III, 239 – Wild Odours

Die ganze Küche erfüllt von Gerüchen, die aus Töpfen und Pfannen stiegen. Es ging das Gerücht, es rieche nach Hirsch. Also stand doch kein hl. Eustachius am Herd, und dem einen großen Topf entstieg im Rauchgeweih eben doch kein Kruzifix. Und unversehrt erlitten lediglich die Kartoffeln ihr Martyrium im siedenden Wasser, um aber dann doch zerstampft zu werden. Unheiliges Neujahrsessen! Und griff zum Spaß nach der Schneckentröte, die seit D’s Geburtstag immer noch hier auf dem Küchtentisch liegt, auf dem einst Theatermasken geformt wurden, während Miles Davis auf seiner Trompete spielte, und ließ sie mit einem recht bescheidenen Tröten ausrollen wie das Chamäleon sein Zünglein ausrollt, um sich einen Leckerbissen zu angeln. Ohne gesehen zu werden.
Wild odours, wild fires, and even wilder the humours. Nee, eben doch kein Game-Fleisch, sondern Deer-Fleisch. Na, immerhin das Vokabular aufgefrischt. Das deutsche hingegen verwirrt mich jetzt mit seinem Hochrotwild (Du innig Rot), Nieder-, Stein- und Schwarzwild.
Und am nächsten Tag (klingt als schriebe ich morgen (als würde ich morgen heute geschrieben haben (allemal ein Trampolinspringen solche Sätze, denn wäre die Fläche des Trampolins ein Jetzt, das Oben ein Künftiges, so käme man dahin nur dadurch, daß man vom Jetzt ins Vergangene springt bzw. das Jetzt heftig mit den Füßen des Gestern bearbeitet (in der Hoffnung, das Undurchschaubare dieser Machenschaften unversehrt gelassen zu haben…)))) dem einzigen anstreichenswerten Satz zunicken: Am Morgen sind alle Menschen ernsthafter als am Abend. (Jean Paul, Es gibt keine eigennützige Liebe). Ergänze: bzw. im Jetzt.
Bis an den Tod, aber darüber war und ist uns ja nichts bekannt.
Ein Gang zum montäglichen Wochenmarkt. Ich brauchte eine Agenda und einen neuen Stieltopf. Die heute im Hellen sichtbaren kleinen Lautsprecher hoch über der Straße in der Nähe des Largo Cristoforo Colombo, wo die einhundert Meter lange Fußgängerzone beginnt, ließen Walzer hören. Natürlich völlig unpassend.
Nach wie vor die Austro-Projektionen der Italiener. Einst stellte ich fest, daß es hier eher übersetzte Österreicher gibt als übersetzte Deutsche. Aber ich bin schon lange nicht mehr in einer großen Buchhandlung flanieren gewesen. Und bleibt somit eine These. Daß Deutschland den Italienern eine Terra incognita in kultureller Hinsicht (Brecht in einer wahrscheinlich als nostalgisch zu definierenden PCI-Tradition, die noch in den Köpfen einer gewissen Bella-Ciao-Generation steckt, mal ausgenommen). Es berührt nicht. Der Stiefel hat seine Eigendynamik. Und wüßte auch nicht den Unterschied herauszuarbeiten, der zwischen dem Umstand besteht, mit einem Stiefeltrinken aufgewachsen zu sein, und dem, zumindest landkartenmäßig nun einem Stiefel anheimgegeben zu sein.
Ma parlo a vanvera adesso.

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