Das Abenteuer Psychoanalyse. (2).

Lustige Fantasie gerade eben: Ich hätte, als ich meinen Analytiker suchte, auch bei >>>> Troll-Y vorgesprochen und wäre von ihm als “nicht analysefähig” abgelehnt worden, wie mir das indirekt einmal geschah, als ich, damals noch auf der Suche, die ich mit sieben Terminen innerhalb von vier Tagen erledigte, bei einer (West)Berliner Psychoanalytikerin vorsprach. Die anderen drei Termine ließ ich sausen, denn ich f a n d ja vorher. Kaum jedenfalls öffnete diese Dame ihre Tür, ging es mir in asexuellstem Schauer den Rücken hinunter: so die Marke Schottenrock mit Goldnadel drin, ein ersatzhalber-Piercing, um zu bedeuten, daß sie unentwegt die Möse zukneift, damit ja bloß nichts rausläuft und schon gar nichts hineinkommt. Das ist ein symbolischer Akt, der davor schützt, daß man sich das Geschlecht real zusammenpiercen, gleichsam -tackern läßt. “Psychoanalyse als Phallusersatz” fiel mir erst ein, dummerweise, doch ich korrigierte das gleich, denn den Phallus s c h e u t e sie gerade. Deshalb trifft “Psychoanalyse als Kastrationsunternehmen” es ausnehmend besser. Und wie sie mir dann einzureden versuchte, ich hätte es doch bislang auf sehr geschickte Weise auch o h n e Therapie geschafft, das sei ganz gewiß nicht mein Weg. Sie war völlig in Panik, die Frau, daß ihr ein Etwas wie ich auf die Couch fallen könne. Um sie nicht weiterzuquälen, stand ich auf und sagte: “Wissen Sie, Frau Dr. Soundso, ich denke ohnedies nicht, daß wir passen.” Und ging. Ihr Handgriff, erinner ich mich, war starr, denn ich hatte ihr nicht nur Furcht gemacht, sondern auch noch die rächende Pointe verdorben.

Diese Geschichte hat freilich nur indirekt mit Troll-Y zu tun, den jemand aufgrund seiner Einlassungen in Den Dschungeln folgendermaßen characterisierte: “Jemand vom Fach, traditionelle PA, etwa von den Theorien der 70er, vielleicht auch noch 80er Jahre geprägt.” M i r fiel nur ein: Wahrscheinlich ein approbierter Arzt, weil Psychoanalytiker-Ärzte entweder – zu allergeringstem Teil – zur psychoanalytischen Elite gehören, oder aber sie sind auf eine Weise zwar gütig, aber doch theoretisch derart ungebildet, daß es einen graut. Das liegt an der im Vergleich zu psychoanalytisch arbeitenden Psychologen erheblich kürzeren Ausbildung. Aber bezüglich Troll-Y sind das meine F a n t a s i e n, man kann sich bei solcher erich-fromm-haftigkeit schon mal irren. Und da er anonym bleiben möchte (wahrscheinlich damit ihn m e i n Analytiker auf einem Kongreß nicht erkennt), muß ihn das nicht kümmern. Jedenfalls gibt es Therapeuten, die ungezogene Kinder wie mich nicht behandeln. (Ich stell mir gerade Klaus Kinski vor: Da muß man ja Angst um das Couchleder haben. Und erst recht um den Schottenrock.)

[À propos Analyse: Interessant, daß ich beginne, Schreibweisen wieder aufzunehmen, die ich mir um die zwanzig herum angeeignet habe: etwa characterisiert mit ‘c’ zu schreiben.]

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16 thoughts on “Das Abenteuer Psychoanalyse. (2).

  1. Sehr geehrter Herr Herbst, ich muss sie beruhigen. Ich bin kein Arzt. Was ich vermisse ist was meinen Sie? – Sie, nicht ihr Buch oder irgendeine Theorie.
    Nun meine Kollegen und Kolleginnen wissen schon sehr genau wer ich bin und ich möchte Ihnen den Kommentar von einer Kollegin nicht vorenthalten:

    Warum gibt es in dem Text noch kein Ich? Noch immer tief verwickelt im
    Horrordreieck? Die wunderbare Kreativität wirkt leider so destruktiv. Die
    Enttäuschung, sich nicht angenommen zu fühlen, und vor allem sich selbst
    nicht annehmen zu können wird spürbar. Hat der Autor am Ende einen dicken
    Groll in der Hose, der in wichtigen Momenten unwirksam bleibt? Auch dieser
    Aspekt wird anderen überantwortet. Aber schön finde ich sein wildes
    Engagement und sein sich suchen, allerdings im anonymen Raum der
    Webl-Sphäre. Ob er sich wirklich ernst nimmt? Gruß von B

