III,41 – Steinhuder Meer

Die reale Welt realistisch abzuschildern, sei, sagte er sich, ein flaches Steinhuder Meer. Irgendwo bei Hannover, einer Stadt, hinter der sich nichts wirklich Vorstellbares birgt. Selbst wenn ich gewisse Erlebnisse dort hatte. Das oftmalige Umsteigen dort, wenn ich nach Rom fuhr oder von dort zurückkam: ständig Leute, die einen >>>> Parka trugen, entlang der Gleise ein aufgesprühtes “Don’t worry, be happy”. Die Bahnhofs-Buchhandlung mit deinem Allerwelts-Nachnamen. Ziemlich drög, bis auf die EINE Begegnung mal. Und den Vierzehnjährigen lasse ich mal beiseite, der nach dem Ende der Pflichtschule (quasi als Belohnung) unbedingt entfernte Verwandte dort besuchen wollte (ein erster Drang, aus der Enge der realen Welt herauszukommen: die Fotos davon sehen jedenfalls peinlich aus). Merkwürdig, daß Hannover jetzt dazwischen funkt und der Spruch damals: “In Hannover an der Leine ha’m die Mädchen krumme (oder dicke?) Beine”. Vielleicht habe ich mir ja doch den Virus eingehandelt, der bzw. das meine Ex-Schwägerin heute Vormittag veranlaßte, mich zu bitten, sie von der Schule abzuholen: ihr sei schwindelig, sie habe sich übergeben müssen. Sie traue sich nicht, mit dem Auto zu fahren. Noch mal angerufen vor einer halben Stunde: der eine Sohn sei mit dem Bus zur (20 km entfernten) Schule gefahren, um das Auto zurückzuholen, sie selber recht schläfrig mit etwas Fieber. Soweit zum flachen Steinhuder Meer. Aber Schicksal (Moira) kommt vor Geschick (Ingegno), und daher: “Nie verwirklichte ein Mensch seinen Traum, ohne zu leiden. Ist nicht das für die Menschen letztendlich der Zorn eines Gottes?” (Ventre, Verso Itaca) So Athene zu Zeus. Odísseo, abermals zurückgekehrt nach Ithaka, hört unter anderem Klagen über beutegierige Seefahrer, die die Insel heimsuchen. Telègono, auf dem Meere, wird durch einen mehrtägigen Sturm umhergetrieben, landet an einer Insel, sieht >>>> Schafherden. Der Hunger, man weiß, der Durst, da war nichts mehr an Bord. Aber fatalerweise war es Ithaka, nur, sie wußten es nicht, werden angegriffen, töten folglich, bringen Opfer dar und essen sich satt. Am nächsten Tag die Begegnung mit einer Schar Inselbewohner, angeführt von einem Alten. Ihn rafft dahin die Lanze des Telègono, und Odísseo, sein Vater, erkennt die Weissagung des Tiresias, daß vom Meer wird kommen sein Tod. Ein Freund von mir in der Handelsschule schwärmte immer vom Flohmarkt am Leine-Ufer in Hannover. Irgendwann verabredeten wir uns, gemeinsam hinzufahren mit dem Zug von Gifhorn aus. Da aß ich zum ersten Mal ein Stück Pizza, mit Oregano drauf. Ein völlig neuer Geschmack. Mit dem Rest dort konnte ich allerdings wenig anfangen. Insofern, als die Realität sich nur auf einem Sofa denken läßt, auf dem man eben nicht wirklich sitzt! So oft ich bei Ihrem Fenster vorüberging, machte ich, wenn sie am Fenster stand, eine Verbeugung, und wenn sie diese etwas höflich erwiederte, glaubte ich schon darin ihre Liebe, ihre Sympathie mit mir, ihr Schmachten nach mir zu lesen. Moritz, Erfahrungsseelenkunde, V, 65. Lug und tauglicher Trug. Ich bin übrigens nie am Steinhuder Meer gewesen.

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