Höllendampf und Frauenlust. Das Arbeitsjournal des Dienstags, dem 27. November 2012. Sowie, frühmorgens, ein paar Bemerkungen zur Dschungel als selbstreferentes System, das sich wieder einmal, hoff ich, aufbricht.

5.05 Uhr:
[Arbeitswohnung. Boris Blacher, Erstes Klavierkonzert.]
Mir ist klar geworden über den gestern geschriebenen Antrag, wie wenig Fake er eigentlich ist; vielmehr braucht Die Dschungel tatsächlich wieder einmal eine gesteigerte Konzentration, vor allem, was die Verschmelzung der verschiedenen Erzählungen anbelangt, die schon begonnen sind, aber immer wieder ein bißchen versickern; zwar, sie gelangen wie Wasser aus Quellen immer wieder ans Tageslicht des lesenden (und schreibenden, logisch) Bewußtseins, aber früher flossen sie stärker ineinander. Unter anderem merkte ich das gestern daran, daß ich seit langem keine neuen Pseudonyme mehr angelegt habe, vor allem nicht der handelnden Personen; ich beobachte also einen stärker gewordenen Akzent der „klassischen“ Buch-Ästhetik, die ich zugleich doch, nach wie vor, unterlaufen will. >>>> Argo wirft einen langen Schatten, schon deshalb muß der Roman endlich hinaus; andererseits markiert diese Text-Arbeit fast genau die bisherige, seit 2004, Dschungelzeit, läuft allezeit mit, während andere Texte, die in Der Dschungel, sagen wir, ausprobiert wurden, längst fertig oder sogar als Buch erschienen sind. Doch ich hafte zu sehr, denke ich, am Zeitstrahl; der Charakter des Veränderlichen, gegen das Original gerichtet, hat sich ein bißchen zu sehr festgesetzt; „rein“ aus Zeitgründen, also wegen meines übrigen Arbeitspensums, habe ich auch schon lange keine Texte mehr umgeschrieben, bzw. modifiziert. Was ist aus >>>> Sholeh geworden, was aus >>>> Malos? Es gehört zum ästhetischen Kontinuum einer Erzählung, daß Personen nicht verloren gehen. So hat denn die Antragsschreiberei auch einen ästhetischen Sinn gehabt, gegen den ein faktisches Ergebnis, selbst wenn es ein Jahr der ökonomischen Ruhe bedeutete, ganz uninteressant wird. Das Gespräch meiner Romanfiguren miteinander, und mit Ihnen, fehlt mir, wenn ich diese Everglades jetzt betrachte: da ist zu viel befestigt unterdessen, drainiert und begradigt. Also wundern Sie sich bitte nicht, wenn unversehens wieder Beiträge von vor Jahren „nach vorn“ gezogen werden (auch über die Raummetapher wäre nachzudenken – während die Metapher für das nasse Gebiet der Kaimane schon ihren Sinn & Ursprung hat, nämlich in >>>> Chromos Email von gestern abend; die muß sie spät in der Nacht geschrieben haben, da an, hätt ich jetzt fast geschrieben (und schreibe es also), „ihrem“ Orinoko. Erzählte ich schon, daß sie Ethnologin ist? Wiederum die Löwin: „Es ist Ihnen doch klar, daß sich so ein schlanker, dünner Hals von einer Großkatze sehr leicht…“ – nein, das hintertrage ich nicht, schon gar nicht Ihnen, die auf so etwas, geben Sie‘s nur zu, lauern, während andere meiner Lesergegner „Löschlücken“ monieren, die aber alleine deshalb – und gar nicht, eben, spürbar – klaffen, weil ich finde, daß an hämischer Redundanz die Redundanz noch schlimmer als die Häme ist, vor allem, wenn sie gar nichts zur Hand hat, auf was sich argumentieren ließe. Außerdem nervt >>>> so eine Art versäuerten Lachens auf Dauer, vor allem, wenn ihm nichts anderes als immer nur es selbst einfällt. Zu oft schon hat man mir gesagt: „Der Herbst ist altbacken, der Herbst ist ein Arsch, der Herbst ist langweilig, der Herbst hat keine Ahnung von Literatur und spreizt sich eitel selbst.“ Sie, liebe Gegner, mögen das auch gerne glauben und Ihre Gründe dafür haben, zum Beispiel, daß mich Frauen mögen, auch junge sind, das stimmt, darunter, das muß ich Ihnen zugeben, aber auch solche, also Gründe, jenseits Ihrer testosteronalen Selbstdüpierung, sagen wir: objektive, könnten es Ihnen nötig machen, Ihre Urteile möglichst vielen Leuten zur Kenntnis zu bringen; allein, das muß ja nicht unbedingt in Der Dschungel geschehen, bzw., da ich ein weites Herz habe, ist doch >>>> für sowas eigens eine Rubrik bereitgestellt. Dann nutzen Sie sie bitte auch; da, versprochen, lösche ich n i c h t s. Oder gründen Sie Anti-Herbst-Foren im Netz; das gab es ja auch schon; die waren sogar, wie man mir hintertrug, ausgesprochen belebt: Klagen, wie aus Ruß die Wolken, stiegen aus dieser Hölle auf und wogten und quollen, daß es fürwahr die Höhe soll gewesen sein. Oder wie meine Oma gerne sagte: „Furchtbar soll‘s jewesen sein, mit Kinnerköppn ham se jekegelt!“

Und E i n f ä l l e soll es gegeben haben für ihre Lamentationes, wüsteste Dissonanzen einer anderen Musik, Haßschwüre, Verbrüder-, doch weniger, das muß man sagen, Verschwesterungen; es warn ja meistens Männer, dieweil die Frauen… nun ja, wie soll ich‘s sagen, ohne daß Ihnen wieder gleich der Schaum steigt? Besser, wirklich, ich bleib diskret, also aus Rücksicht auf mein eigen Geschlecht: Niemand kann sich so blamieren wie ein Mann. Klammer zu:).

