Casser les codes. Das Arbeitsjounal für Sonnabend, den 23. Mai 2015.


[Arbeitswohnung
8.31 Uhr]

Neuerlicher Richtungswechsel. Wer mitdachte, mit empfand, ahnt es schon seit >>>> gestern; ein Dummprogramm schrieb etwas drunter.
Obligat ist, mich neu zu konfigurieren, bzw. umzukonfigurieren: Keine weiteren Briefe mehr, sondern ich kehre in die alte Form des Arbeitsjournales zurück. Mag zwar sein, daß sich immer mal wieder doch noch ein Du finden wird, doch versprech ich zum Ausgleich auch Sies, mit denen Die Dschungel einst antrat. Generell notier ich für m i c h – was ich notieren darf. Das also ist tatsächlich neu, daß ich ein bißchen vorsichtiger sein werde, aus Klugheit, nicht weil ich die Spielchen mitspielen werde. Ich habe schlichtweg gefragt, vorgestern, meinen Verlag, ob ich einen Text, an dem ich lange gefeilt habe, veröffentlichen solle. Du hast recht, kam zurück, aber laß es momentan bleiben. So verschloß ich die Lippen mit Kreide; nun ist, wohin ich küßte, wie Leere weiße Fläche. Daraus ergab sich das Weitere. Der Faun wird zum Otter erneut.
Sie gefällt mir, die Fläche. So rein schaut sie aus.
Zum Schweigegebot gehört noch ein andres. Ein großer – berühmter – Verlag hat geholfen oder wird mir helfen; wir unterzeichnen Anfang Juni. Nein, kein Lektorat, sondern etwas anderes, ganz anderes, das mir jetzt schon, im Vorhinein, diebische Freude bereitet. Sie speist sich aus einem, quasi, Erweckungs-, ja Auferstehungsgeschehen. Die Leute, später einmal, wenn der Coup aufgedeckt werden wird, werden sich biegen vor Lachen. Ich hab auch Eulenspiegelseiten. – Jedenfalls sind damit die Sommermonate finanziert, und ab September beginnen die >>>> Traumschiff-Lesungen; dann kommt eh Geld herein. Aus dem Coup, überdies, könnten sich weitere Coups ergeben; kann sogar sein, daß Ortnit Karlsson seine Kinderbücher fortsetzen wird.
Zwei weitere Projekte haben wir, Broßmann und ich, weitergedacht. Die muß ich nun vordringlich vorantreiben; beide sollten sich bereits am 11. August, wenn das Traumschiff offiziell erschienen sein wird, realisiert haben. Geht es über den Berg nicht hinweg, muß man Tunnel graben und unter ihm durch; das Spielbein zu wechseln, genügt nicht.
Es war ein harter Tag, dieses Vorgestern, derart angefüllt mit überbrachten Hiobereien, daß nun endlich mein Kampfgeist geweckt war – so grob wurde er gerüttelt und geschüttelt, daß an sein Weiterschlafen nicht länger mehr zu denken war. Nun sieht die linke Seite meines Schreibtischs s o aus:


Ich handelte.
Gestern eröffneten sich dann noch weitere Möglichkeiten, dank eines Kontaktes, den mir >>>> meine Impresaria geknüpft hat, und obwohl es nach diesem Vorgestern sehr danach aussah, daß mein Kreuzfahrt-Hörstück, das >>>> am 6. Juni urausgestrahlt werden wird, meine letzte Funkarbeit überhaupt sein würde. Jetzt saßen wir zu dritt auf dem Balkon, tranken doppelte Espressi und plauderten; heute muß und will ich CD-Kopien fertigen; der Herr W. will erst hören, bevor er empfiehlt. Ich hielte es nicht anders. Denn Empfehlungen sind heikel, wenn das Niveau enttäuscht; drum darf man nicht „aus Feundschaft“ empfehlen, sondern, die Freundschaft nun her oder hin, nur bei sachlicher Überzeugtheit.
Kriegt man eine, kriegt man alle: Das gilt als Richtwert auch im Beruf.
Daß meine Pavoni kaputtging, am Tag vor vorgestern, war ein Katastrophensymbol. Jetzt nehme ich meinen Morgenkaffee als Café au lait in der Bol:


Dies ist meine Reaktion, anstelle mich darüber zu zerknirschen, daß ich momentan die Reparatur nicht bezahlen kann. Es hat mit meiner Zerknirschung insgesamt Schluß zu sein. Zuviel soll angegangen werden, um sie noch weiter zu, nun ja, kultivieren. Was war, für den Triestroman, genügt: Blut ist genug aus der Seele geflossen; das vergißt sich selbst dann nicht mehr, wenn Profession gefragt ist, die sich aus ihm freilich ernährt. Im übrigen darf wieder gesündigt werden.
Deshalb notieren Sie sich d a s: Die Berliner und insgesamt Premiere des Traumschiffs wird am 8. September 2015 im >>>> Literarischen Colloquium stattfinden, am Wannsee, und zwar nicht im Vortragssaal oben, sondern draußen – tatsächlich direkt am See. Sofern es nicht regnet, selbstverständlich. Einen besseren ersten Ort gibt es für dieses Buch nicht, jedenfalls keinen, der nicht am Meer liegt.

Ich werd mich jetzt rasieren. Nachmittags ein Geburtstagsfest in einem Garten; ich bringe ein Ciabatta mit, das gleich in den Backofen kommt. Anfang August für eine Woche nach Paris, von dort aus direkt nach Rom und, wenn er mich dahaben mag, zu >>>> parallalie, wo ich gerne abermals schriebe, die Triestbriefe nämlich zuende. Nach Triest dann erst, wenn der Rohling „steht“; vielleicht im September zwischen den Lesungen; sollte es sich allerdings finanziell ausgehen, würde ich schon im Juli für ein paar Tage dort hin; ich bräuchte da aber ein Auto, um die Grenze abzufahren und das Grenzhäuschen zu suchen, und Mietwagen sind teuer in Italien. Also wohl eher doch September. Ich gebe Ihnen bescheid.

ANH

Casser les codes: „Luft von anderen Planeten“. Gestern war >>>> Robert HP Platz hier. Er möchte für sein Viertes Steichquartett, wie Arnold Schönberg für sein Zweites Georges Entrückung, ein Gedicht von mir vertonen, das er mich zu schreiben bat. Die Sehnsucht wird mir bleiben, doch ich verteile nun die Räume, und ein Gefühl durchweht sie als Wind, der winzige Pollen mitträgt, doch Massen davon – von Blüten gezupfte, die frei gedeihen.

>>>> Dann seh ich wie sich duftige nebel lüpfen
In einer sonnerfüllten klaren freie

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