Arbeitsjournal. Montag, der 7. April 2008.

5.18 Uhr:<
[Arbeitswohnung.]
Bei dampfendem warmen latte macchiato lese ich >>>> hier und >>>> hier noch einmal nach, was sich gestern, als ich mit meinem Jungen und seinem besten Freund auf dem >>>> Offenen Tag des Konzerthaus Berlins war, in Der Dschungel ereignet hat; ich las bereits gestern nacht noch und habe ja auch bereits an ein paar Stellen reagiert. Hochdiskutabel ist Ifones >>>> Manifest des Simulationismus, das aber gar nicht mehr proklamiert zu werden braucht; ich werde nachher noch dazu schreiben. Die Diskussion ist so spannend, weil sie tatsächlich ins Auge nimmt, was vor „uns“ liegt, ganz unabhängig davon, ob man mit den Handlungs- und Haltungsschlüssen, die jeweils von der Diskutanten gezogen werden, einverstanden oder davon verständlicherweise sogar er- und verschreckt ist oder >>>> ob man sie überhaupt versteht. Es ist bezeichnend, daß sich ausgerechnet diese Beiträge auf dem twoday-Chart an allererster Stelle halten, und das seit dreivier Tagen, kurz von „Lohnkostenfortzahlung“ an zweite Stelle zurückverwiesen, dann aber gleich wieder im Bedeutungsrang nach vorn gestellt. Daß in den westlichen Gesellschaften etwas im Gange ist, das etwas Unheimliches hat, ist nicht nur dem fundamentalen Islamismus klar; anders als ihm – wie anders als Gläubigen überhaupt (derer es auf der Welt signifikant mehr gibt als Ungläubige; man muß sich das sehr deutlich machen) – haben Intellektuelle nicht einfach die Möglichkeit, die Augen auf etwas anderes zu richten, das die Vorgänge ignorieren läßt. Sie aber widerspruchslos zu akzeptieren und damit >>>> die anthropologische Kehre, ist auch nicht die Lösung. Vielleicht gibt es keine, vielleicht >>>> hat Ifone recht, und die Entwicklung durchläuft, ja durchrast uns „einfach“, und alles, was wir dagegen unternehmen, wird ihr zur Nahrung; vielleicht aber eben auch nicht. Hier haben letzten Endes nur noch Überzeugungen das Wort, darin von denen eines orthodox gläubigen Islam gar nicht so oder überhaupt nicht unterschieden; meinen >>>> so scharf abgelehnten Artikel habe ich mit der Überschrift IHR HABT KEINEN GOTT! versehen, das gehört in den diskutierten Nexus ganz innen hinein. Und wird das Problemfeld in Der Dschungel noch immer weiter beschäftigen, wobei ich über die kämpferisch weiblichen Positionen ausgesprochen froh bin, über diese zumindest zweitweise Allianz eines körperorientierten Machismos mit dem sinnlichen Feminismus gegen die funktionale Dominanz der puren Rationalität, wobei diese Allianz innerhalb der eigenen Reihen nicht unkämpferisch sein darf, nicht harmonisierend, sondern sie lebt aus ihrer Widersprüchlichkeit, indes der technische Rationalismus sich vollzieht. Es ist dies auch eine Frage, was wir unseren Kindern zumuten und vererben wollen, welche Haltungen, welches Menschenbild – ein Faktor, der in der Diskussion bislang gar nicht zur Sprache kam, sondern sozusagen in der Annahme einer retortischen Reproduktion in die Knie ging. Was für Kinder würden das werden, die aus der praktischen Rationalität weniger ge- als erzeugt würden, mitsamt den ihnen „einprogrammierten“ Eigenschaften? Daß wir uns auf dem Weg dahin befinden, scheint mir ausgemacht zu sein; wir werden es nicht verhindern können, daß sie entstehen; wir können es vielleicht aufschieben, aber wie bei der Stammzellenforschung wird ein Land ihr anhängen, ein anderes nicht, das dann aber keine Rolle mehr in der technischen Entwicklung spielt. Es geht deshalb in mehrfacher Hinsicht auf eine scharfe Zweiklassen-Gesellschaft zu, vielleicht auf eine letztlich wieder oligarichisch verfaßte, nur daß die kommenden Oligarchen sich allein aus praktischer Macht definieren werden und nicht Herkünfte bzw. kulturelle Bedeutung. Im Westen jedenfalls und sofern ihn nicht die vitaleren und zugleich irrational bewegten Völker einfach überrollen.

Ich geh jetzt an die BAMBERGER ELEGIEN, die mir immer mehr wie ein Abgesang vorkommen. „Du hast mich schockiert mit dieser Todesnähe“, hat mir in Leipzig >>>> Ricarda Junge nach meiner Lesung gesagt, „von dir erwartet man so etwas nicht, bei dir wird selbst da gelebt, wo ganze Länder zusammenbrechen, noch die Katastrophe sind bei dir immer ein Ausdruck von wühlendem Leben gewesen – hier ist das plötzlich so anders. Dieser Lebenshunger, der sich durch alle deine Bücher zieht, ist schockierend brüchig geworden.“

21.45 Uhr:
[Am Terrarium.]
Depressiv. Aber das hat private Gründe, die hier nicht hineingehören. Treffe gleich den Profi, dann kann ich reden.

Hatte eben – da >>>> dielmann mal wieder nicht reagiert – den Impuls, nach seiner Überarbeitung den ARGO-Roman komplett ins Netz zu stellen, hier in Der Dschungel, Tag für Tag, Kapitel für Kapitel, alle tausend Seiten lang, mit einer allerdings in eine andere Rubrik verlagerten Kommentarfunktion, damit der Textfluß nicht gehemmt wird. Dann dachte ich, daß ich ARGO den Netzmöglichkeiten entsprechend ausstatten müßte; dann dachte ich: imgrunde müßte man einen Roman schreiben, der sich von hinten nach vorne genau so schlüssig liest wie von vorne nach hinten. Auf die Weise wäre man sowohl formal als auch inhaltlich einer Weblog-Veröffentlichung völlig adäquat.
Ich habe noch keine Ahnung, ob ich das, dieses und/oder jenes, tun werde.

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