Paul Reichenbachs Mittwoch, der 2.April 2008. Gründe.

Natürlich muss, wenn von Rita die Rede ist, endlich einmal von den Gründen, die sie nach Deutschland geführt haben, gesprochen werden. Pauls sentimentale Grundhaltung, die ihm verbot, alles was ihm lieb und teuer scheint, analytisch genau zu untersuchen, galt auch in seinem Verhältnis, Beziehung wollen wir es nicht nennen, zu seiner Litauerin. Vor Monaten darauf angesprochen erklärte er einmal: Was sind objektive Realitäten gegen meine subjektiven Wahrnehmungen, gegen meine Fiktionen und Träume? Was ist die Straßenbahn Linie 14 gegen meinen blauen Bus? Als wir ihn daran erinnern, dass der blaue Bus eine Schöpfung >>>cellinis ist, reagiert er unwirsch und gereizt, wie meist, wenn ihm eine Form des Realitätsbezuges abgesprochen wird. Weiterhin behaupten wir mit Recht, und Leser werden uns da sicher zustimmend beipflichten, dass seine Tagebucheinträge jegliche Authentizität vermissen lassen. Pauls Gefühlskitsch, da helfen auch keine, ihm von montgelas, zugeschobenen Verse, erklärt nichts und kreist nur um eine Sonne, die nicht einmal Rita, wie man vermuten könnte, sondern nur Paul heißt. Und dieser Paul, das liest ein Blinder mit Krückstock, ist nicht mehr der Paul, den montgelas ab und an, aus Gründen besucht, die längst im Orkus der Geschichte verschwunden sind. montgelas’ s Anhänglichkeit an Paul ist nur dadurch zu erklären, dass Paul ihm in schwerer gemeinsamer Knastzeit, während er in Isolation gehalten wurde, treu die Stange, besser gesagt die Schnur an der Zigaretten und Nachrichten hingen hielt. Die Motive für Pauls Handeln, darauf wird später zurück zu kommen sein, lagen für Eingeweihte auf der Hand. Nur so viel sei jetzt schon verraten: Reine Solidarität war nicht der wesentliche Grund für Pauls Pendelei von Gitter zu Gitter. montgelas kommentierte diese gemeinsame Zeit mit dem ziemlich hochtrabenden Satz: Man hatte mich aus der Menschheit ausgeschlossen, Pauls Hilfe, auch wenn seine Gründe dafür mehr westwärts gerichtet waren, ließ mich Mensch bleiben.Ähnliche egoistische Motive wie Paul hat Ritas Aufenthalt in Deutschland. Es geht um Geld und Besitz. Nicht etwa um Geld und Besitz, das und den sie sich erst erwerben will, sondern um Geld und Besitz, den sie hier in Frankfurt bereits per Erbschaft besitzt. Ihr Großvater, Freischärler, – der Begriff Partisan verbietet sich einfach, ein Lied wie „Bandiera rossa“ hätte er nie gesungen, – in litauischen Verbänden, die bis 1950 die Wälder zwischen Vilnius und Nidden verunsicherten, war nach der endgültigen Niederlage über eine „Rattenlinie“ nach Deutschland gekommen und hatte in Folge, durchsetzungsfähig wie er war, ziemliches Vermögen im Bordell – und Immobiliengeschäft machen können. Und wenn Paul seinen Roman mit den Zeilen „Sie ist grazil, hat braune Augen und kommt aus Wilna“ beginnt, fängt unser Bericht mit folgenden Sätzen an:

“Das Flugzeug aus Vilnius landete pünktlich 13.00 in Rhein-Main. Eine junge Frau, hoch von Wuchs und schlank, betritt die Gangway. Es ist Geld und Besitz, ihr Erbe, das sie nach Frankfurt führt, und dass sie von nun an allein zu verwalten gedenkt. Vor dem Flughafen wartet ein silbergrauer 300 SL, der zum Dienstpark der Deutschen Bank gehört, als Rita und ihr Treuhänder, geblendet von der kalten Sonne, den Airport hinter sich lassen und auf den Wagen zugehen. “

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