Arbeitsjournal. Montag, der 17. März 2008.

5.06 Uhr:
[Arbeitswohnung. Latte macchiato.]
Gestern abend kamen die Celli, also das Austausch-Cello meines Jungen und nun mein eigenes geliehenes; d.h. sie waren bereits am Sonnabend zugestellt, aber unten im Peruanischen Laden abgegeben worden, wo die zwei Riesenkästen dann zu meinem leisen Unglück herumstanden, denn ich kam des Sonntags wegen nicht heran. Als ich aber abends noch einmal hinunterging, um „eine zu rauchen“, war der peruanische Inhaber drinnen und regelte etwas dort; ich klopfte gegen die Scheibe, und dann… ich hatte ja fast eine Woche lang nicht geübt – so war ich nun hin- und hergerissen zwischen >>>> dem Littell und dem Cello. Das Cello gewann, jedenfalls von kurz vor 20 Uhr bis 22 Uhr; danach las ich weiter. Bis zur Seite 134 bin ich gestern gekommen und werde meine Eindrücke und Gedanken zu dieser Lektüre weiterin >>>> in gesonderten Notaten festhalten. Daß mich das Buch sehr bewegt – trifft, muß man sagen – ist, denke ich, eh deutlich. Und es g i b t eben die Antworten, die >>>> Iris Radisch zu vermissen vorgab. Nur gefielen sie ihr nicht; mir auch nicht, über das Grauen an sich muß man wirklich nicht streiten, wohl aber über Verdinglichung und Fetischisierung von Tabus.
Heute früh notiere ich noch eben meiner Lektüre Quintessenz-in-progress; ich las lange kein Buch mehr, von dem ich so sehr die Überzeugung habe, daß man es lesen m u ß; im übrigen kann ich auch gar nicht anders als weiterzulesen. Nur darf das jetzt nicht in die übrigen Arbeiten hineinbrechen, weil ich derart unter Termindruck stehe, wobei mir, die Rahmenhandlung für >>>> die ANNO-1900-Anthologie zu schreiben, wenn ich mit solch Ungeheuerlichem wie dem Littell beschäftigt bin, ausgesprochen schwerfallen wird, so marginal, so lächerlich ist das. Mit den BAMBERGER ELEGIEN ist das anders, die haben eigenen, zentralen, gewichtigen Wert, ebenso wie ANDERSWELT, worin sich ja das Grauen – in e i n e r der Ebenen – ebenso fortschreibt, wie es sich etwa auf dem Balkan in der Realität fortgeschrieben hat und meiner Überzeugung nach immer noch weiter fortschreiben wird, ob im Sudan, im Kongo, im Irak oder sonstwo; und immer sind „wir“ mit derselben Gemütlosigkeit beteiligt, wie >>>> Maximilian Aue beteiligt ist. Aber dazu mehr an anderer Stelle.
Bis acht Uhr will ich jetzt arbeiten, von acht bis neun nochmal ans Cello, dann meinen Jungen abholen und mit ihm zum Cello-Unterricht, für den jetzt, in den Ferien, eine ausgefallene Stunde nachgeholt wird. Ich werde da dann meine eigenen Cello-Unterrichtsstunden terminieren.

[: Dallapiccola, >>>> Nachtflug.]

6.18 Uhr:
Nachts kam eine Email aus Italien herein. Man will meinen >>>>> VOLLTEXT-Artikel zu Marianne Fritz ins Italienische übersetzen, und nun stellt mir die Übersetzerin erste Übersetzungsfragen. Hm. Wie erkläre ich ihr den Begriff „randunscharf“ oder, schwieriger noch, „entdinglichen“?
Das nächste Littell-Notat ist zusammengefaßt. Ich stell es aber erst später ein. Und ein wiedernächstes ist bereits in meinem Kopf.

[6.50 Uhr: Holliger, Scardanelli.]

7.50 Uhr:
Anruf der Geliebten: Unser Junge sei wieder krank. Ob ich bitte nachhause kommen könne. Das haut jetzt voll in die Arbeit rein. Also zusammensuchen, was ich brauche, um Am Terrarium zu schreiben. Welch ein Segen dieses Internet und welch ein Segen es darüber hinaus ist, daß ich die meisten Arbeitsgrundlagen als Datei digitalisiert habe. Und daß man mich in eine Fabrikhalle reinsetzen kann, ohne daß das meiner Konzentration einen Abbruch täte.

4 thoughts on “Arbeitsjournal. Montag, der 17. März 2008.

  1. Mit Neubildungen in Fremdsprachen muß man ja vorsichtig sein, doch für “entdinglichen” könnte ich mir durchaus “scosare” (dies hätte den Vor- und Nachteil der Assonanz zu “scossare”) oder “decosare” vorstellen. Weniger gewagt und leichter verständlich wäre wohl etwas wie “de-oggetivare”. Bei “randunscharf” werden Sie wohl um ein Syntagma wie “sfocato agli margini” (“sfocato”=aus dem Fokus; ich weiß aber nicht, ob man es auch metaphorisch verwenden kann.) nicht herumkommen.

    1. @ Nur ein Leser (mit einer Klammerbemerkung für parallalie). Ich danke Ihnen für Ihre Vorschläge, die ich an die Übersetzerin, Elisa Perotti, weitergemailt habe. (>>>> Helmut, kennst Du sie? Vielleicht daß man hierüber eine Querverbindung aufbaut?)

    2. ich sah erst jetzt über die referrer diesen kleinen appell: pardon (er war mir nicht mehr sichtbar in der kommentarleiste). im wörterbuch steht “rendere concreto” (also “concretizzare”) für “verdinglichen”: könnte man also “sconcretizzare” sagen. was eine möglichkeit wäre. verdinglichen ließe sich indes “randunscharf” : “a contorni sfocati” aber auch “a contorni dissolti” (aufgelöst, überblendet) (“margine” ist zu sehr der rand eines zentrums, während “contorno” der umriß eines umrissenen ganzen).

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