Bamberger Elegien (23). Sechste Elegie (4). Entwurf der nächsten Fortsetzung.

(…)
weiß aber auch, was der Glaube sonst noch vermag, wie er nichtend
Fremdes vernichtet, ungläubig Fremdes, anderem gläubig,
Anderes mordend um Mitleid und Schwert und reißen Millionen
und ist kein vernünftiges Wort, das ihn, den fanatischen, stoppte.
Aufklärung war doch darum, die Geister zu verscheuchen,
die dialektisch sie nun wieder ruft im New Age, kybernetisch
bloß wiederholt, wiedergeholt, verkitscht und gefühlig.
Weil wir’s letztlich nicht wollen, diese Kälte nicht aushalten können,
alleine zu sein, ins Gehirn gesperrt, entropisch, Monaden,
fensterlose, und schwimmen, strampelnd ums Du, im Schädel,
jede Mythe ergreifend, die uns rausziehen könnte,
kraftvoll, das Neurocranium, das es einsperrt, durchschlagend;
singend ziehn sie’s an Tauen, das Ich, hinaus und hissen’s.
Anders nicht läßt Tintoretto Maria in der Oberen Pfarre
auffahrn zum Sohn und sitzt ihm heidnisch zur Seite,
ganz zerküßt in S. Pietro ihr Fuß, wundervoll menschlich.
Nach ihrem Bild, heißt es, schuf den Gott sie, Isis,
dann wäre, Anahit, Hoffnung. Ich sag das, Geliebte,
dir und unserem Sohn – und dir, C., in Bamberg, erklär ich,
gerade die Freiheit ist Illusion, indes eine gute,
wärmende, denn die Bestimmtheit, die, elektronisch erkaltet
nahezu, uns umrührt, läßt sich erst recht nicht ertragen,
schlägt uns mit Abscheu: wo bleibt unser Geist, dieser souverän stolze?
Fühln wir ihn nicht? und solln vor der Physis ihn kniefällig beugen?
Roboter tun so, programmierte, Waschmaschinen,
Automaten, nutzbar gebastelt, aber doch wir nicht!
Ist’s denn mit Übersinnlichem anders? wenn es das gäbe,
wärn wir nicht gleichfalls unfrei bestimmt? Daß gar kein Blick ist,
Handschlag nicht, nicht Atemzug noch Gedanke, auch Religion,
das nicht – und keine Liebe, selbst Mutterliebe nicht – chemisch
wär und biologisch umnetzt: Naturgesetzen
völlig erlegen. Da ist weder Zufall noch Schuld, schuldlos
fallen die Blätter, schuldlos fließt der Fluß hinterm Garten,
unsern Geschicken und Ungeschicken unaufhaltsam
gleich, seinem Wehr unterm Rathaus zu, zerlegt von Turbinen
schon davor. In Steinmüllers Kraftwerk zerfällt er schäumend
unter der schmalen Fußgängerbrücke in Massen und Kräfte:
so verhalten sich Körper und Geist, unsere, gleichfalls
spaltbar in Dasein und Bewegung. Dieser entwindet,
da wir’s durchströmen, ein anderes Kraftwerk die Künste, als wären
frei sie wie Illusionen, die einer wählt und die sich
lösen von uns, schon sich entfernend, erwachsen fremd schon:
Anderes ist’s. Hat das Entsetzen gesehn und packt es,
dreht es um, schmiedet’s, ordnet’s neu und verklärt es.
D a s tut Kunst: ist p e r v e r s, pervertere, umkehren, wenden,
Luzifer immer, immer Prometheus, Licht bringend, Feuer,
bäumt sich rebellisch gegens Entsetzen, verwandelt’s in Schönheit,
nicht dieses selbst, gewiß, doch uns, die wir’s ergriffen genießen.
Leiden preßt sie um in Genuß, ja w ä r ohne Leid nicht.
Daran hat Kunst ihre Schuld, wie Schönheit selbst, und Größe.
Ausweg ist sie, nur sie und Schuld doch wie jede Kultur,
ohne die sie nicht wäre, und weiß es und formt auch das noch.

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