Arbeitsjournal. Donnerstag, der 19. Juli 2007.

7.39 Uhr:
[Kopfschmerz und latte macchiato.]
Jetzt hat mir die Telekom, nachdem man mir schon das Telefon abgestellt hatte, ich erzählte ja >>>> hier (5.08 Uhr) und >>>> hier (16.20 Uhr), auch noch den Internet-Zugang gesperrt. (Dies hier stelle ich über das Mobilchen ein.) Um herauszubekommen, welche Rechnungen denn nun offenstünden, mußte ich dem Unternehmen schreiben, weil man überhaupt keine Chance hat, wenn man denn schon mal für hohe Gebühren zum Service-Center durchgekommen ist, auch jemanden an der Strippe zu haben, der sich auskennt und n i c h t eigentlich Germanistik studiert und sich im Callcenter einfach nur nebenher etwas verdienen will… gut, schlecht, ich hatte der Telekom also geschrieben und habe gestern auch erschreckend prompt eine schriftliche Antwort erhalten… die allerdings zwar den rückständigen Betrag angibt (90,80 Euro – dafür sperren die, obwohl die laufenden Beträge immer überwiesen wurden!), nicht aber ihn spezifiziert. Dafür findet sich folgende Bemerkung in dem Brief:

Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir eine detaillierte Aufstellung nur gegen eine entsprechende Aufwandsberechnung anbieten können („Preisliste Allgemeine Geschäftsbedingungen, Sonstige Dienstleistungen pro angefangene Viertelstunde 12,78 Euro, zzgl. MwST.“)
Um mich nicht strafbar zu machen, schreibe ich Ihnen, was ich dazu denke, nicht.

Jedenfalls werde ich den Vormittag damit verbringen müssen, das Geld irgendwie aufzutreiben, bar einzuzahlen und dann den Beleg an die Telekom zu faxen, damit möglichst schnell der Anschluß wieder freigeschaltet wird – und seien Sie sicher, daß ich die „Dienst“leistungen dieses Unternehmens, mit dem man n u r Ärger hat, schnellstmöglichst auf ein anderes Unternehmen übertragen lassen werde. Vor der Deutschen Telekom kann man nur noch warnen. (Etwa fand ich’s ja okay, daß man mir das Telefon gesperrt hat, nicht aber mehr den DSL-Zugang, weil ich mit DSL von Strato, n i c h t von der Telekom, beliefert werde, die aber eben den Zugang bereitstellt, nicht mehr). Na gut, für die, die’s wissen müssen: Ich bin heute wohl nur noch übers Mobilchen telefonisch erreichbar. Bin nur froh, daß ich die Handy-Flat habe.

Dafür lief die Arbeit ausgezeichnet. Über drei Seiten bin ich mit der Hexametrisierung der Siebenten weitergekommen; das ist enorm für meinen bisherigen Durchschnitt. Später am Abend war dann das Treffen bei U. mit dem Profi und Vortrag und kleines Lektorat mit AEOLIA. Interessanterweise stießen ganz ähnliche Dinge auf wie sie schon >>>> parallalie, aber auch dem >>>> turmsegler aufgestoßen waren; ein deutlicher Beleg, daß an ihren Argumenten einiges dran ist. Und auch hier der Ratschlag, es mit dem strengen Versmaß nicht immer so streng zu halten, wie das bislang geschehen ist, einfach zugunsten der sprachlichen Schönheiten einer modernen Gegenwartssprache. In die gleiche Richtung stieß ein Bedenken Harry Oberländers vom >>>> Frankfurter Literaturforum. Oberländer hatte mich angerufen, weil er gerne einen Beiträg für die vom Forum herausgegebene Literturzeitschrift haben möchte; ich sprach ihn auf eine der BAMBERGER ELEGIENan, die ich ihm schon vor Monaten geschickt hatte. „Damit habe ich Schwierigkeiten“, sagte er. „Nicht daß das nicht perfekt gemacht wäre, nein, das ist so genau, wie man das von dir gewöhnt ist… aber ich frage mich, als Lyriker, weshalb solch eine alte Form? Was ist der Sinn? Was bringt das?“ – Mit solchen Einwänden habe ich freilich gerechnet, sie werden noch öfter kommen; mein Gegenargument „Was bringt es, wenn man die Sonett-Form wieder und weiter verwendet?“ ist zwar im gleichen Maß stichhaltig (Oberländer schreibt selbst gern – und wunderschöne – Sonette), schiebt aber die Vorbehalte nicht beiseite.
Sie werden, Leser, möglicherweise ähnliche Fragen an mich stellen. Meine Antwort ist da eindeutig: Um die Form zu beherrschen. Und, noch wichtiger: Um sich seiner Herkunft zu versichern. Es ist ein ganz und gar konservatives Anliegen, das der vorgeblichen Ungebundenheit der Subjekte (wie der Markt sie will und braucht und deshalb ideologisiert) ganz bewußt und streitbar eine vielleicht sogar rituelle Gebundenheit entgegensetzt. Gebundenheit an Herkünfte (abendländische, von den denen deutsche nur ein kleiner Teil sind; damit man mich bitte nicht mißverstehen möchte oder gar nationalistisch auslegt; kaum etwas ist mir ferner) und kulturelle Identität sind die Voraussetzung, um mit anderen, streitbaren, Kulturen wie etwa dem Islam überhaupt gleichrangig sprechen zu können. Der Pop kann das nicht, und zwar wegen seines Populismus, der Tiefe ausschließt und Mythen durch Warenzeichen ersetzt, die ständig austauschbar sind und das zum Zwecke der Vermarktung ebenso auch sein sollen wie die Subjekte selbst, die ihm anhängen.

