonie (1971).]
Der elegante Madetoja gestern brachte mich drauf: über Kokkonen zu Kalevi Aho, musikalisch heute. Die Finnen wieder. Ein Gefühl für diese sinfonische Melodik bekommen. Während ich weiter die Korrekturen in Argo übertrage. Und den kleinen Triumph gemieße, den ersten Eintrag heute noch vor fünf Uhr eingestellt zu haben, auch wenn er ein wenig geschummelt ist, da einfach direkt ins Netz geschrieben und nicht, wie sonst und jetzt wieder dieses hier, vorformuliert.
„Du schaffst das wieder“, sprach in Wien die Löwin, „es ist doch immer ein kleiner Triumph für dich.“ Aber als ich gestern nacht mit dem Profi unten vorm >>>> Beakers saß, fand er‘s befremdlich, fand es ein bißchen zwanghaft, weil wir uns so nah unterhielten, daß ich stur aufstand um zehn Minuten vor Mitternacht und ging. „Ich muß meine Routine wieder auf die Reihe bekommen, sonst“, sagte ich, „komme ich mit meiner Arbeit nicht durch. Es ist einfach viel zu viel auf einmal.“ Auf sein Fragen hatte ich aufgezählt. „Viel“, befand auch er unter angemessener Kürzung ums zu. Den Regen erwähnten wir nicht, das Regnen: gestern nachmittag, immer wieder, fing das an, regnete vor sich hin und wie aus der Welt, ohne auf die Sommerhitze aber Eindruck zu machen. So auch nachts nicht auf die Sommernacht. Endlich eine Sommernacht, eine zweite. http://Wetter.de, gestern den gesamten Tag, ignorierte ihn, den Regen, auch. Das find ich mal ‘ne Haltung. Doch leider gehn die Temperaturen runter. Ich arbeite, denke ich manchmal, um so besser, je heißer und auch feuchter es ist.
Also kurz nach Mitternacht im Bett gewesen und tatsächlich sofort eingeschlafen. Um elf Minuten nach halb fünf aufgestanden; diese elf Minuten werd ich mir auch noch kürzen, dann ist wieder alles im Lot. Latte macchiato, erste Morgenpfeife. Mit den Korrektur-Übertragungen, für Argo, beginnen, dann den zweiten Abschnitt Giacomo Joyce einstellen und schon mal probehalber übersetzen. Das Ding läuft befriedigend an. „Es ist ja auch ein Angriff auf die leidige Urheberrechtsdiskussion“, sagte ich dem Profi, „die – und wie sie – derzeit geführt wird. Daß jemand die Chuzpe hat, etwas völlig Neues mit einem modernen Klassiker zu machen, für das er gar kein Geld bekommt, das er einfach so hinausgibt, und zwar einer, der sich das gar nicht leisten kann, ökonomisch gesehen. Nicht nur einer, nein, >>>> Helmut Schulze auch und auch alle anderen, die vielleicht teilnehmen werden. Daß es uns rein um die künstlerische Leistung geht, die Lust an ihr und die Freude, sie weiterzureichen.

[Joonas Kokkonen, Zweite Sinfonie (1961).]
„Und wie übers Arbeitsjournal das Private und das Öffentliche nun auch hier verschmelzen und eines ins andere rückwirkt – welch sonstiger große Text wäre ähnlich geeignet wie >>>> der Giacomo Joyce?“ Von dem wir getrost annehmen können, daß auch er heutzutage mit dem Persönlichkeitsrecht wäre in Konflikt geraten, und nicht nur mit dem. Sondern die Mißbrauchsnummer wäre aufgerufen worden, etwa. Kunst befindet sich, nicht jede, aber oft, zwischen den Rechten. Es ist von enormer Bedeutung, darauf immer wieder hinzuweisen. Einfach nicht abzulassen, sondern zu beharren, ob man sich damit unbeliebt macht oder nicht.

Ans Werk.

7.10 Uhr:
[Kalevi Aho, Zehnte Sinfonie (1996).]
Quasi bis eben am zweiten, heute bereits nur quasi-einsätzigen Giacomo-Joyce-Beitrag gearbeitet; >>>> steht drin. Dann in die Post geschaut. Kurz vor eins hat mir noch >>>> Ricco Bilger http://www.bilgerverlag.ch geschrieben, den ich als Verleger überaus schätze. Kryptische Nachricht, besonders als Reaktion auf mein Mailing zu dem Giacomo-Joyce-Projekt:lieber alban
danke für all deine ritte gegen die mühlräder
ich kann und werde nicht immer antworten, weil meine reise eine andere ist.
ich umarme dich,
ricco
Ich etwas die Augenbrauen hochgezogen: was meint der Mann mit Mühlrädern? – Nach kurzen Zögern hab ich jetzt wie folgt geantworet:Wieso Mühlräder? Ich bin kein Don Quixotte, sondern, mit vielen anderen, dabei, die Welt zu verändern; es ist eine Tarnung der Riesen, sich für Windmühlen halten zu lassen. Das macht die Zwerge größer.
Herzlich,
A.
Es mag freilich sein, daß ihm genau diese Veränderung der Welt nicht schmeckt. Aber unsere einst nahe Freundschaft kühlte, wie so vieles andere, mit dem Prozeß um >>>> MEERE aus. Ich habe für ein Buch schon ganz schön bitter bezahlen müssen, das ich nach wie vor für eines meiner besten halte und für ein Bestes insgesamt. Ohne jeden, bis heute, Abstrich daran. Das Problem ist, daß keine Zwerge draufklettern können, um dann die Aussicht zu genießen.
– Weitermachen.

13.05 Uhr:
Argo-Korrekturübertragung bis TS 247 gekommen; das ist fast schon ein Drittel. Dazu Korrespondenzen geführt und endlich wieder am Cello gewesen: knappe anderthalb Stunden. Ich mußte aufhören, weil die linke Hand wehtat. Nicht gleich am Anfang überstapazieren, vorsichtig anfangen. Klingt aber auch nix. Einiges vergessen. Was Wunder, nach fast fünf Wochen Pause. Bis zum Wochenende, so hoffe ich, werd ich das meiste aufgeholt haben.
Mittagsschlaf. Danach wird Das Blaue Buch weitergelesen. Die Häfte habe ich. Noch zwei Tage also, dann werd ich die Rezension schreiben können. Ah ja, für >>>> Faust-Kultur einen netten Fragebogen ausgefüllt; sowie er erscheint, werd ich ihn verlinken.
Mittagsschlaf, sag ich!

19.20 Uhr:
[John Cage, Quartetts.]
Zum Weinen schön, diese Musik! Wie ich drauf kam? Von den Finnen zu den beiden Komponistinnen Juliane Klein und Rebecca Saunders, beide „Tips“ von Leukert, der immer genau weiß, wohin wir hören sollten. Und auf der einen Klein-CD (>>>> „Vertikal“) befinden sich diese Quartette, denen man nur sprachlos zuhören kann:

So erweicht, während ich lese, kam mir >>>> diese Stelle unter. Würde jemand so etwas über mich denken, ich wäre stolz. Obwohl der Held des Romans, den diese Frau so widerstrebend, aber unwiderstehbar begehrt, ein Täuscher ist – doch täuscht er mit der poetischen Wahrheit. Auch dem gäbe ich gerne die Hand.
Weiterlesen. Aber sollte mal eine Kleinigkeit essen, vielleicht beim Vietnamesen um die Ecke.

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