Arbeitsjournal. 19. August 2006. Bamberg – Berlin.

5.20 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg.]
Um acht nach fünf auf, Dickes übergezogen, es ist viel zu kalt für die Jahreszeit, hab mich erkältet deshalb, zwei lange Tücher wieder übern Schädel, so geh ich für eine Stunde an die Sechste Elegie, bevor ich dann anfang, die Sachen für Berlin zusammenzusuchen. Um halb neun müssen wir aus dem Haus.
Der Verlauf der kommenden Woche ist mir noch unklar, ich darf nicht zu lange wegbleiben von hier, will ich mein Stipendium nicht gefährden. Andererseits will ich am Montag zur Einschulung meines Jungen in die 2. Klasse in Berlin und auch am Mittwochnachmittag zugegen sein, wenn er seinen ersten Instrumentenunterricht bekommt; und ich habe diese nächste Steuererklärung fürs Finanzamt vorzubereiten. Wahrscheinlich fahr ich am Montagmittag wieder hierher, bleibe über den Dienstag, fahre Mittwoch früh wieder nach Berlin, bleibe vom Mittwochnachmittag bis zum Freitag dort für die Steuer, hole Freitag nachmittag den Jungen und fahr gemeinsam mit ihm nach Bamberg. Da Fahrtzeiten im Zug Arbeitszeiten sind, ist das nicht grundsätzlich schlimm, halt nur verworren. Organischer wäre es, ich bliebe die nächste Woche insgesamt für die Steuer und den Jungen in Berlin und führe mit ihm gemeinsam am Freitag fürs Wochenende her; danach liefe alles wieder wie v o r den Schulferien: Montag vormittags bis Freitag früh in Bamberg, dann nach Berlin, um entweder den Jungen nachmittags mit nach Bamberg zu nehmen oder das Wochenende mit ihm in Berlin zu verbringen. Hat jemand Familie, dann sind solche Aufenthaltsstipendien problematisch – jedenfalls, wenn für ein Kind die Schule bedacht werden muß.Dabei fällt mir ein, daß ich mal beim >>>> Literaturfonds in Darmstadt anrufen sollte, ob es sinnvoll ist, mich dort wieder zu bewerben. Ich war vor zwei Jahren gewarnt worden von jemanden, den ich, um ihn hier nicht zu denunzieren, nicht nennen will: bei d e r personalen Zusammensetzung der Jury hätte ich derzeit keine Chance, „lassen Sie’s momentan bleiben, seien Sie klug“.

7.11 Uhr:
Geht gut weiter. ABER: Immer wenn ich lese, was ich schrieb, kommen mir Zweifel. Zwar, die Elegien sind schön, wunderschön manchmal, und sie meinen auch, was sie sagen – aber ich denke noch und noch: Ist das denn modern? Ist das nicht alles epigonal-verschwiemelt? Darf man so schreiben, so dichten? Darf man es historisch? politisch? Wem spielt man sich zu? und bekommt womöglich von der falschen Seite die Klatscher. Ich drückte das gestern sowohl gegenüber LH als auch >>>> parallalie aus. Er antwortete: „links wird man dich streicheln und rechts hauen. (ist nicht politisch gemeint).“ Aber dieses Nichtgemeinte macht mir Sorgen. In der Prosa, die sichtbar modern ist, vielleicht manchmal z u radikal, hab ich nicht im entferntesten solche Bedenken, auch dort nicht, wo sie pathetisch ist. Dennoch, ich schreib die Elegien weiter.
Jetzt aber aufhören erstmal, jetzt packen, die Jungs wecken, Brötchen schmieren für die Fahrt.

23.28 Uhr:
[Berlin Kinderwohnung.]
Es war derart voll im ICE, daß wir im Zwischengang am Boden sitzen mußten; dort frühstückten wir, dort tippte ich an der Fortsetzung der sechsten Elegie, den akkugespeisten Laptop wortgerecht auf dem Schoß… na ja, wortgerecht nicht ganz: vielmehr auf ausgestreckten Schenkeln.
Kindertag dann und abends mit dem Jungen >>>> Emmerichs Version von Godzilla gesehen. Nun, nach dem Vorlesen, schläft der Bub, und ich täte gern noch ein wenig. Aber die Erkältung ist schlimmer geworden, ich bin ein wenig tumb unter der laufenden Nase und meinem dauernden Gebölk. Nehme seit der Abfahrt sozusagen leidenschaftlich Metavirulent, das mir von sowas normalerweise innert vierundzwanzig Stunden deutliche Abhilfe verschafft.

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