PP26, 27. Oktober 2013: Sonntag: ein Resümmee der Zukunftstage darin.


Spät aufgewacht, weil abermals zu viel getrunken gestern nacht – diesmal nach Abschluß der >>>> Literaturtage zu den Zukünften in der deutschen Gegenwartsliteratur, die spannend und ausgesprochen besucht waren. Besonders beeindruckt hat mich die sensible und kenntnisvolle Gesprächsführung >>>> Ulrike Vedders, die Jenny Erpenbeck zur Seite saß, deren Roman auf eine ganz eigene, aber frappierende Weise mit dem umgegangen ist, was ich im Gefüge des >>>> Kybernetischen Realismus „Modalitäten-Poetik“ nenne. Ihr Text ist dabei ausgesprochen weiblich, unauftrumpfend, bisweilen weniger narrativ als quasi auf eine Art rekapitulierend, die ich geneigt bin, „historisch“ zu nennen, weil sie einen fast sachlichen Ton überträgt: durchaus das Gegenteil von Georg Kleins neuem Roman – einem Text, über den ich mich, je länger ich zuhörte, um so mehr geärgert habe: derart geradezu vormodern ist das Erzählkonzept, derart sentimental-empathisch u n d emphatisch, also voll Schein-Emhase, auf manipulative Bedürfniserfüllung angelegt. Klein formulierte das auch selbst so: man dürfe die Leser:innen nicht verletzen, etwa durch Konfrontation mit, sagen wir, Grausamkeiten. Mir schien diese Bemerkung auf meinen eigenen Vortrag aus >>>> Thetis abzuzielen. Schroffer jedenfalls konnten ästhetische Glaubensdifferenzen nicht ausgedrückt werden. Daß Klein erzählen kann, ist dabei überhaupt keine Frage, er kann es sogar ganz großartig, aber schon die durchgehende Märchenonkel-Art seines Vortragsstils – ein unendlich Geschwollenes und Bedeutungshuberisches darin, das lauter kleine Kinder vor sich zu haben scheint, die auch wie kleine Kinder reagieren -, ist für mich, kurz gesagt, abstoßend, wenigstens nervend. Befreiend dagegen, die Lunge des Gedankens weitend, der Vortrag und der Text Dietmar Daths: der spricht zu Erwachsenen und verlangt, daß sie erwachsen seien, ohne doch ein ausgehorchtes und nahes Erzählen zu verweigern. Im Gegenteil, bei aller theoretischen Schärfe ist er ausgesprochen sinnlich und durchaus ebenfalls emphatisch. Hier treibt nicht nur eine extreme Hochbegabung an, sondern zugleich die Überzeugung tiefster Moralität. Dennoch hätte ich gerne über einige seiner sowohl ästhetischen wie politischen Haltungen mit ihm diskutiert; für so etwas war insgesamt leider kein Raum, bzw. der tatsächliche Raum, der Kaminraum des Literaturhauses, nicht geeignet. – Beeindruckend ferner die leise Skepsis der Texte Marion Poschmanns, indessen mir Monika Rincks Arbeiten fremdgeblieben sind. Ich spüre ihre Güte, ja ihr, vielleicht, Genie, aber sie erreichen mich nicht, bringen in mir gar nichts zum Schwingen. An einer Gedichtstelle hatte ich überdies den Eindruck, sie bezöge sich – sich höchst kritisch distanzierend – auf eine Stelle in den >>>> Bamberger Elegien, als es bei ihr um die Ablehnung einer scheinbar nur phonetisch herbeigezogenen, also Rincks Meinung nach rein behaupteten Nähe des Paares „Frettchen“ und „Bettchen“ ging, die bei mir aber semantisch begründet wird:Der Duft eines nahen Bohnerwachses ganz sicher nicht deiner Ge­schichte, aus Vorzeit und Vorhängen, gelb leuchtenden, bauschen­den in einem Wind, der dem Kind weht im Bettchen und der es nicht einschlafen läßt. Frettchen, sie jagen am Dachstuhl und jagen die Entchen, mit denen die Decke so putzig bestickt ist. Bevor eine Stim­me kommt, tröstend, bevor sie Gesicht wird und hebt dich zu sich ganz heraus.
Neunte Bamberger Elegie.

