III, 174 – Mit den Zähnen sprechen

Kontrastierende Zustände. Am Nachmittag erstmals mit laufendem Gasöfchen am Schreibtisch. Ich dachte: 15° im Arbeitszimmer, wäre eigentlich gerechtfertigt. War aber so dick angezogen, daß ich es nach vier Stunden wieder ausstellte. Prompt ließ mich sein Geräusch die Espressokanne überhören, während ich dabei war, an einer der vierzehn heute hie und da abgelieferten Texte herumzufeilen. Zwar das Gefühl, es rieche (reiche?) irgendwie. Gab aber die Schuld dem neuen Gaswärmegefühl, bis ich… ein Teil des Kaffees war bereits übergelaufen. Andererseits jetzt: leichter angezogen, offene Tür, keine Heizung. Die Kühle spür’ ich. War aber kurz vorher draußen. So daß ich’s wohl noch eine Weile aushalte, bis ich hier und das Essen fertig bin bzw. ist.
Indes nachts um halb vier schon wach gewesen, einen Tee zubereitet, den Laptop ins Arbeitszimmer gebracht, angestellt. Eine Zigarette geraucht. Bis ich mir die Hand vor den Kopf schlug, und wieder ins Bett ging. Schon gestern waren es zwölf Stunden gewesen. Die Ängste eines, der verknopft ist, was ihn auch oft zugeknöpft und irgendwie in wer weiß was verschachtelt erscheinen läßt.
Es gelang ihm, einen Daumen in die Höhe zu schmeißen. Als er seiner, Di Dio, ansichtig ward auf dem Platz. Zuvor hatte er Zigaretten gekauft. Die Bildchen auf den Schachteln zeigen eine Frau, mit einem Tuch vorm hustenden Mund, das rote Flecken aufweist. Die Bildchen davor zeigten einen, dem scheinbar im Sarg das Tschüß-Tuch übergezogen wird. Er, der Scheintote, schaute recht friedlich drein. “Che hai comprato? Ah, peperoni.” “Ci vediamo domani!”. Tati-Wochenende. Im Cineclub.
In der Projektion bleibt es immer nur ein Hinuntergehen, das dann automatisch geschieht. Immer in der gleichen Weise. Um sich hinterher im Schatten des Körpers des vom Kino Heimkehrenden in der Vorstellung zu spiegeln, die mal hinter einem, mal vor einem erscheint, je nach der Lampenposition (Lampe-Position).
Wie, als sagte man sich: “se son rose, fioriranno”. Den Egger noch zuende gelesen gestern abend. Der sagte gegen Ende genau diesen Satz, aber auf Deutsch (Wenn es Rosen sind, dann werden sie blühen. Auch bei ihm im Kursiv.). Und, nach meinem Dafürhalten, vergaß er auch nicht Ungaretti, als er sagte: Ich? ich singe, also bin ich.

SPRICHWORTE (1966-1969) /// EINS (Rom, im Bett, dösend, in der nacht vom 27. auf den 28. juni 1966) // man beginnt zu singen / und man singt, um zu enden // ZWEI // zum singen ist geboren, / wer vom lieben stirbt // zum lieben ist geboren, / wer vom singen stirbt // DREI // wer zum singen geboren, / singt auch im sterben // VIER // wer zum lieben geboren, / wird vom lieben sterben // FÜNF // bei der geburt weißt du nichts / im leben lernst du wenig / im sterben aber wird dir scheinen / die einzige lehre / sei diejenige, die sich läutert / wenn sie in der liebe sich absondert // SECHS // wir könnten fortfahren.

Im Bett dösen. Fortfahren.
Am Nachmittag Zahnunwohlsein. Hieß: aufhören. Nichtsmehrtun. Es half. Kein Zahlunwohlsein mehr. Mit den Zähnen sprechen.

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