Des Neujahrs Arbeits- und Schalheitsjournal: 1. Januar 2016.


[Arbeitswohnung, 10.55 Uhr
Beethoven IX (Leibowitz)]

>>>> Daran sitz‘ ich nu‘ schon seit Tagen, nachdem ich zur Überarbeitung der entworfenen Gedichte auf >>>> das da gestoßen war (die neue Version steht im Kommentar).
Jetzt ging‘s relativ leicht von der Hand – nach dieser eigenartig schalen Silversternacht, die ich mit unter anderem einem ziemlich schlechten Vampirfilm verbracht habe; allerdings hatte ich mich vorher durch fast alle meine Aufnahmen der Neunten durchgehört, um für >>>> die Janowskikritik Vergleiche gegenwärtig zu haben. Die Unterschiede sind teils beträchtlich; sanglich am schönsten ist mit Abstand Ferenc Fricsays Einspielung aus den späten 50ern, was klar an den Solisten liegt: Seefried, Forrester, Haefliger und Fischer-Dieskau; speziell an d e s s e n „Seele“ ist schwerlich heranzukommen; die im Chorsatz dauernd lauernde Gefahr eines allzu harten Staccato-Intonierens unterläuft er durch eine ganz besondere Art des Legierens. Doch dazu mehr in der Kritik, die ich heute nun wirklich schreiben will. Gestern bekam ich‘s nicht mehr hin.
Ja, schales Silvester; schon jetzt denke ich nicht gern zurück. Es wird in die Vergessenheit sinken, eine nie gewesene Nacht sein: ein Stück ungelebtes Leben, verdrängend irgendwie ausgehalten. Als es draußen zu böllern anfing, heftig, zog mich aber nichts hinaus. Ein Fehler, gewiß. Ich dachte: Abseits sein, draußen sein, nirgends dazugehören. Um nicht wegzukippen, flößte ich mir die schlechten Spielfilme ein: geducker Eskapismus. Hingegen >>>> parallalie las Döblin; wir skypten nachts.
Ein bißchen las ich über Beethovens „unselige hypochondrische Grille im Kopf und im Herzen, daß ihn in Wien alles verfolge und verachte“ (Johann Reichardt): kurz aufsteigendes(, „unseliges“) Identifizieren – schnell weg! weg davon! Also diese scheiß Filme.
Ich hätte d o c h nach Neapel fliegen sollen. Doch wär das aus anderen Gründen nicht gegangen oder ziemlich unschön geworden, die auch nicht sonderlich erbaulich sind. Und ich mag mir diese Stadt nicht verderben –

– werde jetzt laufen gehen, um etwas zu spüren, mich leben zu spüren.

[14.47 Uhr
Beethoven IX, Satz 2 (Leibowitz)]

Der Schalheit der Nacht mit Willen entgegnet: 11,6 km hat das Ifönchen als Laufstrecke gemessen, in 1h 10m; meiner Rechnung nach sind es aber nur die angestrebten 10 Kilometer gewesen. Egal, Ziel in jedem Fall erreicht.
Wieder Beethoven jetzt; ich überlege, ob ich meine Kritik mit einer Adorno-Travestie überschreibe: Trotz und Erkenntnis. Es ist so viel Falschheit, die emphatisch aber wahr ist, in dieser Musik.
[Beethoven IX, Satz 3 (Leibowitz)
14.53 Uhr]

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