    1. Lachend. Ist B schön? Aber mal im Ernst: Es geht ja gerade darum, das fixierte Ich zu verflüssigen, also es aus der Bloggosphäre ebenso herauszunehmen, wie aus der Kunst, deren Tod immer das persönlich Bedingte war. Gerade die Tagebuch-Rubrik in Den Dschungeln führt das zugunsten eines entstehenden Figur vor. Ein Leser schrieb mir privat dazu das Folgende:

      Die Perfektion, mit der Sie das Projekt umsetzen, geht soweit, dass Sie – versuche ich Sie als realen Menschen dahinter zu erblicken – die Konturen verlieren und in der Realität sich verwischen. Der fiktionäre Herbst ist schärfer, geschaffener als der reale – will man denn diese Unterscheidung überhaupt treffen.
      Ich bin darauf, etwa >>>> h i e r, in der Kleinen Theorie des Literarischen Bloggens bereits mehrfach eingegangen. Wohl darauf , u. a., bezog sich der Leserkommentar von heute vormittag.

      Wenn Ihre Kollegin die hier waltende Kreativität als destruktiv erlebt, dann mag das durchaus daran liegen, d a ß sie etwas zerstört – aber, immerhin, dafür etwas anderes s e t z t. Wenn sie es auch noch durch Gestaltung zu greifen versucht. In der Tat glaube ich, daß unsere tradierte Ich-Imago eine ist, die verflüssigt werden muß. Das tut den Grenzen ihrer weh. Ich habe also für diese sagen wir Skepsis zugleich alles Verständnis, wie ich ihm doch nicht zuspielen mag.
      Übrigens ist die Bemerkung, er habe “einen dicken Groll in der Hose”, gegenüber einem dominanten Mann eine rundweg entzückende Formulierung; bitte leiten Sie mein Kompliment an B weiter, es ist ohne jede Rancune gemeint.

    2. Das Hineinschleichen des verflüssigten Ichs Ich muss Ihnen vollkommen zustimmen, wenn Sie schreiben: “das fixierte Ich zu verflüssigen, also es aus der Bloggosphäre ebenso herauszunehmen,wie aus der Kunst, deren Tod immer das persönlich Bedingte war”.
      Ich sehe nur ihr persönliches Ich auf einer ganz bestimmten Ebene hier wesentlich fixierter und präsenter als es zunächst erscheint. Dieses versuche ich immer wieder darzustellen. Sie erscheinen mir durch diesen Blog auf eine bestimmte Art und Weise näher als wenn ich Sie persönlich treffen würde.
      Das von mir immer wieder erlebte Übertragen der Neurose, d.h. das hinausdrängen dieser in den Blog erscheint mir das Ich noch fixierter darzustellen als wenn ich z.B. etwas persönlich mit Ihnen besprechen würde. Ich kann Sie wohl als einen realen Menschen hinter den Konturen erblicken. Sehr richtig schreibt der Leser: “Der fiktionäre Herbst ist schärfer geschaffen als der reale”. Ich sehe sie aber real in dieser Schärfe! Und mit ein wenig Kenntnis und Einfühlungsvermögen wird ihr Ich hier so überpräsent, das ich immer ketzerisch ein Übertragen von Neurosen anprangere – auch wenn sie das nicht wollen. Von daher immer meine Frage, was bleibt da noch als Kunst nach der PA?

      Meine Kollegin ist selbstverständlich von großer Schönheit

    3. Das ist ein großes Kompliment. Das Sie mir da machen. Denn sehen Sie einmal: Es fehlt, um mich real zu sehen, so vielerlei fast-alles: Gerüche, Gestiken, Blicke, kurz: das sinnliche, das uns eigentlich ausmacht. (Ich achte den Geist erheblich geringer als den erotischen Körper, denn er, anders als dieser, ist mir kein W u n d e r.) Wenn nun Die Dschungel es vermögen, Ihnen dieses Manko so zu verwischen, daß Sie den realen Eindruck einer Person erhalten – mögen Sie sie nun leiden oder nicht -, dann entspricht das den Leistungen der allerhöchsten Vorstellungskraft und ist von m i r (na ja: von den Bewegungen der Poesie) erzeugt. Dann wäre ich für Sie wie für mich sagen wir Sherlock Holmes ist oder Nikolai Stavrogin oder Settembrini. Denn die Realität daran ist ja recht eigentlich eine künstlerische Täuschung, bewirkt vom mentir-vrai Aragons.

