Krise, ff. (Untriest 22).

[Arbeitswohnung,
8.35 Uhr.]

So muß man es nennen, Krise. Diese Sechzig setzt mir stärker zu, als ich jemals geglaubt hätte. Das Grundgefühl ist, auch „rein“ persönlich, vor geschlossenen Türen zu stehen, vor sich schließenden Lebenstüren.
Versuche eines Vorschautextes für das Traumschiff, immer wieder angesetzt. Unfrei.
Sich in das Kreuzfahrt-Hörstück einbohren, lustlos, wie etwas Quälendes, das erledigt werden aber m u ß. Ich will es bis morgen abend vom Tisch haben. Komplett fehlende Inspiration, was meine Arbeit ohne Atem sein läßt. Der Morgen begann mit einem Brief an den Freund, den ich vernachlässigt habe, weil ich nicht sprechen kann.
Sperrige Ambivalenz wegen des kleinen Geburtstagsgrußes, den die FAZ >>>> am Sonnabend veröffentlicht hat. Serviertes Zuckerbrot mit Peitsche. „Großmaul und Genie“ hat die Redaktion Oliver Jungens, so nennt Ralf Schnell ihn, aufgeräumten Artikel geuntertitelt. Einige Freunde sagen „toller Text“, andere finden ihn unseriös und spöttisch diffamierend. Ich stelle einen >>>> Scan als Kommentar hier drunter. Wenn die Leute auch nur die Ahnung davon hätten, wie zugenäht die Lippen dieses „Großmaul“s sind!
Geldsorgen wieder. Man sieht den Eisberg, den man rammt, sich schon nähern, aber das Schiff kann die Fahrt nicht mehr anhalten, zumal man bremsen gar nicht will: unmöglich, die Resignation niederzuhalten. Doch ich tu‘s, indem ich stur weitermache. Bisweilen aber bricht sie auf, oft morgens gleich nach dem Aufstehen. Dann brauch ich ein paar Stunden heraus.
Der Sport hilft, wenngleich ich mich frage, für was.

(Ich hatte keine Lust auf Die Dschungel, schon seit Sonnabend nicht mehr, ließe sie gern veröden. Aber dann, eben, riß ich mich zusammen: Sie gehört zum Werk, nimm sie, auch gegen Deine Stimmung, ernst!)

10 thoughts on “Krise, ff. (Untriest 22).

    1. Sicher … … diese “Würdigung” strotzt natürlich von kleinen Fiesigkeiten, aber um sich die verkneifen zu können, hätte der Autor dieser Zeilen größer sein müssen, als er ist. Sehen Sie es ihm also nach. Und andererseits wird dieser Artikel Ihrem Mythos nicht schaden, er fördert ihn eher – worauf sonst käme es an.

      Gestatten Sie mir zudem die persönliche Anmerkung, dass Sie auf vergleichsweise hohem Niveau klagen. Wenn ich daran denke, wer alles meinen 60sten (und auch meinen 65sten!) NICHT bemerkt hat, geschweige denn erwähnenswert fand, dann …

      Allora, Bernhard wusste schon, dass alles lächerlich ist, wenn man an den Tod denkt. Und ich notiere mir auf jeder Schreibtischunterlage die Zahl 13,7. Das ist nach gegenwärtigem Stand der Erkenntnis das Alter des Universums in Milliarden Jahren. Sehr hilfreich, das kann ich versichern.

      Grüße, beste + nachträglichen Glückwunsch, von Herzen
      PHG – diesmal mit Anmeldung

    2. Ich erkenne in dem Artikel Jungens keine eigentlichen Fiesheiten, eher fast eine Publikumsbeschimpfung und eine der Kritikerzunft, die beide nicht (oder kaum mal) fähig sind, sich von dem von den Großverlagen und Konzernen Vorgegebenen zu emanzipieren und sich mal selbst auf den Weg zu machen ins Dschungelige.

    3. Keine Fiesheiten? Ich rechne dazu allein schon die Tatsache, dass er in einem so knappen Artikel anscheinend unbedingt auf die bekannten Topoi hat hinweisen müssen, von Ribbentrop über das Verbot von Meere bis zum Wandern des Werkes zu den armen kleinen Verlagen. Sowas ist ja Absicht. Hätte er das nicht so gewollt, dann wäre es ja einfach gewesen, etwas Inhaltliches zu den Romanen zu sagen und den Lesern zu empfehlen, ein Werk zu entdecken, das sich zu lesen lohnt. Stattdessen empfiehlt er eigentlich gar nichts und verwurstet sogar noch den Titel der Anderswelt-Trilogie für seine spöttische Artikelüberschrift.

