Trauma. 20.08. 2008. Paul Reichenbach erinnert sich.

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Grenz hier ein Wort an mich, so laß ich’s grenzen.
Liegt Böhmen am Meer, glaub ich den Meeren wieder.
Und glaub ich noch ans Meer, so hoffe ich auf Land.

Bin ich’s, so ist’s ein jeder, der ist soviel wie ich.
Ich will nichts mehr für mich. Ich will zugrunde gehn.

Zugrund – das heißt zum Meer, dort find ich Böhmen wieder.
Zugrund gerichtet, wach ich ruhig auf.
Von Grund auf weiß ich jetzt, und ich bin unverloren.
…….
Aus: Böhmen liegt am Meer v. Ingeborg Bachmann.

>>>> 21. August 1968. Ein strahlender Morgen am Zeltplatz in Born. Zum Strand an der Westküste nach Ahrenshoop muss man mit dem Fahrrad entweder durch den Darss oder per Anhalter über die Landstraße. Wir entscheiden uns an diesem Tag gegen das Rad und nehmen die Landstraße. Es ist ungefähr 8.30 Uhr. Pünktlich wie an jedem Tag, und als gelte es das Leben, rast ein Tandem an uns vorbei in dessen Pedale ein heute bekannter Entertainer, damals noch Bariton im letzten Studienjahr an der Musikhochschule in W., mit seiner Frau winkend und lachend heftig treten. Uns, das sind meine damalige >>>> Freundin und ich, die eine halbe Stunde später schon in ihrer Burg am FKK – Strand zwischen Ahrenshoop und Prerow liegen werden. Unsere Sandburgnachbarn, die beiden K. u. K., der eine Orgelprofessor in W. , der andere mit gleicher Berufung aus L. , sind noch nicht da. Das Meer ist verdächtig ruhig. Ein ungefähr 10 m breiter Gürtel mit vor sich hinschaukelnden unangenehm großen glitschigen Quallen lässt die Lust auf Schwimmen gegen Null tendieren. Träge liegen wir im Sand. Und obwohl es windstill scheint, hören wir die Windflüchter ächzen. Föhren die ihr brüchiges Geäst landeinwärts gerichtet haben. In der Ferne ein Schiff, dessen Herkunft, habe ich doch mein Fernglas vergessen, nicht zu ermitteln ist. Der Strand ist noch halbleer, wolkenloser Himmel, wir, jeder für sich, träumen als wir von fern die beiden Organisten mit ihren Familien kommen hören. Irgendetwas scheint anders heute zu sein, bleibt doch der übliche herzliche Grußlärm aus. Etwas verunsichert durch das stille Gemurmel in der Nachbarburg, stehe ich auf, klopfe mir den Sand von der Haut und will mir, wie die letzten zehn Tage auch, bei ihnen die Tageszeitung ausleihen. Wortlos reicht mir Robert K. das ND. Der Warschauer Pakt, die sowjetischen Truppen haben Prag, die CSSR besetzt. Der Traum ist aus.

Bildquelle: >>>> Ruth Ritzinger

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