      Und Ihre Frage beantworte nicht ich, sondern dafür sind meine Bücher zuständig. Die sich ja erwerben oder ausleihen lassen. Es werden, auch nach Abschluß der Analyse, sofern es so etwas gibt, noch viele weitere erscheinen – zumindest aber geschrieben werden und, wenn es der Literaturbetrieb so fügt, notfalls, aber dann auf jeden Fall, im Netz erscheinen.

      P.S.: Über die Identität historischer und fiktiver Personen schrieb ich anderswo in Den Dschungeln. Ich mag jetzt nicht suchen.
      P.P.S.: Ihr letzter Satz schenkt mir Träume.

    4. Nachtrag.
      Das Subjektive des Weblogs ist insofern nichts als ein Schein des Subjekts, nämlich seine verdinglichte Illusion.
      Sie finden den genauen Gedankengang >>>> hier. Ich hab ihn später bewußt (künstlerisch) affirmiert. Als ich das “Tagebuch” begann.

    5. Ich muss Sie leider enttäuschen sie schrieben von einem verflüssigen des Ichs. Ich betonte, dass ich Ihr Ich in einer gewissen Weise durch den Blog von Ihnen klarer dargestellt bekomme, als wenn ich Sie persönlich treffen würde. Diese Schärfe ist ein Teil Ihrer Realität. Somit sehe ich sie real und nichts von dem Ich hat sich verflüssigt. Es ist eine neue Realität ein neues Ich – scharf abgegrenzt. Wenn ich Ihre Bücher lese sehe ich wieder einen anderen Herbst. Wenn ich Sie persönlich sehe wieder einen anderen.
      Nun versuche ich mit dem hier vorhandenen Alban Nicolai Herbst umzugehen. Da erlebe ich, dass sich hinter einer Aussage das Ich verflüssigen zu wollen vielleicht ein guter Vorsatz verbirgt, ich sehe jedoch wenig Möglichkeit der Realität. Was ich sehe ist ein nicht “Einlassen – (können?)” auf das was ich schreibe und das lasse ich mir nicht als eine Verflüssigung des Ichs verkaufen. Ich sehe darin nur eine große Einsamkeit und die Suche nach einer Person die annimmt. Nur die Person müssten Sie selbst sein. Das ich zu fühlen und nicht mehr die Suche nach dem äußeren Ideal (schöne Frau = idealisiertes Mutterimage??) wäre vielleicht ein guter Ansatz, sein Ich nicht mehr verflüssigen zu müssen, sondern sein Ich in der selbst geschaffenen Welt (Blog) verflüssigt wahrzunehmen und sich dann auf die Fiktionen der Realitäten einzulassen – ohne Angst.
      Nun noch zu der Psychoanalytikerin in Berlin (in solchen Texten verwischen Sie das verflüssigte mit einem anderen ich – und jetzt gehe ich auch darauf ein). Viele Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker wären mit Ihnen kognitiv überfordert oder würden Sie als anstrengend empfinden (das hat nichts mit der PA Ausbildung zu tun, die übrigens für Ärzte und Psychologen gleich ist) sondern sicher auch mit den kognitiven Fähigkeiten der Menschen. Andere versuchen vielleicht in den Erstgesprächen herauszufinden wie es mit Ihren Möglichkeiten steht “Kränkungen bzw. Zurückweisungen” auszuhalten. Andere wollen ein “easy going” bei dem sie nicht so viel Nachdenken müssen und andere wiederum lieben gerade das.
      Letztendlich haben Sie doch richtig reagiert und sind gegangen.
      Was ich jedoch dabei sehe, ist das Sie bei diesen Texten den “Literaturbetrieb und Blog verlassen und immer dann werden Sie besonders klar für mich. Gehe ich darauf ein, kommt der Literaturbetrieb. Gehe ich auf den Literaturbetrieb ein kommt die PA. Das ist offensichtlich ihr klar dargestelltes Ich – ganz fest und wenig verflüssigt.

    6. Lächelt. Das ist eine g u t e Replik. Einerseits. Aber sie greift zu kurz, andererseits. Wir gingen in dieser Diskussion von Rilke aus und daß er fürchtete, ihm werde durch die Psychonalyse die Kreativität – genauer: das movens der Kreativität – genommen; und Sie, sozusagen, warnten mich, es werde nun m i r so gehen, ließe ich mich auf eine Psychoanalyse ein. Diese Warnung hielt und halte ich für grundlos. Dabei ist es wahrscheinlich wahr, daß ich die Literatur und dann sehr bald den Literaturbetrieb, nämlich weil er nicht aufnahm, für eine Art Übergangsobjekt angesehen und ihn, anstatt ihn zu bebuhlen, angegriffen habe; auch wahr ist, daß ich auf ihn – statt auf die symbolische Mutter – fixiert geblieben bin. Das hatte sein Gutes, denn ohne diese Fixierung und die Kraft, mich gegen die Ablehnung durchzusetzen (mit dieser Kraft war immer der falsche Gedanke verbunden, es komme nur darauf an, n o c h besser zu werden in dem,was ich tat – es ging und geht mir nicht in den Kopf, daß Qualität keine Rolle spielt), stünde mein Werk heute nicht so massiv da, so unverrückbar und, worauf ich stolz bin, in seiner konsequenten “kybernetischen” Ästhetik ziemlich einzigartig. Es hat schon seinen Grund, daß ein an der allgemeinen Öffentlichkeit gemessen doch kaum bekannter Mann wie ich unterdessen im Brockhaus steht. Das ist freilich das Eine, das Andere ist die das Persönliche, nämlich die unentwegte narzisstische Kränkung, die ich von denjenigen hinnehmen muß, die hierzulande über die, sagen wir, künstlerische Wohlfahrt eines Menschen entscheiden, und zwar nach Maßstäben, zu denen neben ihrer Sachkenntnis einiges an korrupter Energie gehört. Auch das erinnert an meine Mutter, die, als wir halbwüchsig waren, meinem verstorbenen (jüngeren) Bruder und mir untersagte, die Hakenkreuze wegzuwischen, die jemand neben ihr Praxisschild (v. Ribbentrop) gemalt hatte: “Das bleibt stehen, es bringt uns Kunden.” Es ist ganz gewiß gut, mich von ihr und damit dem Betrieb zu lösen.
      U.a. vermittels Der Dschungel beginne ich gerade damit, auch wenn das meine finanzielle Existenz endgültig zerstören kann. Ich bin jetzt 50, und man wird mich für eine neue Berufsausbildung nicht mehr nehmen; jedenfalls keine akademische; ich wüßte auch gar nicht, wie ich ohne Literatur auskommen sollte. Und um in die Dritte Welt zu gehen, wohin es mich zieht und jeder Helfer benötigt wird (ich habe keinerlei Problem mit körperlicher Arbeit), bin ich zu sehr Vater: Bei alledem ist ja mein fünfjähriger Sohn auch noch da und hat Anspruch auf meine liebende, schützende und auch fordernde Gegenwart.
      Die Verflüssigung des Ichs findet dennoch statt: die Bewegung schafft Figuren, Charaktere, Schicksale; wäre das Ich starr, schriebe ich wie Thomas Bernhard. Daß dahinter Probleme liegen, die in die Werke ausstrahlen (aus denen ich bis zu meinem verbotenen Buch jedes deutlich Persönliche strikt heraushielt), scheint mir so ausgemacht wie notwendig zu sein; mich darum auch ästhetisch zu kümmern, also bewußt, begann ich erst, als ich anfing, einen lange gehegten Plan in die Verschriftlichung umzusetzen: nämlich meine “Ästhetische Theorie” zu schreiben. Also begann ich Die Dschungel. Hielt anfangs auch hieraus des Private noch weg, wenn man von den Reflektionen zum verbotenen Buch einmal absieht, die aber ebenfalls immer einen Zug ins Allgemeine haben, ins Verallgemeinerbare. Doch wurde mir allmählich klar, daß eine Ästhetik, die zugleich ein Kunstwerk, vor allem aber auch Produktivitätstheorie sein soll, ohne das Private gar nicht auskommen k a n n – und ich eröffnete das Tagebuch, das nun immer wieder Bezüge herstellt zwischen sich und den anderen Rubriken. Wer so etwas konsequent verfolgt, kann schließlich nicht umhin, auch seine Psychoanalyse zu thematisieren (oder irgend eine andere Therapie, wenn er sich denn einer oder dieser unterzieht). Es ist von daher nicht nur ein Spiegel ersetzender Triangulation, sondern objektive Notwendigkeit zugleich. Mir ist allerdings klar, daß sich hierdurch diese Fixierung einerseits perpetuiert; andererseits löst sie sich aber auch davon: Ich hatte niemals so viele Leser wie nun, meine Arbeit war niemals derart präsent wie nun, da ich im Netz publiziere. Es ist von anderen Dichtern kaum besetzt, der Literaturbetrieb rümpft darüber die Nase und merkt gar nicht, wie irrelevant er allmählich wird. Seine Relevanz für einen modernen Dichter besteht nur noch in der (quasi-mütterlichen) Versorgung; ästhetisch aber ist es mit ihm aus.

