Über die Zeit. Am vorletzten Tag vor der Großen Fahrt. PP133, 27. März 2014: Donnerstag. Darinnen: Internet & Mitnehmchaos.

(6.52 Uhr.)
Es sieht wild aus hier quer durch die Arbeitswohnung. An verschiedenen Stellen liegen die Dinge herum, teils gestapelt, die ich mitnehmen will, auch solche, von denen ich mir noch nicht sicher bin, ob ich sie überhaupt brauchen werde. Aber es kam endlich Bescheid wegen des Internets an Bord. Der WiFi-Zugang kostet 90 Australdollars pro zwölf Stunden, macht pro Stunde 7,5, das sind nach heutigem Umrechnungskurs 5,43 EUR. Rechne ich mit täglich einer Stunde, komme ich auf 217 Euro nochwas, rechne ich mit, was realistischer wäre, zwei Stunden, auf 434 Euros. Damit rückt die Möglichkeit sehr nahe, daß ich direkt von der Fahrt tatsächlich immer mal wieder erzählen kann – Voraussetzung ist freilich, daß der Netzzugang auch wirklich gut funktioniert. Das wird sich erst während der Fahrt herausstellen; zumindest jeden dritten oder vierten Tage werde ich aber berichten können. Sollte >>>> das da noch gelten, siehe auch die darauffolgenden Kommentare, dann würde das alles sehr erleichtern.
Nun, wir werden sehen. Von >>>> Jim Hawkins’ Kreuzfahrt weiß ich, daß die Verbindung selbst in europäischen Seegefilden hochproblematisch war, jedenfalls Nerven kostete, und damals war der der Zugang ein Teil meines Engagements; besonders, wenn ich Bilder hochladen wollte, brach oft die Verbindung mittendrin ab; selbstverständlich wird die verbrauchte Zeit dennoch berechnet. Wichtig, für mich, ist vor allem, daß ich auf den neuen Roman und das neue Hörstück konzentriert bleibe; es läßt sich aber denken, daß ich aus der Rolle heraus schreibe, also als Gregor Lanmeister, der zwar nicht die spätere Handlung erzählt, aber eben das, was auch ich, tatsächlich, sehen und riechen und spüren werde: konzentriert auf die Wahrnehmungen also, die wir ja teilen werden. Oder ich spalte mich nochmals: in ihn, in den Regisseur des Hörstücks und in mich; in diesem Falle ähnelten die Einträge den bisherigen PPs, wobei ich mir auch dann vorbehielte, Realität und Erfindung zu mischen. Das tun wir alle aber sowieso täglich: Wir interpretieren, was wir erleben, interpretieren es sogar nicht selten „voraus“, so daß auch eintritt, was wir erwartet haben, oder doch eintreten könnte, bzw. davon gefärbt ist.
Die ersten zwölf Stunden, übrigens, gibt mir der Veranstalter unentgeltlich; das ist genügend Zeit, um auszuprobieren. Ich werde auch >>>> Faustkultur fragen; vielleicht möchte man dort meine jeweiligen Beiträge übernehmen. Wenn denn alles reibungslos klappt. Jedenfalls, liebe Leserin, werde ich, lieber Leser, nicht völlig schweigen, wenn ich unterwegs bin. Übermorgen früh, um sieben, geht‘s los.
Es ist jetzt, in Fremantle („Freo“), meinem Abfahrthafen, halb drei Uhr nachmittags; das erste Mal von der Reise, ganz sicher, werden Sie deshalb spät am 31. hören, das ist der kommende Montag. Am 30. spätnachts komme ich an; nach 32 Stunden Flug werde ich sicher nicht gleich schreiben, sondern erst einmal schlafen. Angenommen, ich melde mich nach dann meiner Zeit um neun Uhr morgens, wird es bei Ihnen vier Uhr nachmittags sein. Besser also, ich schreibe abends, und Sie finden den Text dann morgens gleich zum Kaffee.
Witzigerweise wird sich der Zeitunterschied auf meiner Seereise zunehmend verkürzen, meine Stunden werden also immer weniger Zeit haben, die Stunden selbst kürzer werden, eine Minute ist nicht mehr eine Minute, sondern eine jede staucht sich – ein Umstand, von dem ich gerade denke, daß ich ihn zu einer Grundstimmung des Romans machen sollte, oder vielleicht wird der Roman eben daraus seine Stimmung beziehen, von sich aus, ohne daß ich etwas dazutun muß: Sie wird sich ergeben. Was mir wiederum dem Thema sehr angemessen zu sein scheint.
Aber bei allem weiß ich selbstverständlich nicht, was die Realität für mich dort bereithält: Solch ein Schiff auf solch ununterbrochener Fahrt ist auch ein Sozialsystem, eine, stell ich mir vor, Gesellschaft für sich, wie herausgehoben aus der übrigen Welt.
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Habe gestern noch Dollars besorgt, damit ich für die eine und/oder andere Exkursion valutenflüssig bin und auch die acht Stunden Aufenthalt am Flughafen Hongkong füllen kann (immer noch denke ich: wenigstens mal in die Stadt fahren; es wird mich wahnsinnig jucken; andererseits könnte ich dort bereits zu schreiben beginnen, vorausgesetzt, ich finde einen ruhigen Ort, wo es vielleicht auch einen Stromanschluß gibt – unbedingt an die Stecker-Netzadapter denken!.. Moment, notier ich gleich auf der Liste… -).
Ich reise mit drei Währungen. Das neue Notizbuch, mir abermals von der Löwin geschenkt, wird morgen früh eingeweiht werden, der Finger streicht über die Vergoldung der Blattstöße.
Zahlen.
Soundsoviel AUDs, soundsoviel US-Dollars, soundsoviel Euros. Drei Spalten, je für die Tagesrechnung eine.
Umrechnungsformeln, Fahrenheit in Celsius etwa.
Kurse (Rupien in Mauritius, Rand in Südafrika).
Die Zeitzonen. Eine Reise nach Westen ist eine Reise in den Abend; das entspricht der Erfahrung unserer Lebensalter, daß die Zeit immer schneller vergeht: in dieser Paradoxie scheint sich ein Lebensgesetz zu verbergen, sagen wir: ein Lebensmodus. Auch das entspricht meiner Traumschiff-Idee.
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Um Internetzeit „zu sparen“, werde ich jeden Beitrag sehr sehr genau vorformatieren müssen; im Netz-selbst zu korrigieren, triebe die Kosten zu hoch.
Lassen Sie mich einfach probieren.
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Alban Nikolai Herbst


