Das Arbeitsjournal des Mittwochs, den 13. Juli 2022. (Es ist, glaub ich, bekannt, daß ich die Zahl 13 außerordentlich schätze).

[Arbeitswohnung, 7.48 Uhr
Erster Latte macchiato, erste Morgenpfeife]
Meine kleine Krawattenknotenserie bei Instagram läuft weiter; für mich eine (fast) tägliche Lockerungsübung. Die heutige Bindung gibt’s aber erst nach der Rasur & dem Duschen. Derzeit Tagesablauf morgens: Um sechs hoch, an die Pavoni, während die Computer hochfahren, gegen halb sieben am Schreibtisch, erstmal die Tageslektüren: NZZ, ZEIT, Tagesspiegel online; im wesentlichen die Nachrichten zum Krieg sowie die Kommentare. Danach Mails und Facebook. Oft ist es danach knapp acht Uhr. Sofern ich wie heute ein Arbeitsjournal schreiben will, kommt dann dieses, bevor das Bett gemacht, der Anzug herausgehängt und das Hemd mit der Krawatte sowie dem Einstecktuch abgestimmt wird. Zeitgleich, alternierend, mal in die Küche, paar Löffel Fruchtjoghurt, wieder ins Arbeitszimmer, weiter vorbereiten, wieder in die Küche, nächste Löffelchen Joghurt. Erst dann geht’s ins Bad. An den Schreibtisch, um “wirklich” zu schreiben, erst nach der Form. Dieses, ecco, f ü r die Form. – Heute wieder Triestbriefe, dritter Durchgang, ich fange jetzt mit dem siebten Brief an. Die beiden Hauptprotagonisten schärfer zu trennen (also sie hzu charakterisieren) bekommt dem Text gut, führt aber dazu, immer wieder neue Szenen einschieben zu müssen, die ich aus quasi dem Stegreif erfinde, wenn auch abgestimmt auf den bisherigen “Gesamttext”. Es geht damit bestens voran. Nur daß ich gestern erst am Abend an diesen Roman kam (dafür saß ich bis gegen 22 Uhr dran), weil spätmittags im ARD Hauptstadtstudio etwas für → Gutenbergs Welt einzusprechen war. Es geht da um “literarische Helden”, ich war – des mir unerträglichen Heldenbegriffes wegen – anfangs nur herumgetappt, sogar nur -getapst, hatte dann probematisiert, es wurde theoriebürokratisch, also nochmal alles umwerfen – und unversehens stand nicht nur der Einstieg da, sondern der Text komplett. Meine Redakteuerin, Manuela Reichart, hatte nur wenig Einwände, die sich auch schnell zu beheben waren. Oh, schon halb drei – jetzt aber schnell zum Fahrrad runter!
Da stand ich dann da. Sowas will man nicht haben. Es war zehn nach halb drei, und der Vorderreifen ist platt. Eine halbe Stunde Sendezeit, wie sollte ich das schaffen?? Das Hirn ging in Sprint. BVG, klar, jetzt aber noch die Beine in die Hand, ich braucht’ auch noch das Ticket. Also doch so’n neun-Euro-Ding erstanden, zehn vor drei. – Noch auf dem SBahn-Steig die Dispo des Studios angerufen, kurz erklärt und den Zeitverzug untertrieben: “Bitte, liebe Frau Hoffmann, sagen Sie in Regie 2 Bescheid, daß ich fünf oder zehn Minuten später da bin.” Einfahrt der Bahn.
Es ging dann aber doch fix, um fünf nach drei bereits Friedrichsstraße, nun nur noch den besten Ausgang aus dem Bahnhofsgebäude findden, auf keine Fall nach vorne raus. Ah, “Reichstagsufer”, das klang gut. – Fünf Minuten später war ich bereits auf der Wilhelmsraße, und alles aber wurde nun sehr, sehr ruhig. Wir hatten Zeit, die Technikerin und ich, und, da uns lange nicht gesehen (ich bekomme vom Funk ja kaum Aufträge mehr), wurde erst einmal geplaudert. Was wir uns leisten konnten, weil freundlicherweise nicht nur eine halbe, sondern eine ganze Stunde Aufnahmezeit reserviert worden war.
Das Problem bei meinem literarischen Helden ist, daß er, wiewohl er prinzipiell unendlich viel davon hat, nicht genug Zeit für die Sendung hat und deshalb schnell gesprochen werden muß. Wir lagen unterm Strich dennoch zehn Sekunden drüber. Die mußten weg. Also, zu meinen Bedeuern, “fiel” Sherlock Holmes. Schade, schade, schade. Wer der tatsächliche Held aber ist, verrat ich Ihnen, Freundin, hier nicht, deute aber an, daß Sie die Person nie und nimmer als Held verstehen würden. Was er aber ist, und zwar so wie auch so.

Gut, die Triestbriefe also, erstmal am Morgen. Und mittags kommt, weil er morgen eine Veranstaltung in der FU hat, doch heute schon in Berlin ist, Martin R. Dean zu Besuch. Das wird ein feines Plaudern mit sicherlich offenem Ende. Wir haben uns sehr lange nicht mehr gesehen, lernten uns 1983 kennen, als wir beide in Klagenfurt lasen. Eine Freundschaft entstand daraus, Autorenfreundschaft; ich habe einer seiner großen Figuren eine Hommage in den → Wolpertinger hineingeschrieben, sie tritt da selber auf. – Nachdem ich nach Berlin gegangen, schlief die Freundschaft leise ein, wobei sie denn noch Fortbestand hatte. Das ist bei mir in der Regel so, und bei den andern.

Gut, meine Freundin, jetzt der Joghurt und alles, was ich eingangs beschrieb.

Ihr ANH

 

 

Ach so: Klasse Diskussion zu den → Béarts gestern bei Facebook, → dort.

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