      Das ist jetzt aber nur eine unter vielen anderen Seiten meines “Ichs”, das mir auch nach wie vor höchst fragwürdig ist und von dem ich bereits mit zwanzig sagte: “Ich ist Literatur”. Damit wir uns richtig verstehen: “Ich” kann auch Wissenschaft sein, kann Bergsteigen sein, kann die Liebe zu einem Handwerk sein; es ist aber, w e n n es ist, notwendig mit einer Leidenschaft verbunden und also mit etwas, um Saint-Exupéry zu zitieren, gegen das man sich austauschen kann. Zu einer wiederanderen Seite gehören, wie Sie bemerken, Frauen. Möglicherweise stimmt es, daß “die schöne Frau” inneres Produkt (m)eines Mutterideales ist und insofern eine fée fatale wie Lan-an-Sìdhe, die irische Vampirin, die sich nur Dichtern hingibt und ihnen Inspirationen schenkt von großer leuchtender, auch bleibender Macht, zugleich aber saugt sie die Dichter a u s. (Ich habe ihr eine große Passage im WOLPERTINGER gewidmet.) Und es kann sein, daß ich, von der Warte einer pragmatischer Alltagsbewältigung aus gesehen, besser o h n e sie führe. Aber die schönen Frauen erden mich. Und neigen sich mir zu, immer noch, wieder und deutlich mehr als anderen Männern schon gar meines Alters, es ist ein beseligendes Göttergeschenk, auch wenn sie unterdessen selten lange bleiben. Doch habe ich eine 17jährige Partnerschaft hinter mir (mit einer Psychoanalytikerin übrigen; wir haben bis heute den allerinnigsten Kontakt) und eine knapp sechsjährige; in meiner Kontinuität bin ich von anderen Männern insofern nicht verschieden. Aus der letzten engen Verbindung sproß mein Sohn; er setzte imgrunde meine Auseinandersetzung mit “mir selbst” erst in Gang – und mit meiner Geschichte, in die ganz enorm noch immer Nazi-Deutschland seine bösen Schatten wirft). An die Mama meines Jungen bin ich bis heute so liebend wie vergeblich gebunden; es ist, als wollte ich etwas wieder zurechtrücken, das mit der Trennung m e i n e r Eltern (ich war da vier) einiges zu tun hat. Daß das nicht geht, weiß mein Kopf. Ich muß es f ü h l e n lernen. Und bringe es gerade meinen Figuren bei. Nie schrieb ich so viel über Sterben, Trennung, Abschiede wie derzeit in ARGO oder meinen Erzählungen. Möglicherweise ist das ein künstlerischer Reflex auf Veränderungen, die sich durch die Psychoanalyse in mich eingebettet haben; wäre dem so, wäre es die allerschönste Widerlegung der rilkeschen Furcht. Sehen Sie, nun haben wir auch eine Formklammer in diesem viel längeren Text, als er eigentlich sein sollte. Es wäre dann Rilke geantwortet: Die Produktivität wird durch eine Psychoanalyse sehr viel reicher. Und Ihnen. Und vorgeführt.

    7. Charles Sanders Peirce. Definierte einst – ich weiss nicht mehr wo – das “Zeichen” als Instruktion zu einer Handlung, die schliesslich Gewohnheit wird. Wenn Sie nun sagen “Ich ist Literatur”, brauchen Sie nur “Ich” zu denken und schon treibt es Sie an den Schreibtisch. Darum habe ich keine Bange, dass Sie die Psychoanalyse aus der Literatur heraustreibt. Es sei denn, Sie hören auf, “Ich” zu denken. Oder Sie unterziehen sich einer Umgewöhnung.

      [Kleine semiotische, auch augenzwinkernde Zwischenbemerkung.]
    8. Das beschreibt. Eine andere Seite, einen anderen Grund meiner diesbezüglichen Furchtlosigkeit.

      (Daß ich auch Ängste habe, existentielle, “irrationale”, ist davon unbenommen. Mit denen umzugehen, lehrt mich die Psychoanalyse. Mit ihnen u m z u g e h e n, wohlgemerkt. Sie an den Tisch zu bitten und mit ihnen zu speisen. Mich zu mögen, wie ich bin. In der Betrachtung meiner Figuren und in der von anderen – realen – Menschen macht mich das milder. Und trauriger.)

