Vergripptes Arbeitsjournal. Freitag, den 6. September 2013. Mit Hunderten Neapel-Clips.

„Drei Tage kommt sie, drei Tage bleibt sie, drei Tage geht sie“, pflegte meine Großmutter zu sagen. Ich geh davon aus, daß sie unrecht hat, denn normalerweise schüttle ich solche Infekte schnell ab. Blöderweise ist mein Fläschchen >>>> Metavirulent leer, und ich kann mir grad kein neues kaufen: hab noch zweieurofünfzig auf der Naht, warte dringendst auf das Geld vom Funk, das bereits seit fast vier Wochen angekündigt, aber immer noch nicht auf dem Konto des Freundes eingegangen ist, der, seit ich kein eignes mehr habe, solche Anweisungen für mich annimmt. Normalerweise regle ich so etwas in bar oder auch, Sie wissen das, gegen Naturalien; in diesem Fall funktioniert das aber nicht. Jedenfalls ging mein letztes Geld aus dem Strumpf gestern für die Kohlen drauf; ich mochte auch mit dem Trinkgeld nicht knauserig sein, weil die drei Träger wirklich hart geschleppt haben. „Keine Lust“, sagte der eine, als er aus dem Keller wieder hochkam, „wirklich keine Lust. Das ist jetzt eine schwere Zeit, jeden Tag von morgens um acht bis abends um sechs: unentwegt schleppen.“ Für drei Monate nun sei das so, dann erst werde es ruhiger. Indessen ich selbst es mit dem Schneiden einzelner Clips zu tun habe, einzelner Geräuschmomente und -phrasen, die ich leitmotivisch durch das Neapel-Hörstück montieren möchte und deshalb vorbereiten muß. Das ist in der Tat keine Arbeit für Überbegabte, paßt deshalb ganz gut zu meinem grippalen Zustand momentan: Mit dickem Kopf ist man eh nicht sonderlich inspiriert. Da diese Arbeit aber getan werden muß, läßt sich mein Infekt auch sozusagen praktisch verstehen: Der Geist hat zwischen sich und seine Neigung zur Schnelligkeit einen Dämpfer eingebaut, der mich die Stunden nicht eigentlich merken läßt, die ich über dem Herauslösen dieser Clips zu sitzen habe; gestern waren es beinah neun Stunden, und noch ist kein Ende abzusehen. Also dies ist die eine Erklärung, weshalb ich mir was eingefangen hab. Die andre ist der Zahnschmerz, der mich heute nacht wieder trietzte. Eine Entzündung unter der Kante einer zu einem Teilchen weggebrochenen Brücke; da blieben Nahrungsfetzchen hängen, die auch die Zahnseide nicht wegbekam und also das Fleisch entzündet haben. Was wiederum eine Schwächung des Organismus bedeutet, da kann er Sport treiben, wie er will. Und so fand denn ein Virchen Einschlupf. Der Rest läßt sich an allen Fingernägeln abzählen, die man so hat. Tja. Wenn man weiß, woher etwas kommt, ist alles nur noch halb so schlimm; witzigerweise wird nun das Antibiotikum, das ich abends auf das entzündete Fleisch am Boden der Zahnlücke gebe, vermittels einer stumpfen Spritze, zum Anti-Grippe-Mittel. Nett.
7.21 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Zweier Latte macchiato.
Zweite Morgenpfeife.
Weiter also mit den Clips. Bis zum Abend noch, bestimmt, werde ich dran sitzen. Man kann das natürlich unendlich lange so weitertreiben: hat man alle Mopeds, kommen die Lacher dran, dann die Vögel, dann die Huper, dann die vorüberfliegenden Straßenmusiken, die Schiffshupen, das Klirren der Espressotassen usw.

Aber übertreiben will ich’s auch nicht, schließlich hab ich die ausgefeilten >>>> Protokolle sowieso. Doch gestern, nur weil ich diese Clips schnitt, merkte ich, daß auch die originalen Original-Tonfiles teils bearbeitet werden müssen, schon deshalb, weil ich die >>>> aus dem Februar mit einer anderen Samplerrate aufgenommen habe als die >>>> aus dem April; das muß dringend angeglichen werden, sonst hab ich bei der Produktion im Oktober ein heilloses Durcheinander. Aber auch einige Pegel sind anzuheben, etwa die der langen Nachtaufnahmen aus dem Fenster meines Albergos. – Mit all dem also verbringe ich gerade meine Zeit und sehe aber manchmal sehnsuchtsvoll auf den zweiten Hinterhof hinaus, weil solch ein schönes Wetter ist: Sonne. Dürfte ich zum Sport hinaus, hätte ich etwas von ihr. Aber das ist nicht geraten. (Wenn man täglich trainiert, wird es zu einer Art Sucht, nicht nur der Endomorphine wegen, sondern auch, weil man meint, man falle schon von dreivier Tagen Pause „zurück“. Das ist selbstverständlich Unfug, aber man muß ihn sich geradezu vorsprechen, um es richtig wiederzuwissen.)

Argo >>>> ist da. Manchmal fasse ich es immer noch nicht.
Guten Morgen.

18.35 Uhr:
Immer und immer noch an den O-Ton-Clips. Jetzt schneide ich nach den Angaben in den Protokollen gute „Gesamt“-Tonbilder aus den Fili heraus, jeweils zwischen anderthalb und drei Minuten Dauer. Das wird mich wohl auch noch morgen beschäftigen. Danach geht es an die Musikclips, aus denen ich, es sind an die hundert von Italopop bis in den Barock zurück, einzelne Stellen auswählen, mich auch schon für mögliche Leitmotive entscheiden muß. Aber erst mal wird jetzt etwas gegessen.

Am Sonntag um 18.05 Uhr wird mein kleiner Text über Dichterfreundschaften ausgestrahlt werden, >>>> dort in Gutenbergs Welt. Manuela Reichert hat zudem einen Hinweis auf Argo eingesprochen.

4 thoughts on “Vergripptes Arbeitsjournal. Freitag, den 6. September 2013. Mit Hunderten Neapel-Clips.

  1. Ich würde gerne ein paar Lacher bestellen, ein kleines Klirren und zweidrei Huper, als Prophylaxe für den Herbst. Zahle bar.

    Gute Besserung natürlich auch.
    Herzlich
    Madame TT

    1. Madame, ich leg Ihnen das in die Dropbox. Eine Stelle hab ich in den Fili, da muß man dauernd selbst mitlachen, weil die Männer überhaupt nicht mehr aus diesem Bauchmuskeltraining herauskommen, fünf Minuten lang.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .