III, 276 – Aus der Heia in die Penne

Aus der Heia in die Penne. Strategien der Verweigerung. Schulgänge einst. Ich schlurfe… stand auf dem Zettel, der vorm Spiegel stramm steht, es steht noch mehr drauf, aber das paßte jetzt nicht. Aus der Heia in die Penne: denn ich bemerkte einmal auf der Hälfte des Weges zur Schule, daß ich ja noch die Puschen anhatte.
Es waren überhaupt abenteuerliche Wege zur Schule. Der eine ging durch eine Riesenscheune, die zu nichts mehr diente. Manchmal standen darin Autos mit den Kennzeichen DO und WI, die gehörten den Söhnen der benachbarten Familie, die mal grad zu Besuch da waren. Natürlich kombinierte ich mir einen DOWI daraus. Für deren Kinder war ich irgendwie Schmuddelkind, wenn ich mich dazusetzte, wurde ich weggeschickt. Weil ich zuhören wollte. Bekam aber deren abgetragene Klamotten, was mir höchst peinlich war. Erst waren sie zu groß (es gibt tatsächlich noch ein Bild von einer solchen Peinlichkeit), dann zu eng. Besonders in der Pubertät die Hosen des einen Sprößlings. Wenn ich, vom Kartenzimmer kommend, wo ich ‘ehrenhalber’ ‘Dienst’ tat (immerhin bekam ich dafür vom Klassenlehrer, von dem ich gelernt, daß Kriegsheimkehrer – er sprach aus eigener Erfahrung – eben alles andere als bejubelt werden, einen Band mit deutschen Erzählungen (von Aichinger bis Walser): “Dir, lieber B., als Anerkennung und Dank für die Hilfe im Kartenzimmer”, datiert: 14.3.1969), über die langen Flure des riesigen Schulgebäudes zu meiner Klasse am anderen Ende zurückkehrte, war immer das ebenso peinliche Gefühl des sich fürchterlich beulenden Hosenlatzes da. Und das Enge dem Iste in der Bewegung fatal. Besonders, wenn einem Mädchen begegneten.
Der andere Weg war ein schmaler Gang zwischen dieser Scheune und dem angrenzenden Hof. Hoch oben über ihm entdeckte ich im schmalen Himmelsspalt erstmals den Mann im Mond mit seiner Kiepe auf dem Rücken.
Noch einer führte über den Hof des benachbarten Bauern, wo ein fürchterlicher Hund angekettet lag, der auch sofort wild anfing zu bellen und an der Kette zu reißen. Daraufhin ging es durch den süßlichen Geruch des Kuhstalls.
Eine andere Strategie bestand darin, den Weg über den Hof des Gasthauses zu benutzen, der einen etwas weiteren Umweg bedeutete. Dort gab es einen Tordurchgang, bei dessen Betreten ich immer anfing zu singen, weil ich mich fürchtete. Ich weiß nicht mehr wovor.
Den Dorfkern zu umrunden wäre ein zu weiter Umweg gewesen.
Auf die andere Seite kommen.
Einmal versteckte ich mich, weil ich nicht wollte. Aber es fehlte mir dann doch an Durchhaltevermögen.
Einmal im Winter rieb ich mich nachts auf dem Weg zum Plumpsklo an einem Schneemann in der Hoffnung, daß mich dann eine fürchterliche Krankheit befällt, und ich folglich der Schule ledig, in der ich sowieso der einzige war, der die Planeten in der richtigen Reihenfolge hersagen konnte. Aber das war vor der Pubertät. Es war kein sexuelles Verlangen nach dem Schneemann dabei.
Wie komm’ ich jetzt auf den ganzen Mist? Richtig: ich las ein kurzes Interview mit Marianne Rosenberg. Die sei 1970 in Rio bei einem Gesangswettbewerb gewesen. In der Jury habe auch Paul Simon gesessen. Der soll ihr gesagt haben, sie würde keine Stimme von ihm bekommen, weil sie aus Deutschland komme.
Da fielen mir gleich die beiden New Yorker Juden in der Brüsseler Jugendherberge ein, die mich und meinen Freund im selben Jahr schmähten. Hitler hier und Hitler dort.
Sie, Marianne Rosenberg, habe sich damals nicht getraut zu sagen, daß sie die Tochter eines Auschwitz-Überlebenden sei.
So daß mir spontan meine Kuhdorf-Atmosphäre ge…
Kafka: Ein Käfer kroch über den Bildschirm.
In echt.
Rechts vom Text von unten nach oben.
Graustufenalarm. Ausgeutscht!

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