Aber das kam nicht zur Sprache, und vielleicht bilde ich es mir auch nur ein. Wie auch immer, es bleibt eine gegenseitige Fremdheit, die durchaus Ähnlichkeiten, wenn auch auf anderem Niveau, zu der zwischen Klein und mir hat. Doch ist für diese Literaturtage insgesamt, so rege sie auch besucht gewesen sind, ein wenig zu bedauern, daß die Autoren untereinander kein Forum zur Diskussion ihrer Positionen hatten; das nämlich wäre nun wirklich spannend gewesen; wir sind untereinander ja alles andre als einig.

(9.58 Uhr.)
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Vodafone hat mich gesperrt; erst fiel das Telefon aus, dann das Internet. Ohne meinen Stick wäre ich nun verloren gewesen. Ich rief sofort beim Kundenservice an, und es kam heraus, daß ich seit Juli keine Rechnung mehr bezahlt habe. Ich hatte das überhaupt nicht auf dem Schirm, weil ich zwar immer sofort bezahle, wenn die Rechnungen kommen, aber es kamen keine, wie wir jetzt feststellten: Sie alle, seit Juli, waren als unzustellbar zurückgegangen. Das ist nun allerhand, weil ich doch seit zwanzig Jahren hier lebe und auch sämtliche Namen auf dem Briefkasten stehen. Jedenfalls schoß ich sofort los, um den offenen Betrag – eine lächerliche Summe – bar einzuzahlen, und warte nun darauf, daß mein Anschluß wieder freigeschaltet wird. Bis dahin bediene ich mich des UMTS-Sticks, dessen Verbindung hier im Hinterhof aber ziemlich langsam ist. Immerhin bin ich nicht abgeschnitten.
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Neben dem Symposion, morgens, habe ich mit dem letzten Feinschliff des Neapel-Hörstücks begonnen: Nunmehr geht es um einen Baßausgleich in meiner eigenen Sprecherstimme; ich filtere aus ihrem Part per Hand jeweils Bässe heraus, damit der Vortrag etwas nüchterner wird, weniger getragen ist. Das ist eine nicht undiffizile Arbeit, mit der ich bis heute abend fertigsein will udn auch muß, um der Redakteurin eine nächste mp3 zu schicken. Wenn ich darauf das Okay bekomme, wird das Stück endgültig abgemischt und an den Sender geschickt werden; ich nehme einmal an, daß es am Mittwoch so weit sein wird – also wenn ich von der >>>> Oldenburger Argo-Lesung zurücksein werde, die übermorgen abend stattfindet, abermals mit Christoph Jürgensen, der gestern, zusammen mit >>>> Uwe Schütte, ebenfalls auf dem Symposion erschien. Alleine schon deshalb ließ sich danach einiges Trinken nicht mehr vermeiden.
Aber nun: Hieran:


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Die fehlenden DTs’e der vergangenen Tage hole ich heute abend nach.

(10.20 Uhr.)

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(17.30 Uhr.)
Das hätte ich heute gar nicht geglaubt, daß ich tatsächlich noch zum Laufen käme. Dann war ich aber mit dem Hörstück fertig, und die letzte Version lädt als mp3 grade hoch. Das tut sie allerdings seit nun schon über drei Stunden: derart langam ist die Verbindung über den Stick. Eventuell werde ich das Netz die ganze Nacht hindurch anlassen müssen. Na gut, tut ja niemandem weh.
13,5 km in 1h 17 min; etwas langsamer als sonst, was aber an einer gestern beim Kraftsport ein bißchen gezerrten Wade lag; wichtig ist ohnedies die Strecke, nicht so sehr die Geschwindigkeit.
Ich denke, ich werde lesen heute abend und möglichst gegen elf zu Bett, um morgen fürs Frühschwimmen frisch zu sein. In Facebook muß noch >>>> Oldenburg annonciert werden; im übrigen will ich, wenn ich aus dem Wasser wieder heimgekommen bin, im Typoskript mit anderem Wasser, dem Sterbewasser, beginnen: Ich freue mich drauf, die Titelseite zu schreiben, oben meinen Namen, darunter den Titel des neuen Romans und wieder darunter „Roman“. Dann erst wird das Projekt nicht mehr nur noch Idee sein. Aber ich will frisch sein dazu, und ein neuer Tag soll eben damit begonnen haben, hell zu sein.
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