Bin sehr spät, für meine Verhältniss, aufgestanden. Das hatte mit dem abgestellten DSL-Zugang zu tun, der mich gestern nacht ziemlich frustrierte (ich hatte noch das Dts einstellen wollen). Es hat aber auch damit zu tun, daß wir, U., der Profi und ich, ziemlich getankt haben… vor allem ich, der ich in der dortigen Hausbar einen alten Zabib entdeckte, einen Anis-Trester aus Ägypten, und ihm zusprach, einen selbstgebrannten, der wahrscheinlich blind macht, wenn man zu viel von ihm nimmt. Blind bin ich jetzt nicht, aber habe Kopfschmerzen. Und werd gleich weiter an die Elegien gehen.
Guten Morgen. Da das Wetter heiß geblieben ist, bin ich guter Laune jetzt.

16.07 Uhr:
Ich komm mir allmählich vor wie Heinrich Heine, der auch dauernd Bettel- und über seine ökonomische Situation Wutbriefe schrieb; lange, heftige Auseinandersetzung mit der Telekom am Telefon. Man sagte mir tatsächlich: „Nein, auch wenn Sie bezahlen, wird Ihr Anschluß nicht mehr freigeschaltet.“ Wegen 90,80 Euro! Also formulierte ich einen Offenen Brief, wollte ihn in Die Dschungel stellen, aber der Profi schlug ihn mir verbal um die Ohren: „Willst Du wirklich, daß man Dir eine Einstweilige Verfügung reinhaut?“ Ich: „Um Geld muß ich mir ja nun echt keine Sorgen machen, da ist ja nichts.“ Er: „Hör mal, ich meine was ganz anderes: Die Einstweilige Verfügung würde bedeuten, daß Du öffentlich widerrufen mußt. Willst Du diese Demütigung wirklich, zumal, wenn Du in der Sache recht hast?“ Also liegt mein Offener Brief nun in der Datei für meine Erben… – Insgesamt muß ich abermals sagen, gut, daß ich Freunde habe, die geradezu permanent die allerschlimmste Unbill von mir fernhalten… Nebenbei, sozusagen, sitz ich an den Elegien, dann kommt >>>> das, und ich bin nah daran, alles, aber auch alles wieder über den Haufen zu werfen und die Elegien insgesamt einfach wegzuschmeißen. Alles, wirklich alles, ist immer nur Kampf, Schlacht, Auseinandersetzung, Wut, erforderte Zähigkeit, Erniedrigung… und dann wach ich wieder auf und denke mir: okay, weiter! Wobei mir bestimmte Verhärtungen an mir selbst deutlich werden, etwa in der Pop-Frage. Als würden in Kindheit und Jugend erfahrene Verletzungen mit dem anhebenden Alter wieder und ganz besonders aktiviert, zumal in Krisensituationen, die, möglicherweise ein unbewußter Prozeß, Verschaltungen herstellen, die sich dem eigenen Zugriff und damit im Moment eines Handelns der Analyse entziehen. Man merkt das, ja, aber man kann dagegen nichts anderes tun, als es zu formulieren.

