III, 175 – Trägheitsbeschleunigung

Es regnet in Strömen. Ich habe keinen Schirm mehr, der funktioniert. Ich werde ‘Playtime’ von Jacques Tati nicht sehen gehen. Ich wollte ihn eigentlich auch gar nicht sehen gehen. Es gab einen Moment vorm Regen, der mich fast dazu brachte, ihn sehen zu gehen. Das war, als ich alles abgewaschen, mein Lesepensum hinter mich gebracht hatte. Es gäbe noch andere Sätze, deren Nebensätze mit ‘hatte’ aufhören. Sie fallen mir nur nicht mehr ein, oder ich behaupte wider besseren Wissens, dass sie mir nicht mehr einfallen. Ich schreibe Elementarsätze. Wahrheitsmöglichkeiten hängen von ihrer Falschheit ab. Nach zwei Jahren wieder den Wittgenstein aufgeschlagen. Zwei Seiten gelesen, während das Essen sich bereitete und das Diluvium anfing.
Mehr geht nicht, was auch wieder nicht wahr ist, aber auch nicht falsch. Jedenfalls bestellte ich mir ihn, den Tractatus, als es langsam mit dem Deutschkurs zuendeging, der sich da mal gebildet. Zu viert saßen sie hier einige Monate am Tisch. Darunter l’ami belgique. Der hatte eine französische Ausgabe des Tractatus. So beschlossen wir, nachdem der Rest der Gruppe verflogen war, damit weiterzumachen. Aber auch das hatte keinen Bestand. Irgendwann waren wir nicht mehr in der Lage davon zu sprechen. Wenn ich ihn jetzt sehe, trägt er verschnürt vorm Bauch seine nunmehr halbjährige Tochter, die Mondin.
Ich werde also morgen die ‘Ferien’ sehen gehen. Aber auch hier handelt es sich um ein unvorsichtig indikatives Futurum. Der Indikativ weiß nichts von den Möglichkeitsformen, die über ihn hinausgehen, die sich aber in der Gewißheit verankern, es gebe auch morgen doch noch einiges zu tun.
Es tröpfelt nur noch. Aber ein Zettel hilft mir aus der Bredouille:
“Mein Cousin und ich kamen eines sonntags auf die Idee, daß man doch baden fahren könne, und zwar nach Wittingen [14 km]. Seine Badehose sei aber in Knesebeck [weitere 7 km], die müsse man vorher holen. Also ging’s los nach Knesebeck! Dort angekommen, war’s aber schon spät, und das Wetter hatte sich verschlechtert. Guckten wir also Fernseh’ (etwas wie Ballett gab’s) und schliefen [bei seinen Großeltern] zusammen in einem Bett. Am nächsten Morgen zwei Versuche loszufahren. Beim ersten Mal sah’s nach Regen aus.” Unmöglich, das Jahr zu festzulegen. Wir waren halt einfach mal eine Nacht weg. Recht unbedarft. Und wir sind wir. Und natürlich alles mit dem Fahrrad.
Es hat aufgehört zu regnen. Ich käme noch rechtzeitig hin. Aber “die Wahrheitsbedingungen sind kontradiktorisch” und die Trägheitsbeschleunigung die einzige Wahrheit, die vorherrscht.

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