Starkes Gefühl von gescheitert. Zum Arbeitsjournal des Donnerstags, dem 14. Februar 2013.

6.52 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Um sechs hoch, nachdem ich bis spät in die Nacht Horrorfilme ansah, um dieses Gefühl, gescheitert zu sein, zu überdecken. Die Mutlosigkeit darf sich nicht breitmachen, damit ich handlungsfähig bleibe. Dem vorausgegangen war ein langes Telefonat mit meiner Redakteurin wegen des >>>> Gerichtsvollzieher-Hörstücks. Ihre Kollegin, die zugleich ihre Chefin ist, hat das Stück gehört. Sie finde sich überhaupt nicht zurecht, wisse nie, wer das sei, der da grad spreche, die nachinszenierten Gerichtsvollzieher-Stellen funktionierten nicht, kurz: so gehe das nicht. Dies kommt auf mein eigenes, >>>> dort schon formuliertes Problem, das meine Redakteurin teilt, obendrauf; auch die Löwin hatte gesagt, ihr fehlten Geschichten. In der Tat hielten sich alle Interviewten sehr zurück, wirklich etwas von sich zu erzählen, das über, sagen wir, Befindlichkeiten hinausging; kaum jemand erzählte, wie man denn in diese Lage gekommen sei; und die Gerichtsvollzieher selbst schwiegen sich imgrunde aus, wollten jedenfalls nicht vor dem Mikrofon sprechen. Also inszenierte ich, wie bereits erzählt, schriftliche Aussagen nach, was man aber am Gefälle zwischen Sprecheraufnahme und O-Ton-Interviews merkt. Das habe ich zwar „geerdet“, also durch einzwei Zitate begründet, dennoch bleibt ein Ungenügen.
Zwei Tage vorher hatte ich meiner Redakteurin von meinen eigenen Erfahrungen und Erinnerungen erzählt; das fand sie spannend, zum Teil witzig (wenn man mal von den Katastrophen absieht, die solch Witz für meine Großmutter war). Ob ich denn nicht davon einiges in das Stück nehmen könne? Na ja, kann ich, aber dann wird das Ding „herbstlastig“, was ich unbedingt vermeiden wollte; eigentlich wollte ich selbst völlig zurücktreten hinter den anderen, am besten gar nicht vorkommen – nicht aus Scheu vor Öffentlichkeit, sondern um den anderen ihren Raum zu geben und zu lassen. Ich kann erzählen, es ist mein Beruf. Andere aber können das nicht, können es nicht so wie ich, wenngleich sie aber doch genauso Gehör finden müssen.
Ich brauche vor allem einen neuen Anfang des Hörstücks, jetzt; vielleicht kann ich einige montierte Passagen übernehmen, aber die Engmaschigkeit meiner Montage muß ich wohl auflösen. Offenbar hat, was ich mir vorgestellt habe, nicht funktioniert.

Starkes Gefühl, also, gescheitert zu sein. Dazukommt, daß ich mit der Erzählung für den >>>> Literaturquickie überhaupt nicht weiterkam, aber unter Druck stehe, weil man sie bereits im März herausbringen will, bzw. wollte. Ich habe also abgesagt, bzw. angeboten, eine ältere meiner Erzählungen zu nehmen. Obendrein bin ich unruhig wegen Argo, weil ich von meinem Lektor noch nichts gehört habe. Und mitten da hinein, ich habe eine Frist gesetzt bekommen, muß ich noch die Steuererklärung machen.
Bedrückung also, ziemlich, die sich nicht ausbreiten darf. >>>> Neapel ist schon völlig vergessen. Und den mir eigentlich wichtigen Besuch der >>>> Feen in Leipzig muß ich jetzt absagen; ich kann nicht noch zusätzlich einen Tag für eine Opernkritik aufwenden, so weh mir das auch tut; vor allem nicht dann, wenn ich anderswohin reisen und da auch übernachten muß.

Es hilft nichts als zu arbeiten. Also die Seelenärmel hochkrempeln und: los. In dem Gerichtsvollzieher-Unternehmen steckte von Anfang an der Wurm. Wahrscheinlich ist dokumentarisches Arbeiten tatsächlich nichts für mich, vor allem nicht, wenn es beauftragt ist. Ach, ich weiß es nicht. Mir fehlt das Phantastische, Neue, Erschütternde, Begeisternde. Alle Erzählungen, die ich auf Band habe, sind, letztlich, banal; es ist, als beugte man das Knie vor dem Profanen. Das macht es so uninteressant und zäh.
Arbeiten.

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