    9. Hinauswachsen vielleicht – so habe ich nun die Phantasie – hätte es Ihnen wie Rilke ergehen können, wären Sie bei der erstgenannten Psychoanalytikerin geblieben. So ist es mit der Wahl der Beziehungen. Ihre primären Objektbeziehungen konnten Sie sich leider nicht so aussuchen.
      Das sie zu den Ex-Freundinenen/Frauen einen “intimen oder innigen” Kontakt pflegen ist mir schon klar. Trennungen? – Das hatten wir schon einmal – Sie erinnern sich – Nähe kommt aus der Distanz! Trennung von der/den Mutter/Müttern bedeutet auch zu sehen was in diesen Beziehungen mit Ihnen wirklich passiert ist. Aber beschrieben Sie nicht schon in dem Buch (welches mir u.a. sehr gut gefällt) “Die Orgelpfeifen von Flandern” einen Suizid?
      Ich empfinde Sie auch als einen Schriftsteller. Folglich ist auch Ihr Ich Literatur. Jedoch warnte ich Sie nicht, sondern fragte wiederholt was denn wäre wenn – wie Sie dazu stehen – das war mein Interesse. Gerade weil mir von Anfang an klar war, das Ihr Ich Literatur ist!

      Ist es ein wirklich so beseligendes Göttergeschenk den Frauen zunächst so viel zu bringen und wenn diese erleben dass sie das nicht ewig idealisieren können werden Sie – mehr oder weniger – verdammt bzw. verlassen?? Ich empfinde dieses – welches ich sehr genau kenne – nicht mehr als Glück. Es macht mich eher traurig. Es ist so einfach eine Reihe von Menschen/Frauen zu wissen welche einem immer noch huldigen und über alles “Genial” finden und letztendlich die eigentlichen Beziehungen wo anders leben.

      Die Produktivität wird nicht durch die PA reicher – sondern durch kreative Beziehungen, zu denen auch die PA gehören kann.

      Vielleicht geht es um das Einlassen in die eigene Person – bei Ihnen in das Literatur/Schriftsteller-Ich – ohne zunächst auf die äußeren Objekte angewiesen zu sein. Dann sehe ich auch eine Möglichkeit dieses verschwimmen zu lassen! Es könnte jedoch sein, dass dann die vielen Mütter um Sie herum sie nicht mehr so unruhig machen.
      Dann sehe ich es genau so wie meine Vorredner hier. Wobei ich der Meinung bin, dass man Ich nicht Denken sondern fühlen sollte!

    10. Unser Gespräch ist sehr wohltuend geworden, finde ich. So sind wahrscheinlich die meisten guten Gespräche: Sie tragen a u s.
      Nein, das ist vorbei, daß ich – bzgl. Trennungen – Frauen im allgemeinen, wenn es vorbei ist, eine Form von Beziehung noch halte. Eher im Gegenteil. Nur bei Do ist das anders und, aus gänzlich verschiedenen Gründen, bei der Mama meines Jungen. Idealisierung ist übrigens eine meiner Stärken, ich kann sie bei einer Frau (oder einem verehrten Künstler) nach Jahren noch halten. Die Idealisierung des anderen bringt einen Rausch der Vereinigung, der bei eher pragmatischer Sicht gänzlich ausbleibt. Nur bin ich nicht immer leicht im Umgang, und ich bin (sexuell) nicht treu. Ich werde mich daran gewöhnen müssen, daß das Konsequenzen hat; deshalb – im übrigen und unter anderem – schreibe ich im Tagebuch auch darüber. Jede an mir interessierte Frau kann es lesen, ich belüge sie nicht. Mich unterscheidet diese “Treulosigkeit” übrigens von anderen Menschen nicht, nur stehe ich, auch öffentlich, zu ihr; Sexualität verliert bei Gewöhnung an ein einziges Liebesobjekt mit der Zeit ihre Lockung. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um einen Natur-Prozeß. Aber “Treulosigkeit” holt das Fremde ins Vertraute immer wieder hinein – sofern sie nicht so verletzt, daß eine Beziehung zerbricht. Was dann meist an internalisierten Eigentumsvorstellungen liegt. Grob gesagt, denn es ist komplizierter (etwa spielt die symbolische Wiederherstellung eines Elternhauses eine Rolle dabei). Ich meinerseits komme mit “Treulosigkeit” von Frauen ausnehmend gut klar, allerdings nicht, während sie geschieht, da bitt ich darum, mir den konkreten Fall nicht zu erzählen. Ist es vorbei, sind meine Arme offen, und, ja, meine Tränen fließen (die ihren meist auch). Vereinigungen hiernach sind bisweilen die tiefsten. Ja, es tut weh, verdammt und verlassen zu werden, für immer verlassen, wohlgemerkt. Es ist eine Art von Tod, die böser ist, als stürbe jemand wirklich. Denn dann ist er ja weg oder geht als etwas Anderes in den Kreislauf ein. Aber so weh es auch tut: schlimmer ist, sich in eine Liebe zu fügen, die ohne Eros dahinfließt und die der Alltag mit seinen Waschmaschinen bestimmt. Wer das tut, den hat die Angst besiegt.