      Glaube eigentlich nicht, dass ich das falsch sehe.

    4. Überschriften werden ja oft nicht vom Autor entschieden, aber auch abgesehen davon ist der Ton vielleicht leicht süffisant, ja gut, aber der Jungen ist Journalist und der Artikel erscheint in einer Tageszeitung, da sollte man auch nicht zu viel erwarten. Allerdings: wenn er auf das in ‘Meere’ ja durchaus wichtige Thema der “Erbschuld” hinweist, dann muß er auch sagen, warum das dem Autor so wichtig ist, ergo das eben nicht eine der leider von bestimmter Seite üblichen billigen Beschimpfungen, sondern eben romaninhaltlich bedingt ist. Daß der Roman nicht der Behandlung dieser Frage wegen verboten hat werden können, ist allerdings wohl klar und so dieser Hinweis Jungens überflüssig. Ansonsten weist er immerhin auf die Sprachkraft und Melodie hin, die er an diesem Orte hier in den Posts ANHs entdeckt. Klar, insgesamt wird Jungen ANH und seinem immensen Werk nicht gerecht, ein paar Leser aber neugierig gemacht haben wird er vielleicht, eher jedenfalls als mit zu einem Artikel zusammengeschusterten Klappentexten.

    5. @PHG zur Headline. Wegen der Headline muß man Oliver Jungen entschieden in Schutz nehmen; Headlines werden von den Redaktionen, nicht von den journalistischen Autoren gemacht; bisweilen werden deren Interessen damit sogar unterlaufen. Überdies wissen wir nicht, inwieweit und wie der Artikel gekürzt worden ist; gerade in d e r Hinsicht habe ich schon “ganze” >>>> Emser Depeschen erlebt.
      Was das hohe Niveau anbelangt, auf dem ich klagte, so ist es seinerseits sehr relativ; ob es für hoch, mittel oder niedrig angesehen wird, hängt von der Pespektive ab. Interessant ist andererseits aber tatsächlich, d a ß etwas erschien, und interessant sind – soweit sie mir bekannt wurden – die Wertungen der Leser; generell finden junge Leute den Text toll (auch ich allerdings hatte mich erst sehr gefreut, bis jedoch die ersten Buhs laut wurden), ältere, wenn sie auf deutliche Seriosität wert legen, weniger. Nun ist allerdings, von einem bürgerlichen Standpunkt aus betrachtet, Seriosität wirklich nicht unbedingt meine Stärke. Andererseits gesteht zum Beispiel das Großbürgertum einem Künstler diesen Mangel sehr frei zu, anders als der Mittelstand.

      Ganz nebenbei bemerkt ist “Großmaul und Genie” exakt die Formulierung, die zeitlebens Dalí zugeschrieben wurde. Freilich kann davon, daß man das allgemein weiß, längst nicht mehr die Rede sein. Es gibt auch noch ein paar andere, heute längst große Namen, die zu Lebzeiten so attributiert wurden. Deshalb ärgert mich in der Tat am meisten der – wie der Cellofreund >>>> zurecht moniert – falsche, doch immer wieder erneute Ribbentrop-Hinweis, sowie eine gewisse Denunziation des Intellektuellen “an sich”. Desbezüglich ist Jan Grossarths in derselben Ausgabe dieser Zeitung erschienene Aufsatz “Der arme Intellektuelle” ausgesprochen hübsch.

      Doch unterm Strich ist es wohl wahr: Der Artikel beschäftigt sich zwar nicht wirklich mit dem Werk, aber tut einiges für die (Pop-)Aura des Autors. In einer stark auf “Personality” setzenden Zeit ist das nicht zu unterschätzen.

  1. Großneffe Großneffe stimmt ja wohl nicht. Das war doch eine ganz andere Linie, nicht wahr? Bevor man so etwas schreibt, sollte man richtig recherchieren.
    Nur nicht verzagen wegen der 60. Meine Tante ist 98 und noch topfit. So alt kann der Mensch werden und gut leben. Sonst würden Sie ja noch 38 Jahre lang verzagt sein- wie schade um Ihre geistige Kraft. Also weiter sporteln. Und das tun, was Sie können, was Ihnen Freude macht und worin Sie gut sind.

  2. Man wird nicht jeden Tag sechzig, Glückwunsch nachträglich auch von mir… Der Artikel in der FAZ ist -bei aller Kritik- ein Beweis dafür, dass man um Sie nicht herum kommt.

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