Treffen mit Eisenhauer eben im Prater; zwei Bier getrunken – was ich in meinem Zustand zumindest tagsüber sein lassen sollte. Er übergab mir etwas, das meine Situation administrativ etwas erleichtert…“Fährt dein Fahrrad denn noch?“ „Schon, aber nur noch im höchsten Gang, weil der Baudenzug gerissen ist und ich kein Geld habe, das richten zu lassen.“ „Ich hab noch ein Fahrrad im Keller, ich nutz es nicht mehr, es ist mir zu schnell, zu gefährlich. Also wenn du magst…“ – Sowas meine ich.
Und dann ist immerhin der Antrag auf die Umstellung des DSL-Anschlusses auf den Weg gebracht, eines, der die Telekom ein- für allemal aus meinem Leben wirft und insgesamt meine Kostenbelastung geradezu halbiert. Man muß jetzt nur warten, daß alles eingerichtet wird. Bis dahin werd ich von hier aus, der Arbeitswohnung, mit dem Mobilchen ins Netz müssen. Ein Beinbruch ist das nicht, aber wie einen all das Zeug abhält – als hätte man mit den poetischen Problemen nicht schon genug am Hals.

Ich bin jetzt, die Hexametrisierung der Siebten unterbrechend, darangegangen, bereits jetzt schon mit der Umformung der Elegien in den „freien“ Rhythmus zu beginnen, >>>> das und ein daran angeschlossener kleiner Briefwechsel mit LH ließ mir keine Ruhe. Aber die Unsicherheit, insgesamt, wird davon größer, nicht kleiner.
Interessant zu diesem Nexus, was Eisenhauer auf meine Idee sagte, man müsse erst die strenge Form erreicht haben, bevor man sie lösen könne; erst dann bleibe der Hexameter als Hintergrundstrahlung erhalten. „Du hast recht. Wie bei einer Skulptur, der man ein Rückrat gibt. Steht sie dann, kann man das Rückrat ziehen.“ Ja, das ist der Gedanke. Ich habe aber momentan keine Ahnung, nur dieses dringende Gefühl, ob das Bild auf Lyrik übertragbar ist. Außerdem mißtraue ich bis zum Defätismus jeder Form von Eingebung, Inspiration usw.; ich mißtraue n i c h t der Form. Wenn etwas so und so dasteht, dann will ich analytisch erklären können, und sei es nur mir selbst, warum es so dasteht. Mit anderen Worten: Ich habe das Gefühl in Verdacht. Das betrifft auch >>>> Reichenbachs Gedicht, bei dem ich nicht verstehe, wieso ein Zeilenbruch da und gerade da steht; es ist mir nicht einleuchtend. Und in einigem zu nah an der Prosa. Ich hab da „einfach“ ein Abgrenzungsproblem in Sachen Genre.

Umgekehrt kann es sein, daß ich mir durch meine nunmehrig dritte Umarbeitung der Elegien alles nun erst richtig kaputtmache. Zumal es eine mühselige, harte, sich Zeile um Zeile vorkämpfende Arbeit ist, für die man ökonomisch rein gar nichts kriegt.

17.08:
Ich notierte eben für den Profi, dem ich die Mail weiterleitete: „Endlich einmal gewonnen“. Nachricht der Funkredakteurin: Meine Marianne-Fritz-Arbeit werde nun d o c h als reguläres Feature gemacht. Ich hab mit einem dicken Dank reagiert und eine sehr schöne Produktion v ersprochen. Dafür kein Durchkommen bei der anderen Sendeanstalt, wegen des Stromboli-Hörstücks. Ich erreiche einfach niemanden. Und anrufen kann ich ja nun nicht mehr…

[Der Zugang zu twoday ist wacklig heute. Meine innere Verschwörungsmechanik hatte schon das Empfinden, ich sei nun auch d a gesperrt. Aber dann ging es wieder… zeitweilig, mit Unterbrechungen.]

Depression im Anmarsch, winkt schon mal hie und da mit den Standardchen.

5 thoughts on “Arbeitsjournal. Donnerstag, der 19. Juli 2007.