      “Die eigentlichen Beziehungen”: Wissen Sie, Heine, jetzt sprechen Sie wie der Steppenwolf, h ä t t e er gesprochen da auf der Treppenflurkonsole, als er dem “normalen” Leben von hinter der rechten Wohnungstür lauschte. Die eigentlichen Beziehungen sind, im allgemeinen, ganz furchtbar arm. Es ist wie mit den Vulkanen, an deren Krater sich die Menschen nicht trauen (und die zu besteigen bei uns einen ganz gewiß eine polizeiliche Vorschrift abzuhalten sucht): Wer an die Lebensenergie heranwill, wer das Brodeln, die Erschütterung, den Gestank, die Hitze und die Furcht, die sie bereitet, spüren will, der geht das Risiko e i n, dabei umzukommen. Oder verlassen zu werden. Und dann zu leiden. Das i s t so. Man muß sich nur entscheiden, zu welcher Sorte Mensch man gehört. Wenn ich aber da s t a n d, oder wenn ich mit zweidrei Freunden trotz Ausgehverbots nachts durchs besatzte Ramallah spazierte, jederzeit gewärtig, daß geschossen werden könne, oder als Do und mich im Kruger Park schleichend diese Büffelherde umringte, drohend, immer drohender und von einer atembreraubenden Präsenz, so daß man ganz ganz langsam durch dieses Meer fuhr, im Schritt, bis in jede Sehne gespannt – dann fühlte ich in der Tat: Ich.

      Also ich w i l l idealisieren, w i l l verehren, aus dieser Bewegung entsteht die Intensität meiner Kunst wie auch die meiner körperlichen Vereinigungen. Ich muß “nur” lernen, auch die Konsequenzen zu akzeptieren, libidinöse Konsequenzen, zu den das Verlassenwerden gehört. Das ist nicht leicht. Das ist schmerzhaft. Aber Lan-an-Sìdhe schwebt ja nicht grundlos immer so nahe bei mir. Andere Dichter von meiner Natur sterben sehr früh,auf die eine und/oder andere Art, nicht selten ist Alkohol im Spiel. Ich habe das Geschenk dieses jugendlichen, fast mackefreien Körpers und könnte, wenn ich jetzt nicht wieder allzuviel rauche, in den Neunzigern ein Gesicht wie Picasso haben. Dafür lohnt es sich doch, finden Sie nicht?

      Und was die Traurigkeit anbelangt, von der etwas weiter hierüber Hediger sprach, so mag ich eben nicht verleugnen, daß Abschiede wehtun, auch wenn sie zum Leben dazugehören. Das ist seine traurige Seite, die wir aber schmücken können, ob nun hiermit: tristanakkordoder ob mit einem verbotenen Buch. Die andere Seite (eine d e r anderen Seiten) empfängt man auf der Rotunde der Villa San Michele stehend, eine wieder andere beim Sundowner überm Oliphants River. Oder am Heiligen See im Souterrain der Jama Masjid in Bombay.

    11. Danke für die. Ausführungen. Ich verstand Ihre Traurigkeit nicht, weil Sie Zeilen zuvor vom Umgang mit Ängsten sprachen. Doch jetzt ist auch dieser Zusammenhang deutlich geworden.

    12. @ troll-Y. Aber, verzeihen Sie, ich bin darüber hinweggegangen, daß Sie ein eigenes Leid ansprachen in Ihrem letzten Kommentar. Indem ich Sie als Heine literarisierte. Sie sollten wissen, daß es mir immerhin merklich gewesen ist.

