III, 389 – noch mehr lange Wörter

Schon wieder ein langes Wort: das sei, sagt Leonce zu Rosetta, “ein langes Wort: immer!” in dem Büchner-Stück (Büchners Werke als Tempel-Klassiker, die vielleicht keiner mehr kennt: Kaufdatum April 74). Einige Stücke werde ich schon gelesen haben, aber nie alles. Also alles jetzt, und mag auch “alles” als langes Wort gelten. Müßiggang! Keine Rede, wär’ schön.
Spucken nur den morgens sich ansammelnden Schleim kurz nach dem Rauchen, morgens. Nicht 365mal auf Steine. War sogar relativ früh auf. Kunststück, um zehn gestern ins Bett in einem Zustand völliger Erschöpfung. Ohne allen Antrieb noch. Die Yachtbeschreibung ist lang und verlangt alle Ausdauer, die aus der Reserve sich saugen läßt. Nur, irgendwann… Nebenarbeiten kommen hinzu: eine Adoptionsgeschichte mit Dokumenten aus dem Jahr 68 derzeit: Venezuela, Gerichtsunterlagen, aus dem Spanischen in ein komisches Italienisch übersetzt (“Der Bürgermeister des Amtes”, was ist das?, sofern nicht “sindaco dell’ufficio” im Spanischen etwas anderes besagt, mutatis mutandis), dahinter aber deutsche Eltern und Adoptiveltern. Wer weiß, was dahintersteckt.
Immerhin war es mir gelungen, tatsächlich Fußballspiele live zu sehen. So sah ich die beiden Halbfinalspiele. Lediglich die Kroaten hatten einen gewissen Drive. Und sehe heute einige FB-Beiträge von Hiesigen, die den Erdball und das Universum, außer Frankreich natürlich, mit der Kroatenfahne beflaggen. Dazu abfällige Bemerkungen über die Franzosen. Auch Ninno äußerte sich abfällig bei der letzten Weinlieferung. Danach wird wahrscheinlich wieder alles unter den Tisch fallen, aber diese latente Franzosenphobie ist mir in dieser Vehemenz noch nicht untergekommen.
Wie war das lange Wort? Richtig “Immer”. Als ich am Nachmittag den mitterlerweile mit “Ciao” und zweiter Person Singular grüßenden Tabakladen bzw. die ihn Personifizierenden verließ, lief Ex-Schwägerin mit Ex-Frau vorüber, die einst gleichwertig neben dem “Immer” noch ein anderes langes Wort drauf hatte: “Nie” nämlich. Machte sogar eine den Körper betreffende Bemerkung: pas de Bauch. Aber ansonsten verkrampft wie ich. Aber in solchen Situationen bin ich wirklich kein Freeclimber.
Schon die Frage, ob ich sie noch kenne. Was für eine Frage? Die ehrliche Antwort hätte heißen müssen: Nö. Also stürzt man schon ab. In die Unaufrichtigkeit. Ins Maskenspiel. “Nichts als Kunst [?] und Mechanismus [!], nichts als Pappendeckel und Uhrfedern!” (Leonce und Lena).
Und ein weiterer Aufschrei im Anti-Franzosen-Thread: “I francesi nooooooo….”.
“Bo’!” sagt man, wenn man ratlos ist. Ich sage: “Bo’!” Ist da jetzt Napoleon schuld? Der Italien ausraubte, um den Louvre zu bestücken? Das kommt immer dazu. Sicher. Die Hakenkreuz-Fascio-Allianz scheint eher immun zu sein. Die Herren Innenminister demonstrieren’s zur Zeit gar “außenpolitisch”.
Und noch bevor diese Begegnung stattfand, hätte er, als er am Nachmittag sich dem Auto näherte, das neben Tullias B&B geparkt stand, um zum Supermarkt zu fahren, weil der Kühlschrank nicht mehr viel hergab, und als dann gerade in dem Moment Tullias Tochter nach ihrem ziemlich unexpressiven Freund aus der Eingangstür trat, mehr sagen sollen als nur “Ciao”, und “Wow!” wäre auch reichlich banal gewesen.
Zu Büchner sag’ ich weiter nichts, als “toll” im Sinne von “Toll ist die Tollheit beim Schreiben”:

“Ihr tanzt nicht heftig genug”, sagte er zu seiner Partnerin, weil sie es nicht zu ihm sagte, “ihr tanzt den Haß nicht heraus. Es muß weh tun, ehe ihr euren Körper spüren könnt. Haltet euch nicht so raus. Werdet doch häßlicher, tanzt unbeholfener. Schön werdet ihr erst, wenn ihr restlos kaputt und atemlos seid.”

(Peter Schneider, Lenz, gekauft Oktober 74, wie’s im Rotbuch-Exemplar steht, und er, Peter Schneider als Lehrer, sei der gewesen, bei dem damals auf dem zwoten Bildungsweg in Berlin Freund MC tatsächlich begriffen habe, was Grammatik ist… dies so nebenbei (Schneiders ‘Lenz’ so eine Vorstufe zu Genazinos ‘Abschaffel-Trilogie’, die alles abstreift, was auch mich damals umtrieb zum Teil: sich engagieren, aber wie? (Komischerweise jetzt die Entdeckung einer Spiegel-Rezension von Biermann, also wohl aus dem Spiegel ausgerissen (zwei gefaltete Spiegelseiten): “Mit meinen Augen liest Schneiders Erzählung sich so: Lenz, ein junger Intellektueller aus West-Berlin, der dort auch die lehrreichen Semester der antiautoritären Bewegung absolviert hat, zerleidet sich mit linken Radikalität an seiner eigenen Bürgerlichkeit.” usw. – dort religiös hier links).
Irgendwann dann wohl Zitate aus JMR Lenz.

III, 388 – “und” ist ein langes Wort

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