IN DEN ABEND
oder
LANMEISTERS LEBENS MEERESFAHRT
(Traumschiff)

Roman

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6 thoughts on “Über die Zeit. Am vorletzten Tag vor der Großen Fahrt. PP133, 27. März 2014: Donnerstag. Darinnen: Internet & Mitnehmchaos.

  1. Formatieren können Sie Ihre Beiträge in aller Ruhe. Dazu speichern Sie, beispielsweise, den heutigen PP-Eintrag lokal auf Ihrem Laptop. Bearbeiten können Sie den gespeicherten Beitrag dann offline mit einem gewöhnlichen Texteditor (nicht mit einem Textverarbeitungsprogramm!). Der Beitragstext findet sich im Abschnitt “!– Story Content –“. Die Änderungen überprüfen Sie sogleich, indem Sie die HTML-Datei mit dem Browser öffnen. Jedenfalls mit Firefox sehen Sie auch offline das komplette Layout, wie es im Netz sichtbar ist. Das habe ich bereits versuchsweise verifiziert. Alles Gute!

    1. @schlavmayr. Danke sehr. Ich habe Ihre Einführung sofort kopiert und getrennt abgespeichert. Zum Ausprobieren werde ich aber erst an Bord kommen, weil hier noch, wie oben schon geschrieben, ein ziemliches Reisevorbereitungschaos herrscht. In Freo werde ich über das kostenlose WiFi >>>> des Sundancers schreiben und einstellen können und das ganz sicher tun. Ob vielleicht auch in Hongkong bereits, wird sich dort am Flughafen zeigen.

  2. In dem ‘Sozialsytem’ … … Kreuzfahrtschiff gibt es sehr viele mittelalte Damen, die über eine Menge Geld verfügen. Wenn Sie also von dieser Reise zurückkehren, ohne ihr chronisches Finanzproblem für alle Zeiten gelöst zu haben, dann haben Sie etwas FALSCH gemacht. Also ran an den Speck! Sagt PHG

    1. Lieber PHG, ich bin dort, um zu arbeiten; Vergnügungen mögen meine Fahrt allenfalls begleiten – soweit nicht die Arbeit selbst das Vergnügen ist. Außerdem ist gerade bei dieser Reise höchst ungewiß, wer sie unternehmen wird; entweder ist die An- oder die Abreise hart. Insofern wird ein Unterschied zu der seinerzeitigen Kreuzfahrt bestehen. Aber das macht es ganz besonders spannend.
      Auch neigte ich noch nie dazu zu schmarotzen und mag das auch nicht ändern. Für einen Belami ist mein Bauplan ungenügend.

    2. Bauplan Jetzt musste ich doch wirklich sehr lachen! Und dass Sie auf diesem Umweg mal zugegeben haben, ungenügend gebaut zu sein, das hätte ich niemals erwartet.

      Ich wünsche Ihnen eine ertragreiche (literarisch) Reise.

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