Ein Mehlschrank und der fehlgereiste Koffer. Untriest 32: Montag, der 23. Februar 2015.

Arbeitswohnung, 9.30 Uhr.
Tschaikowski IV mit Karajan (1973) in der >>>> DCH.

Langsam, Liebste, kommt mein Geruchssinn zurück; die Nase läuft nicht länger, und husten tu ich quasi gar nicht mehr. Dennoch werde ich, eine Selbstdiziplinierungsmaßnahme, mit der Wiederaufnahme des Sports auf jeden Fall bis zum Mittwoch noch warten. Bis dahin werden die nun fertig überarbeiteten ersten neun >>>> Triestbriefe an >>>> meine Impresaria hinausgeschickt sein, die sich um die Verlagssuche kümmern möchte; ebenso an die Löwin; aber auch Dir zeigte ich sie sogar besonders gerne, damit Du lesen kannst, welche Metamorphosen solch ein Text bereits in einer so frühen Phase durchläuft. Doch bin ich mir gewiß, daß Dich grad andres beschäftigt, das vorgeht.
Jedenfalls habe ich Dir am Wochenende nicht geschrieben, weil ich wirklich tief in diese Arbeit eingetaucht war und sie, bevor von meiner Lektorin die nächste Traumschifftranche eintrifft, zuendebringen wollte. Das ist mir trotz des matschigen Kopfes auch gelungen – wobei ich einmal, es war ein Spontanentschluß, unterbrochen habe, um mir endlich den nötigen Mehl- (und Öl-)Schrank herzurichten:


Dazu war anderweitig Platz in der Küche zu schaffen und ziemlich viel seit Jahren unnötig verwahrter Müll zu entsorgen. Parallel setzte ich die Biga für Amélies Geburtstags-Ciabatta an, das morgen abend gebacken sein soll. Und weil ich schon mal dabeiwar, brachte ich auch allerlei Küchengerätschaften griffbereit an der Wand an – als eine, läßt sich sagen, kulinare russische Hängung.
Aber nicht nur deshalb schrieb ich Dir in Der Dschungel nicht, sondern es geschieht gerade derart viel, daß ich die neue Entwicklung nicht gefährden möchte; ich weiß ja nicht, wer in Der Dschungel alles mitliest, bzw. bin mir bewußt, daß es nicht nur Freunde meiner Arbeit sind. Da ist es sinnvoll, nicht alles zu erzählen. Momentan steht für mich zuviel auf dem Spiel, als daß ich riskieren dürfte, daß mir hinter den Kulissen dazwischengefunkt wird. Meine sonstige Offenheit hat ihre Schattenseiten; entsprechend schrieb ich meiner Lektorin, jetzt gelte es, strategisch zu sein, auch wenn das meinem Naturell eigentlich fremd ist.

Mein Sohn ist aus Paris zurück. Die Zwillingskindlein und ich holten ihn in Tegel ab. Doch sein Koffer kam nicht mit. Wir blieben völlig ruhig, ich sowieso, weil ich dachte: Prima, auf seinem ersten alleinigen Flug bekommt er gleich mal mit, was so passieren kann. Ich ließ ihn auch die Formalitäten bei der Gepäcksuchestelle selbständig erledigen:


Gut war freilich, daß wir meine iPhone-Nummer angaben; heute morgen um acht rief man mich an, und tatsächlich wurde das Gepäckstück soeben zugestellt. Ich hätte freilich gern gewußt, wohin es zwischenzeitlich gereist war; vielleicht rufe ich bei der Air France an und frage nach. Wär ja nett, wenn der Koffer zum Beispiel einen Ausflug nach, sagen wir, Neapel unternommen haben sollte. Schon gestern spätabends erreichte mich die SMS, er sei „currently beeing transported to your arrival airport TXL“. Schade nur um die beiden in ihm mitgeführten Baguettes du tradition; die werden wir nun mit Wasser bestreichen und aufbacken müssen.
(Karajan hält wieder dauernd die Augen geschlossen).
Jedenfalls Suppe dann bei der Mama, erste Erzählungen, paar Bilder. Ich werde nachher noch einen Dankesbrief an die Gastfamilie schreiben. Schließlich abends wieder hiergewesen und bis etwa 21 Uhr die Triestbrief-Marge fertiggestellt.

Es ist nach wie vor kalt, Liebste, ich heize weiterhin nicht, will einfach, daß der Körper den Infekt ohne künstliche Zufuhren abschüttelt; mir tut die Kälte im Zimmer sowieso seelisch ganz gut, zumal derzeit keine erotischen Geschehen zu erwarten sind. Klar, ich könnte das leicht ändern, ein Anruf genügte. Aber ich will nicht. Dennoch spiele ich mit dem Gedanken, doch wieder zu heizen, aber eben erst dann, wenn diese blöde Erkältung restlos abgeschüttelt sein wird. Immerhin soll es noch zweidrei Wochen lang bei Außentemperaturen um 0º bleiben, allenfalls etwas darüber, und bei mir steht ja dauernd das Oberlicht offen. Aber gut, mein Herz, mal sehen.

Was die Arbeit anlangt, wird das heute kein sehr definierter Tag sein, jedenfalls nicht mehr, wenn die neun Triestbriefe hinausgegangen sind. Statt dessen Warterei: zum einen auf die endliche Nachricht meiner Redakteuerin wegen des Hörstücks, zum anderen auf die zweite Tranche des Traumschiff-Lektorats. Zur Überbrückung werde ich mir wahrscheinlich die nächste >>>> Chamber Music ansehen. Und Geld muß ich auftreiben. Der nächste Erste naht. Ach, hätt doch auch ich eine >>>> Надежда фон Мекк!

Hab einen guten Tag,
A.

2 thoughts on “Ein Mehlschrank und der fehlgereiste Koffer. Untriest 32: Montag, der 23. Februar 2015.

  1. Heinrich Schirmbeck. Heute vor einhundert Jahren wurde der Schriftsteller >>>> Heinrich Schirmbeck geboren, namentlich dessen Novellen mich als jungen Mann sehr beeinflußt haben. Bis heute gehört “Die Pirouette des Elektrons” zu meinen Schlüsselerzählungen. Auch wenn ich später andere Wege ging, bleibt sie Wegmarke für mich.
    Schirmbecks Literatur gehört zu einem der Seitenstränge zeitgenössischer Poetik, die durch intentiöses Taktieren vergessen gemacht worden sind oder vergessen gemacht werden sollten. Aber die großen Bücher werden dennoch von, um mit Arno Schmidt zu sprechen, einzelnen Händen in einzelne Hände immer weitergegeben. Darauf ist Verlaß.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .