Der dritte Tag vor der Großen Fahrt. PP132, 26. März 2014: Mittwoch.

(8.49 Uhr.
Strauss, Der Rosenkavalie, Solti.)

Seit gestern, eigentlich seit der Löwin letztem Berlintag dieses Monats, bin ich erneut auf den Rosenkavalier-Trip gegangen und höre mich während der Reisevorbereitungen durch die ersten Akte all meiner Aufnahmen; das sind immerhin neun. Jetzt also Solti, Georg Solti, dem Dirigentenschwarm meines frühen Erwachsenseins. Wiewohl er in Frankfurtmain war, habe ich ihn nie lebendig gehört, immer nur in Aufnahmen; es gibt Parallelitäten, die sich nie von Angesicht zu Angesicht realisieren. Ich werde darüber immer traurig sein: nie Glenn Gould erlebt zu haben, niemals Carlos Kleiber, weder Klaus Tennstedt noch eben Solti, dessen wirklich große Zeit allerdings erst mit dem CSO begann, dem Chicago Symphony Orchestra. Andere dafür h a b ich erlebt und/oder erlebe sie weiter: Daniel Barenboim etwa, Magdalena Kožena, Laura Aikin, und für wieder andere besteht noch immer die Möglichkeit, zum Beispiel Jarrett, gerade dessen Altersspiel zu meinen Innigkeiten gehört. Bezeichnend, daß diese fast ausschließlich auf Musik gehen; Autoren muß ich nicht direkt erleben, sie sind nicht Klang, sondern Text. Und den trage ich selbst besser vor; wenn es also um den Klang geht des Worts und der Sätze. Daß dem so ist, kommt genau von dieser meiner so unlösbaren Verbindung zur Musik, daß ich geneigt bin, von einer Verwandtschaft in direkter Linie zu sprechen.
„Philosophier er nicht, Herr Schatz“: die >>>> Crespin ist fast noch etwas klarer als die große Schwarzkopf. Auch sie, beide, habe ich lebend nie gehört. Das Dasein ist voller Melancholie. Aber voll Glück eben a u c h. Ich meine dieses Wort mit seinem ganzen Pathos, einem sowohl ernsten wie dem, das lächelt und in diesem Lächeln von Beginn an weise ist, selbst dann schon, wenn ein j u n g e r Mensch es lächelt. Es ist ein Wunder, dieses Glück.
Viermal den Reisepaß kopiert: für die Freunde, die eine Vollmacht haben, meine Post und dergleichen entgegenzunehmen, und für mich selbst als Sicherung. Die Vollmachten geschrieben. US-Dollars muß ich noch besorgen, um valuten„technisch“ disponieren zu können, etwa während des achtstündigen Aufenthalts in Hongkong. Vielleicht sticht mich dort ja doch der Hafer, und ich verlasse den Flughafen, um durch die Stadt zu gehen (anderthalb Stunden Fahrt hin, anderthalb zurück; da bleiben theoretisch gute drei Stunden furs Flanieren). Bissi riski wär das aber. Mal sehn. – Die Anzüge, alle helles Leinen, hängen bereits in den Suit-Cases, und eine riesige „Mitnehm“-Liste ist geschrieben. Batterien für den LS11 und den DAT-Recorder müssen noch besorgt werden. Die Cigarillos liegen, zwei 50er-Kästchen, schon auf dem Mitteltisch; Pfeifentabak muß noch hinzu, auch die, klar, Pfeifen-selbst. Außerdem die eCigarillos mit den Flüssigkeiten (vorwiegend „Desert Ship). Sämtliche nötigen Apps sind auf dem Ipättchen, ebenso die elektronischen Bücher, vorwiegend Lexika. Ein letzter Backup ist noch zu machen; der wird am Freitag laufen.
Heute abend Elternabend in der Waldorfschule meines Sohnes; ich hatte den Termin überhaupt nicht mehr auf dem Schirm. Wie gut, daß vor einer Stunde, um mich zu erinnern, लक्ष्मी angerufen hat. Also schnell eine andere Verabredung gecancelt.

Noch keine Nachricht von der Reederei; ich wollte gerne wissen, was auf dem Schiff an Getränkepreisen, Klamotten-Reinigungskosten usw. auf mich zukommen wird. Auch die genaue Anlegestelle des Schiffs weiß ich noch nicht. Aber ich hab ja einen 24-Stunden-Puffer zwischen die Flughafen-Ankunft in Australien und dem Ablegen zur See geschoben, schon, um etwaige Flugverspätungen aufzufangen. Auf das Hostel in „Freo“, wo ich in einem Vierbettzimmer übernachten werde, freu ich mich schon: Backpackers allesamt. Da werd ich die ersten Aufnahmen machen. An Luxus hab ich auf dem Schiff genug. Schön zu spüren, wie sich meine Nervosität in wirkliche Vorfreude zu drehen beginnt. (Die Formel zur Umrechnung von Fahrenheit in Celsius auswendig lernen! Derzeit hat Freo eine Tageshöchsttemperatur von 28 Grad (C.).)
Auf der tragbaren Musik-Festplatte, die mir in der Zeit der Seereise auch als Backup-Medium dienen wird, ist auch der Rosenkavalier dabei. Selbstverständlich. Und der gesamte Dallapiccola, Maderna, Bach. Hat Freo, bzw. Perth eigentlich eine Oper? Nachgucken. Hätte Witz, am 31. da hineinzugehen und im Backpacker-Hostel eine Kritik drüber zu schreiben. (Anreisen in Jeans und Lederjacke, logo!)

Ich verplaudre mich. Hier wartet manch to do. (Irre ich mich, oder reicht Soltis Rosenkavalier tatsächlich an Carlos Kleibers heran?)

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