    13. Ihre Freiheit @Herr Herbst
      Sie sprechen mir im obigen Text ein wenig aus der Seele. Ich erlebe Sie als sehr treuen Menschen – auch im Hinblick auf die Sexualität. Treu sind Sie sich selbst und können das auch nur sein. Das was viele Menschen “Treue” nennen beinhaltet eine Selbstaufgabe und damit sind sie der für sie wichtigsten Person untreu. Das wird oft als Treue bezeichnet, ist real aber nur eine Abhängigkeit von einem anderen Objekt. Mich wundert insofern, dass Sie sich als untreu bezeichnen.
      Auch die Idealisierung hat eine große schöpferische Kraft. Ohne diese würde es keine wunderschönen und oft extremen Dinge des Lebens geben – und auch so meine ich, keine wahre Kunst sondern eher “Kommerz”!
      Ich möchte Ihnen beschreiben – vielleicht erklärt das ein wenig meine Person und Position – , dass Sie nicht alleine dastehen mit verbotenen Büchern. Diese Verbote gibt es immer, wenn man den “konventionellen Pfad” verlässt und Personen involviert die diesen – obwohl sie es vielleicht liebend gerne würden und Sie dafür idealisieren – nicht verlassen können. Ich möchte kurz persönlich anmerken, so wie ich Sie hier schreiben und kennen gelernt habe, darf ich mich nicht beschweren wenn ich in einem Ihrer Bücher auftauche. Das sollte ich dann schon aushalten – oder Sie meiden. Das meiden kommt dann aber häufig zu spät und verursacht ein unnötiges Leid.
      1994 gab es in einem groß angelegten Artikel der Psychologie Heute einen Artikel über eine am 17. Juni 1993 ausgestrahlten Fernsehbericht des Westdeutschen Rundfunks einen Bericht. Die Sendung hieß: “Die Psychoanalyse frißt ihre Kinder”. Darin haben sich Paul Parin, Horst-Eberhard Richter, Wolfgang Loch und ca.35 weitere Analytiker kritisch zu dem psychoanalytischen Ausbildungsritual geäußert. Es ging um die Frage: Ist die Psychoanalyse und die psychoanalytische Ausbildung ein autoritäres (sektiererisches) Zwangssystem. Bei den Recherchen zu dem Film lehnten fast alle befragten Analytiker eine Aussage aus Angst vor Repressalien ab. Nun, Cremerius und Parin haben sich geäußert. Parin erkannte man daraufhin die Anerkennung für sein Institut ab und Cremerius wurde als zu alt und verrückt geächtet, Richter zog seine Aussage (ich finde feige) zurück – bzw. stimmte einem Abdruck seiner Aussage nicht zu.
      Sehen sie diesen Beitrag auch ein wenig unter dem Aspekt Ihren Annahmen über meinen Kenntnisstand und vielleicht erschließ sich nun ein wenig, warum ich – gerade bei Ihnen – ein wenig die PA kritisch hinterfragte.

    14. Das Problem ist. Daß sich “die Betriebe” so fürchterlich gleichen. Aber für den Literaturbetrieb ist ebensowenig die Literatur verantwortlich zu machen wie die Psychoanalyse für ihre zwei großen Verbände… nun gut, manches an ihr und ihnen (und an den Autoren und den Analytikern) wohl s c h o n, aber insgesamt erinnert das Verhältnis an jenes meist ungute von Religion und Kirche.

      Was mich an der Psychoanalyse – unabhängig, wenn auch damit verbunden, von meiner eigenen Therapie – so fasziniert, ist der Umstand, daß ein Mythos a l s Mythos objektiv wahrheitsbildend ist, im Fall der psychoanalytischen Therapie: daß er Heilkraft besitzt. In meiner Poetik nenne ich das immer mal wieder (logischer Gruß an Essler und Trapp) die Wahrheitsfunktionalität von Fiktionen; w i e sehr sie durchschlägt – bis hin zu auch furchtbaren, n i c h t nur segensbringenden Folgen – habe ich in meinen Jahren an der Börse erlebt. Zum Neo-Mythologischen an der PA sehen Sie sich mal >>>> d a s an, sofern Sie den Text nicht ohnedies schon kennen. Interessanterweise benimmt das dem Verfahren n i c h t s. Man kann also aufgrund eines unwillentlichen oder willentlichen Irrtums, den man im letzten Fall eine Täuschung, vielleicht sogar einen Betrug nennt, zu realen Erkenntnissen gelangen. Das wiederum schließt geradezu organisch an Aragons le mentir-vrai a n und haut den, hätte Adorno sie genannt, Positivisten ganz schön was auf die Finger. Denn wir können nicht nur, sondern müssen jetzt sogar denken: Was, wenn man sich n i c h t geirrt hätte? Die praktischen Folgen aus solchen Gedankengängen sind unabsehbar und landen schließlich, denke ich derzeit, in dem, was ich für die Kunst “kybernetische Ästhetik” nenne. Letztlich stellt es all unsere Sicherheiten nicht nur auf den Kopf, sondern gibt sie in eine Wachmaschine und schaltet die Zentrifuge an.

      Feige. Ja. Feige sind die meisten. Es ist aber auch s o w a s zum Kotzen!

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