Unbehaglich. Sowie zur Stetigkeit. Das Arbeitsjournal des Sonnabends, dem 22. September 2012. Und zum Anderswelt-Projekt.

5.39 Uhr:
[Arbeitsjournal.]
Unbehaglich, weil ich seit >>>> diesem Kommentar das mulmige Gefühl habe, es habe sich da ein Mißmut eingeschlichen, den ich nicht ganz verstehe, so daß ich eben eine Email schrieb, um etwas, das ich vielleicht, doch nicht bewußt verrückte, wieder zurechtzurücken. Kann aber Gras sein, das ich wachsen höre. Bei kranken Kindern daheim wird man besonders sensibel, achtet auf jedes Atmen.
Aber der Junge schläft fest und ruhig. Es scheint, als wäre die Krankheit vorüber, die Broßmann-Moro-Suppe hat wohl geholfen. Eine gute Portion, überdies, ist noch da. Ich selbst aß die Muscheln vom Vortag, die von wiederum zwei Tagen davor im Kühlschrank im Salzwasser lagen, und war auch für sie von aber nur leichtem Unbehagen. Nein, sie waren völlig in Ordnung, k e i n Eiweißbömbchen war darunter.
Um Viertel vor fünf hoch.
Latte macchiato, erste Morgenpfeife.
Manchmal sitze ich da und überlege, was ich getan am Vortag; ich komme nicht immer sofort darauf. Auch dafür dienen >>>> die DTs‘e. Dann grüble ich. Ich hänge einer Idee von Nahtlosigkeit an, von Stetigkeit, die den natürlichen Abläufen wahrscheinlich gar nicht entspricht, sondern gegen die deterministische Willkür eigenbestimmtes Modell ist wie die anderen Modelle auch, Haltung, Rituale, Gewohnheit, auch Macken. Damit verbunden ist Vollständigkeit, eine, die ich in den Romanen immer wieder anstrebe: keine Erzählfäden sollen heraushängen. Das Leben als ein Werkstück. Das ist die formale Seite, während ich doch zugleich, auf der Inhaltsseite, immer vom Flüssigen, Zerfließenden, Vergehenden und neu Entstehenden erzähle, von Bedingtheiten, Zufälligkeiten usw., die ich aber eben formal immer binde. Insofern ist Erzählung, jedenfalls bei mir, nie mimetisch, sondern versucht, einen Sinn zu finden und dann zu halten. Seltsames Unternehmen! Zumal ich ihn selbst, besonders in den Anderswelt-Romanen, immer wieder torpediere; freilich, das „selbst“ dabei ist zweifelhaft. Auf diese Ambivalenz scheint >>>> Dr. No mit seiner zitierten Frage hinauszuwollen, wie man damit fertig werde, „dass sich in einem alles zusammenzog?“ Auf nicht alles werde ich Antwort geben können, einiges weiß ich, auch über meine eigene Arbeit, selbst nicht.

Dann war da wieder >>>> so wer. „Löschen!“ sagte am Telefon die Löwin. Ich mochte aber nicht, mag immer noch nicht, antwortete dem Kommentator statt dessen. Etwas an mir macht Leute aggressiv, sie müssen mich gar nicht kennen dazu, ja nicht einmal meine Erzählungen gelesen haben. Sie schnappen dreivier Zeilen auf, zum Beispiel über Rachmaninow, und ziehen sofort den Revolver. Meine Wörter dringen in sie ein, sie sehen in ihnen kleine Trojanische Pferde, die ihre Mauern von innen bedrohen, invasionär. Anders kann ich es mir nicht erklären. „Dieser Roman macht etwas mit einem“, schrieb eine Kritikerin über Thetis, und ähnlich erzählte eine der Jurorinnen, damals, des Fantastik-Preises: „Das Buch läßt einen nicht in Ruhe“, es gehe bis in die Träume. Nicht ganz fern davon, was mein >>>> Elfenbein-Verleger sagte, nachdem er >>>> Thetis und danach in der da noch Zweiten Fassung des >>>> Argo-Typoskriptes gelesen hatte. Er sprach von eine Art Literatur, die er noch nie gelesen habe; deshalb, genau deshalb, wolle er den Roman verlegen, „ich weiß nicht einmal genau, was dieses Buch ist“. Und ich, ich kann es selbst nicht sagen.
Daß Thetis nun >>>> wieder im Gespräch ist, hilft mir für Argo sehr.

Woran ich mich jetzt sofort wieder setzen werde.

7.55 Uhr:
Das habe ich noch nicht getan. Sondern – die Thetis-Gespräche werden immer intensiver – eine lange Antwort an Dr. No geschrieben und >>>> soeben eingestellt. Wer sich derart viel Zeit nimmt, hat ein Anrecht auf die Zeit des andern: auf Antworten nämlich, auch wenn sie nur versuchen können, sich zu geben.

Jetzt wird die Löwin aus ihrem Wiener Bett geküßt, dann geht es wirklich an Argo. Mein Junge schläft noch. (Schulfest sei heute bei ihm; mal sehen, ob wir hingehen können).

13.15 Uhr:
Bis eben an Argo gesessen. Müde. Mittagsschlaf. Mein Junge ist noch da, wir haben beim Schulfest abgesagt, ich sprach mit der Lehrerin. Es sei besser, so auch sie, er kuriere sich erst noch aus. Im Moment seien eh lauter neue Eltern da: Tag der Offenen Tür. – Dennoch, er will kurz hinüber zu seinem besten Freund, wartet auf seinen Anruf.
Zum Abendessen wieder hier; dritter „Männer“abend in Folge. Dazwischen ich in der Arbeit. Ich muß mir dem Aufsatz für den Palmbau beginnen, der morgen abend fertigsein soll. Trotzdem will ich mit Argo noch etwas weiterkommen. Läuft grad so gut.

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