Wiederbegegnung mit Arndt. Im Arbeitsjournal des Donnerstags und Freitags, dem 17. und 18. Dezember 2015. Darinnen Harry Oberländer dreizehn Brüste der Béart enthüllt, außerdem.


[Roter Tisch, 7.09 Uhr
Frankfurtmain]

Wie ein Wiedersehen war’s, als ich Do wiedersah, gestern, aber nicht so sehr mit ihr, sondern mit Arndt, der mich seit den Zeiten der Dschungelblätter, also den späten Achtzigern, noch über >>>> Thetis hinaus begleitet hat, lange, immer wieder sich meldend, aus Sizilien, aus Spanien: zum, wie ich mehrfach geschildert habe, Ökoterroristen geworden; er selbst sah sich freilich anders.
Lange nichts mehr gehört, dachte ich, als ich wieder saß, wo er gesessen damals, wo wir unsere ersten Gespräche führten am Eckplatz des damaligen Cafe Rendezvous, das heute, unter anderer, sehr viel jüngerer Bewirtschaft >>>> Café Maingold heißt. Doch nichts, oder nur weniges, hat sich verändert, meiner Erinnerung nach:



„Aber die Klientel ist eine andere heute“, bemerkte nicht ohne Abfälligkeit die junge plietsche Bedienung, nachdem ich sie angesprochen hatte, ich hätte, bemerkend, ein Buch geschrieben, das hier seinen Anfang genommen:


>>>> Bestellen
(Man bekommt es derzeit nur noch
antiquarisch, aber bekommt es.)


Die wahrscheinlich kältesten Texte, die ich je schrieb und nach >>>> Benns Gehirnen „Novellen“ genannt habe. Danach fusionierte Arndt mit Karl May, besuchte mich sogar einmal in Berlin, um >>>> – eben über Benn – ein Gespräch mit mir zu führen:


Ein langes Nachwort, das zu diesen Novellen als, eigentlich, „Erzählung“ hinzugefügt ist, erklärt die Metamorphose des derart Zweifelnden, daß ihm der Körper ausfällt, in den Aktionisten, der seinen Körper wieder hat.
All dies stieg gestern in mir auf.
Geschichte. Sie brachte mich damals zu Rowohlt, 1998.
Derweil stemmte die Löwin, aus Wien hergereist, mit einem Iltis Eisen.
Wir sprachen aber nicht, Do und ich, von den vergangenen Zeiten. Dabei wohnten wir damals nur wenige Straßen entfernt, und in dem Uhrentürmchen, nur hundert Schritte entfernt, entstand eines meiner Märchen.
„Nachdem vor dem Fenster ein Unfall geschah, geschah Arndt ein Unwohlsein“: – welch fürchterlicher Satz, der alle Entfremdung schon enthält, von der die Sammlung berichtet. – Sie müssen sich dazu vorstellen, welch eben „andere Klientel“ seinerzeit hier „verkehrte“, obwohl sie völlig richtig an diesem Ort war: Penner, wie wir damals sagten, Nutten vom Abrißstrich (wo die Frauen noch heute in den Fenstern sitzen, oft nähend), Bullen, wie wir ebenfalls sagten, Junkies und sozial verwahrloste Alte. Das Café Rendezvous war ein Zeitloch, in das sich nicht Gestrandete verkrochen; vielmehr trieben Treibende hinein und hielten sich auf kurzes fest, bevor sie eine nächste Strömung erneut aufs freie Meer sog. Jetzt sitzen dort Patchworkfamilien mit all ihren Kindern, auch einzelne Frauen, um die vierzig/fünfzig, die warten.
Eine stand auf, trat zu uns, fragte: „Verzeihen Sie, ich habe das gehört. Wie heißt denn das Buch?“
Da hätte ich jetzt ausholen können, vielleicht sogar müssen, jedenfalls sollen. Schon weil die Bedienung n i c h t sonderlich interessiert gewesen war, vielmehr abgewehrt hatte, als wär‘s unschicklich gewesen, die nichtbürgerliche Vergangenheit des Cafés auch nur zu erwähnen. Freundlich war sie dennoch, sehr sogar, indes in dieser Hinsicht so, als würde sie sich schämen. Wir wissen aber auch wirklich nicht, wie viele alter Damen Hunde, ihnen im schmalen Parkgürtel der Friedberger Anlage entrissen & entführt, in der Küche des Rendezvous‘ verarbeitet und den Gästen als klassisches Ragoutfin serviert worden sind. Nimmt man diesen Verdacht für wahr, ist die Reaktion der Bedienung nur allzu verständlich; es wird Jahre gebraucht haben, den heiklen Ruch zu zerstreuen. Völlig von ihm sind die Räume nach wie vor nicht entläuftet. Selbst in so cleanen Städten wie Frankfurt am Main lassen sich nicht alle Geheimnisse desinfizieren. Wie >>>> Friedas Laise Laube, im Hessischen Hof, bleibt das Geheimnis mancher Orte erhalten. So eben auch hier:


Café Maingold, vormals Rendezvous

Frankfurtmainer Endzeil

*******



Und dann der Abend, an dem der Lyriker Harry Oberländer, noch bis heute abend Leiter des >>>> Hessischen Literaturforums im Mousonturm, die dreizehn ersten Brüste der Béart aus der frisch angelieferten Drucksendung zog:



Für mich nicht ohne – indes eine leicht triumphierende – Peinlichkeit, denn der ganze Vorstand des Trägervereins war versammelt, zur ziemlich langen Jahreshauptversammlung, da Oberländer nunmehr durch Björn Jager abgelöst wird und außerdem neu gewählt werden mußte. Werner Söllner also hob >>>> die Zeitschrift an, auf der meine ge-L.-te quasiBüste (weil 2D). Ich sah besser weg, aber dann später um so genauer hinein: Es ist für mich wie ein kleines Wunder, daß diese ersten dreizehn Gedichte meines Béart-Zyklus nun tatsächlich Druck geworden sind, gegenständlich sozusagen. Und kontrolliert, wie das רוח steht – und wie das روح und das ॐ. – Bescheiden. Genau so bescheiden, wie ich es wollte, eben nicht aufdringlich in Circe‘s swine stay (Pound, Canto seventyfour). Wir lasen uns später draus vor, die Löwin und ich, gegenseitig: wie anders der Klang… „Man muß das fragend lesen“, sagt sie, „Ihr Sound, wenn Sie lesen, ist zu sicher.“ Söllner, vor Drucklegung, hatte gemeint, ich verlangte von meinen Lesern sehr viel: „Wenn sie im Text bleiben wollen, müssen sie Dir folgen, wohin Du sie auch führst.“ Dies koste sehr viel intellektuelle und emotionale Kraft. „Das ist ein Risiko.“ Eines, das ich kennte. – Ja.
So entscheide, Leserin, selbst. Das Heft – es ist >>>> die Doppelnummer 118&119 – kostet zehn Euro und läßt sich >>>> dort bestellen. Sie können Exemplare aber auch >>>> direkt über mich bekommen..
Weitere Autor:inn:en der Ausgabe sind Janine Adomeit, Susanne Hess, Franz Hodjak und der mir aus vergangenen Zeiten ebenfalls vertraute >>>> Gert Löschütz – von ihm stammt eines der eindrucksvollsten Gedichte, die ich aus der jüngeren deutschsprachigen Literatur-überhaupt kenne: Das Ohr des Paul Getty.

Nun aber habe ich dringend den Text vorzubereiten, den ich >>>> heute abend vortragen werde. Und morgen dann, nach wahrscheinlich durchfeierter Nacht, geht es zurück nach Berlin.

3 thoughts on “Wiederbegegnung mit Arndt. Im Arbeitsjournal des Donnerstags und Freitags, dem 17. und 18. Dezember 2015. Darinnen Harry Oberländer dreizehn Brüste der Béart enthüllt, außerdem.

  1. selbst sein ohne ( gruppen – stockhausen karlheinz ) und mit einer armee “marschieren” wollen – das haut doch nie wirlich hin.
    das : hab ich gefressen gehabt :: das individuum, das locker umkippt in das schlechteste ihres gegenteils.

    nun : unsere gehirne bestehen ja nicht nur aus affirmation : sie kennen ganz gut, was sie nicht mögen.

    und so werden unsere hirne nicht wahrer, indem sie seiten wechseln.

    sie sind sowohl gebeugt wie auch gebrochen tun sie’s.

    es ist komplizierter – aber die variationen serie weiter oben hat was :

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