Damit sei der erste Eintrag dieses neuen Tages beschlossen.

9.55 Uhr:
[Tippett, King Priam.]
Noch immer nicht an Argo gewesen, sondern Post weiterbearbeitet. Plötzlich stelle ich fest, daß die KSK die je angegebenen Einkommen und die tatsächlichen vergleichen will, was ich durchaus verstehen kann, aber nun mußte wieder der Finanzamtshefter vorgezogen und nach den Steuerbescheiden gefahndet werden, die sich, völlig untypisch für mich, sofort gefunden haben, nun aber kopiert werden wollten usw. Dann war Zeug auszufüllen, und weil ich schon mal dabei war, erledigte ich auch alles andere noch, netterweise auch eine Rechnungsstellung. Dann stimmte etwas auf dem Konto meines Sohnes nicht – anders als ich hat er noch eins, das ausgrechnet ich verwalte; im Gegensatz zu meinen eigenen Angelegenheiten bin ich da geradezu penibel, weil ich finde, daß die Betreuung von Mündelsicherheit etwas prinzipiell anderes ist, als wenn man für sich selbst verantwortlich ist.
Gut, dann geht es jetzt zur Post, damit ich meine Erledigungshaken setzen kann. Und dann, nun wirklich, Argo, also spätestens nach dem Mittagsschlaf, aber wahrscheinlich – hoffentlich – bereits vorher. – Tolle Musik, übrigens: dieser Tippett stimmt:

15.14 Uhr:
War aushäusig und habe alles erledigt und zur Post gebracht. Sogar ein Wunder geschah mir: Erstmals hat sich das Sammeln sogenannter „Treue“- {für mich ein derart falsches Wort} -punkte ge„lohnt“ – und ausgerechnet bei >>>> Penny! Aber bei Messern & Männern, ein ganz unbedingt zusammengehörender Komplex, sind sogar Supermärkte schwach. Jedenfalls nahm ich‘s mit heim und kann nun richtig >>>> drohen. Gleichwohl muß ich mich daran erinnern, ein Dichter zu sein, nämlich anderen Instrumenten verpflichtet, geistigeren, kultivierten, sublimierten, distanzierten, sozusagen solchen, die am Rande stehen und immer nur beobachten und lieber über was schreiben, das sie sich nicht zu leben getrauen. Jaja, so einer bin ich. Am besten, um es nicht zu vergessen, schreib ich das auf und stell‘s mir auf den Tisch, das Schilderl. Wenn ich mich daran halte, was dann draufsteht, wird man mich wieder mögen. Wahrscheinlich. Viellei… – ähm, wie hieß noch mal >>>> D‘Annunzios treffliches Buch?

8 thoughts on “Höllendampf und Frauenlust. Das Arbeitsjournal des Dienstags, dem 27. November 2012. Sowie, frühmorgens, ein paar Bemerkungen zur Dschungel als selbstreferentes System, das sich wieder einmal, hoff ich, aufbricht.

  1. Gedanken haben viele Väter Sehen Sie, als junge Frau habe ich bei „Der Herbst ist altbacken, der Herbst ist ein Arsch, der Herbst ist langweilig,” gar nicht an Sie gedacht, sondern an die Jahreszeit. Recht habe ich Ihnen gegeben, November ist ein dröger, alter Hund. Wenn ich an Sie denke, denke ich natürlich an etwas anderes. Woran, werden sich Ihre Gegner fragen.

    1. Ziel Wenn Sie lachen, freue ich mich trotzdem, liebe Löwin. Auch wenn mir meine vermeintliche Schlagfertigkeit nun nichts mehr nützt. Ich dachte, ich kann mich so gut da hinter verstecken. Nein?

    2. Löwinnen@Kühler Grund. Haben eine gute Nase. Es gibt Antilopen, die das verfluchen. Wobei, um zum Anlaß Ihres ersten Kommentares zurückzufinden, das genannte Zitat auch überhaupt nicht Ihnen unterschoben werden sollte, sondern meinen Trolls, die das rein wahnsinnig macht, daß ein Mann meines Jahrgangs noch immer einer i s t und sogar auf Bäume hinaufkommt, wenn Loreleyen oben sitzen, selbstverständlich nur, um ihnen beim Kämmen zu helfen, was sie dann, diese Loreleyen, immer ein bißchen beleidigt, weil die den (irrigen) Eindruck gewinnen, er sehe nur ihr Haar. Aber schon das macht Trolle wie >>> den Affen da fuchsig, ohne daß es zum Fuchs denn auch reichte. Nur die Tollwut fangen sie ein, da muß er nicht mal beißen..

    3. Selbstbeißung Ganz genau. Ich wollte ein bisschen mitärgern. So muss man die Anderen gar nicht beißen, sie beißen sich schon selbst ins Fleisch.
      Ich mag in meinem Beruf auch keine persönlichen Attacken, die private Abneigung (und Neid) in ihre „Sach“Kritik hineintragen. Soviel Mann bin ich auch als Frau, dass ich mich da identifiziere. Trotz meines gekämmten Haars.

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