Handwerk und Mythologie der Sinne. Das Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 15. Juli 2015.


[Arbeitswohnung, 7.52 Uhr
BWV 565, die berühmte d-moll, für Orgel]

Die Zusammenstellung der Fleißarbeit gestern abgeschlossen; drei Bücher „nach“bestellt, zwei sind direkt von S. Fischer aus in die Post gegangen. Dennoch werde ich heute schon in den Kopierladen gehen und für die „erste endgültige“ Zusammenstellung aus den Büchern kopieren. Hier, Ladies, alles im Koffer:


Die Seiten auf dem großen Mitteltisch ausbreiten, je für eine Jahreszeit, dann zuordnen. Für die da noch nicht kopierten Seiten mit Platzhaltern arbeiten. Dann provisorisch paginieren und schon mal die Nachweise tippen.
Lebende Dichter:innen, was ich vorhatte, darf ich leider nicht mit aufnehmen. Ich habe aber einen Trick gefunden, sie dennoch „unterzuschummeln“, indem sie die Motti für die vier Kapitel liefern; ob man mir das durchgehen lassen wird, werde ich sehen. Es gibt der Anthologie aber einen auch modernen Reiz. In jedem Fall gewinne ich der Tätigkeit des Herausgebers (der Herausgeberin; das Buch wird unter dem Namen einer meiner mir liebsten Romanheldinnen erscheinen) eine ganz unvermutete Freude ab: gleichsam Texte miteinander sprechen lassen, indem ich über manchmal nicht selten ein Jahrhundert hinweg Ähnlichkeiten zeige, bisweilen Antworten auf Fragen, oder poetische Widerreden.
Am Freitag, spätestens Montag, werde ich den Band hinausschicken können und mich sofort auf die Steuererklärung… nun ja, ‚stürzen‘. Für die bestellten fünfsechs Gedichte aus den >>>> Brüsten der Béart habe ich einen Aufschub bis zum 10. August erwirkt; ich wollte mich in Paris ohnedies auf wieder Lyrik konzentrieren, bevor ich in Italien dann die >>>> Briefe nach Triest neu aufnehmen werde; zumindest deren Rohling will ich dort fertigzubekommen.

Am frühen Nachmittag Treffen, >>>> traumschiffshalber, mit >>>> Dana Buchzik, auf deren >>>> Seiten Mandelbaums ich bei dieser Gelegenheit gern noch einmal hinweisen möchte, auch wenn sie dort seit einem Vierteljahr nichts mehr veröffentlicht hat. Gerade ich weiß ziemlich gut, wie zeitaufwendig die Pflege einer literarischen Netzpräsenz ist; da Mandelbaum das sogenannte Private vermeidet, ist sie, die Pflege, überdies kompliziert, weil eben nicht auch das Tagesgeschehen, oder doch nur indirekt, den Stoff mit an die Hand gibt.

Und klassisch schön das, diesmal nach una ricetta italiana, gestern nachmittag aus dem Ofen genommene pane con lievito madre:


Der Ratschlag, um in der Krume sehr große Poren entstehen zu lassen, bewährt sich: mit eiskaltem Wasser arbeiten und den Teigling lange, sehr lange nur im Kühlschrank gehen lassen, mindestens vierrundzwanzig Stunden; nach diesem meinem ersten Versuch gedenke ich, die „lievitazione“ auf sogar achtundvierzig Stunden zu verlängern. Dieses Brot hier ist ohne industrielle Hefe bereitet, auch ohne Sauerteig, sondern ausschließlich mit meinem eigenen LM und eignem Hefewasser, in diesem Fall aus Äpfeln. Rosinen-Hefewasser treibt übrigens noch mehr, meiner jetzigen Erfahrung nach.

Beim Kneten des Teiglings Gedichte entwerfen, im Kopf. Fällt mir grad ein. Welch eine Utopie des Einverstandenseins dies wäre.
Die Künste. Und der Hände Innigkeit. Andererseits hab ich meinem Sohn gestern die Friseurszene aus >>>> Aragons Le Payson de Paris vorgelesen, seine Levitation des Blonds: Ich habe ein ganzes Jahr lang Farnhaar geknabbert. Ich bin Harzhaar, Topashaar, Hysteriehaar begegnet. Blond wie die Hysterie, blond wie der Himmel, blond wie die Müdigkeit, blond wie der Kuß. (…) Das Blond gleicht dem Gestammel der Wollust, den Freibeutereien der Lippen, dem Erschauern klarer Gewässer. Das Blond entzieht sich dem, der es definieren will, entwischt ihm auf einer Art von Schlangenpfad, auf dem ich Blumen und Muscheln finde. Ein Abglanz von Frau liegt auf den Steinen, die Luft gemahnt sonderbar an Liebkosungen, das Scheitern der Vernunft weht mich an.

Nicht vergessen, solch eine Beischwebung dem d u n k l e n Haar zu schreiben, wunderbar für den Béart-Zyklus. Danke, Louis Aragon. Und überhaupt – – – wohin, ohne Sie, hätte mein Weg, Monsieur, mich geführt?

[BWV 570]

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