III, 275 – “Da quale dove a noi quel chiasso arriva?”

Im Verhallen der Echos, von welchem Wo kommt uns der Lärm? Oder: Wenn Echo in Echo verhallt, von welchem Wo aber kommt uns der Klamauk… Neulich abends auf einem Zettel, dieser minimale Tanzboden, beim Lesen zweier Zeilen, die in mir nachhallten, von Ungaretti.
Über den Platz bis zu mir klingt leis’ Musik, wahrscheinlich aus dem Bioladen, ein Vogel zwitschert lauter, aber leiser als die Glocke davor die halbe Stunde läutete. Heute nach der Demo aus Anlaß des Frauentags (es würden auch Männer dabei sein mit einem Transparent) ein Aperitif dort, im Bioladen, ich seh’ schon die Tische vorbereiten gegenüber.
In der Zwischenzeit kommt Trommelschlagen näher. Demo mit Trommelschlagen also. Folklore der X-Beliebigkeit. Na, ich weiß nicht, ob ich mich aufraffe trotz Einladung, zum Aperitif zu gehen. Ha!, Fanfaren. Völlige Zusammenhanglosigkeit. Ich muß mich gleich mal ans Fenster stellen…
Nichts zu sehen. Oder sie sind alle schon vorm Rathaus gelandet. Statt des Trommelns meldete sich ein Vollgas gebendes Moped jetzt. Und im Jetzt erklang kurz eine Hupe.
Es ist tatsächlich nicht immer leicht, in den Gassen das Wo einer Klamaukquelle ausfindig zu machen. Immerhin absurd, den sogenannten Frauentag zu betrommeln. Einen anderen Anlaß zu diesem Trommeln als diesen Tag kann ich mir aber auch nicht vorstellen. Wahrscheinlich eine Idee der Bürgermeisterin, die die Demo dann auch empfangen wollte. Wie es hieß.
Der Aperitif beginnt in vier Minuten. Aber meine ungewaschenen Haare stehen zu Berge, das rechte Knie meiner ungewaschenen Jeans hat einen Rußstrich. Der kommt vom Stampfer, den ich heute noch einmal in Gang gesetzt habe. Für morgen wäre vielleicht doch noch etwas Holz übrig. Dann aber definitiv das letzte.
Die Haare kann man waschen, die anderen Jeans sind gewaschen. Das Gehirn, verstaubt wie es ist, mit seinen abstrusen Projektionen, kann sich jedennoch nicht einseifen, es bleibt eine staubige Kammer des Abstrusen. Wie die Haut. Die ihn, den Staub, hervorbringt. Und rote Rosen treibt, die nicht sehr lebendig aussehen. Aber auch nicht verschwinden. Sie grüßen des Morgens, des Abends, des Nachts. Und den Tag übertagen sie. Unlust, den Doktor aufzusuchen, Unlust, die Pillen zu nehmen, Unlust, weiterhin Vollkornbrot zu essen.
Jetzt erklingt wieder die Musik von gegenüber. Etwas Hymnisches. Von der Art eines Halleluja. Wie eine Art gemeinschaftliches Singen. Es wird mir unmöglich sein, dorthin zu gehen. Auch die Glocke klingt wieder.

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Je suis allé. Denn der Tabaccaio war fällig. Faute de mieux. Man wunderte sich, daß ich den Prosecco pur wollte, statt mit Orangensaft. Die Frage nach den Trommeln wurde dahingehend beantwortet, daß die Demo sonst auf einen tristen Schweigemarsch hinausgelaufen wäre. Was in einer Zwölftausendeinwohnerstadt Sinn ergibt, wo Megaphone Unsinn stiften. Immerhin: Unsinn stiftet Unsinn. (Meine letzte Demo, an der ich überzeugt teilnahm: irgendwann in den Neunzigern zu Beginn der Berlusconi-Ära: eine hübsche Menschenmenge!) Und überhaupt: mehr Männer als Frauen im Bioladen.
Ein letztes zu Gurk noch. Wer sich mit ihm beschäftigen wollte, käme um die biographische Skizze im Anhang zu Gurks ‘Berlin’-Text (bewußt jetzt ‘Text’, es wird gleich klar werden) von Magnus Chrapkowski nicht herum.
Sehr gegen meinen Wunsch erschienen meine Bücher, wenn sie die gehörige Länge haben, als Romane. Ich schreibe keine Romane. Mir ist das viel zu langweilig, wenigstens soweit das in der heute üblichen Technik geschieht. Ich kann diese Technik gut und habe ihr für meinen Privatgebrauch manche scherzhafte […] Bezeichnung gegeben: die Gänsemarschtechnik, die Zopfflechttechnik, die Kreuzworttechnik, die Auflösetechnik (Kriminalromane z.B. sind gewöhnlich in dieser Technik geschrieben. Vom Ende aus ist rückwärts komponiert, man könnte sie auch Rösselsprungtechnik nennen). Ich halte diese Techniken alle für Posthorntechniken, gut in einer Zeit des Posthorns. Ich aber arbeite mit Visionen und habe demgemäß die Blitzlichtaufnahme, die Röntgenaufnahme. Die übliche “Füllung” lasse ich fort, das Putzen des Wachsdochtes, die allseitig herumgehende Petroleumlampe. Gurk in einem Brief an R. Möbius, zitiert in der biographischen Skizze.


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