  1. Lieber ANH, verzeihen Sie die Kürze, und damit den etwas hastigen Ton. Ich weiß nicht, was sie antreibt die Elegien einem strengen Hexameter auszusetzen und brauchte lange Zeit, um mir eine Meinung zu bilden. Ihre Gründe, die sie heute nennen, sind für mich nicht stichhaltig. Die Elegien sind, das ist meine Meinung vom November vergangenen Jahres und sie hat für mich noch Geltung, trotz kleiner Schwächen, die man aber gern verzeiht, ein wunderbare Auseinandersetzung mit Zeitgeistern und Lebensfragen, der sie Ihren ureigenen Stempel aufdrückten. Ihre inhaltlichen Positionen atmen einen neokonservativen Geist, der gerade durch, die damals von ihnen gewählte Sprachmelodie, auch Leser erreichen konnte, die ansonsten bei konservativen Positionen eher abwinken, als weiter lesen. Die Umsetzung Ihrer sprachgewaltigen Dichtung in das strenge Gefängnis des Hexameter gibt den Elegien einen anderen, dogmatischeren Touch, den sie nicht verdienen. Was vorher ein hinweisender Gedankenwink war, wird, so scheint es mir, nun Zuchtrute, Abrechnung. Die Klagen verlieren ihre ernste, freie Schönheit. Sie wissen, dass ich von Anfang an der Meinung gewesen bin, dass selbst die Fassung vom Ende letzten Jahres noch freierer Rhythmen bedurft hätte. Nun – sie haben sich anders entschieden, ich halte das für falsch, weil der Lyriker ANH immer dann, wenn er kenntnisreich Formen benutzt, seine besten Zeilen schrieb, wenn er mit diesen Formen spielte, statt sich ihnen zu unterwerfen. Werten Sie das nicht als Angriff, sondern – das wünsche ich mir! – als tiefempfundene, solidarische Loyalität, die sich Ihnen und Ihrer Arbeit, an und mit der Sprache, immer verpflichtet fühlen wird.

    Ich grüße Sie aus der Ferne

    Ihr montgelas

    P.S. Das Popkultur nicht in die Tiefe genug gehen kann, der Gedanke liegt nahe, ist aber zu relativieren, denkt man an Autoren wie den frühen Wondratschek, an W.S.Burroughs (cut-up and fold) oder Künstler wie Warhol und Sängerinnen und Musiker wie Janis Joplin, Bob Dylan und John Lennon. Da ist schon Tiefes spürbar, meine ich. .

  2. ja, na und …. was ist so schlecht an sich
    ständig erneuernden chiffren …
    was ist so schlecht an
    experimenteller form?

    wenn auf 10 bewahrer
    1 erneuerer käme, wäre
    dies ein schöner fortschritt!

  3. Lieber Herbst twoday war heute wirklich etwas wacklig, weshalb mein mittäglicher Kommentar zur tele(unbe)kömmlichen Obermann-Bande (ähnlich leistungsstark und -willig wie die Truppe von Mehdorn) in die Rapuse gegangen ist.

    Ihren Offenen Brief – das ist nun das Witzige – müssen Sie nicht öffentlich machen: Jeder weiß, was da drinsteht; nur um Ihre sicher subtilen Formulierungen ist es schade. Eine meiner Kolleginnen rauft gerade auch um Wiederanstellung eines Anschlusses mit diesem Laden – hat sich einfach so abgemeldet, gezahlt war er. Dafür konnte sich der Bärendienstleister des Unternehmens nicht nach der Uhr richten, machte einen Termin zwischen 10 und 12 Uhr aus und wunderte sich, daß er um 8 wie der Ochs vorm Tor stand. – Nee, so Leute braucht man nicht wirklich. Die sollen weiterhin ihre Kohle in bekifftte Profi-Radler versenken und das Geschäft der Konkurrenz überlassen.

    Zu Ihrer netten Buchidee vielleicht eine andere: Lassen Sie sich doch mal von Lesern schreiben, was in Ihrem Offenen Brief gestanden haben könnte – da kommen Erfahrungsschätze zusammen, die Ihnen die Telekom-Marketingabteilung mit Kußhand abkaufen müßte. Vorausgesetzt, sie hätte ein wirkliches Interesse am Kunden…

  4. Die Diskussion um freie oder gebundene Form …. hat mich den ganzen Tag im
    Hintergrund beschäftigt.

    Als ich Abiturient war mit
    Abschlussnote 1+ im Fach Kunst und vor
    der Berufswahl stand, entwickelte ich
    die feste Auffassung, dass man zunächst
    die Regeln, Formen und Gebräuche eines
    Berufes lernen müsse, bevor man sie
    dann in wahrer Meisterschaft
    durchbrechen dürfe.

    Heute ist mir die Reihenfolge wurscht:
    Hauptsache, es ist einigermaßen gut, was ich
    mache, und auch nicht evident schlecht.

    Mir kam noch ein ketzerischer Gedanke:
    Nach der ganzen Diskussion, welche Form denn
    richtig oder falsch sei – denn anders kann ich
    die Diskussion nicht verstehen – fiel mir
    die passende Antwort ein: Beide! 😉

    Die Frage ist wohl unentscheidbar.

    Und so könnte der geneigte Leser wohl auch
    größten Gewinn daraus ziehen, BEIDE Fassungen
    nebeneinander vergleichend lesen zu dürfen.

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