Arbeitsjournal. Freitag, der 24. Oktober 2008.

5.47 Uhr:
[Am Terrarium.]
Kurz nach fünf auf; seit halb vier die Schlummer-Funktion des Mobilchen-Weckers genutzt. Den Zwillingskindlein Fläschchen bereitet und in die Thermoshülle getan, damit die Milch warm bleibt, bis die beiden gegen sieben wach sein werden (der Bub war unruhig unter der Nacht, auch gestern über den Abend, auch eben; aber es reicht bei mir, wenn ich sage: „Es ist alles in Ordnung, wir sind alle da. Es ist Nacht, schlafe weiter.“ Er schläft dann wirklich wieder ein). Kaffee gekocht, mit dem ersten Kumb voll auf den Balkon für die Morgenzigarette, bereits wieder meine Schals überm Kopf, über den Ohren, so seh ich hinab auf die Schönhauser, selten fährt ein Wagen, es funkelt von überall her, >>>> Kälte schärft das Gehör. Wenngleich im Innern, schon seit ich aufbin, immer der Text erzählte, den ich für >>>> marebuch schreiben soll, weil der Verlag MEERE noch einmal groß in den Frühjahrskatalog mit hineinnimmt. „Schreiben Sie uns bitte ein paar Zeilen, weshalb Sie dieses Buch schrieben, was Sie antrieb, daß es derart gewaltig wurde“ – dabei weiß die neue Lektorin nicht einmal, in wie kurzer Zeit, doch in allen für mich typischen vier Fassungen… Dazu >>>> das, worauf ich jetzt d o c h inhaltlich reagieren will, zum einen, weil Vergil wahrscheinlich weiterschweigen wird (>>>> Phyllis Kiel schrieb mir gestern im Hintergrund – es gehen bei mir zu einigen Dschungeltexten oft Emails hin und her, und auch in den Messengers wird „gesprochen“ -, es habe sich Vergil offenbar und „leider“ in die Arroganz zurückgezogen), – zum anderen, weil ich die Auseinandersetzung für wichtig halte: in d e m Sinn, zumindest, ist eben auch Vergils neuerliche Provokation wichtig und daß sie hier steht. Paar Bemerkungen habe ich stichwortartig nach der Zigarette notiert; ich werde die Notizen ausführen und nachher als Argumentation einstellen, also „bleiben Sie dran“.

Ein weiteres Segment der >>>> Kleinen Theorie des Literarischen Bloggens fiel mir zudem ein, gestern nacht, als ich, bevor ich schlafen ging, noch einmal in Der Dschungel las. Den Abend, bevor ich etwas durchs Fernsehen surfte, verbrachte ich mit meinem Cello. Unfaßbar, was man in einer Woche vergißt; enorm aber auch, wie schnell sich das „wiederholt“, und zwar nicht, indem man denkt, sondern indem man die Finger l ä ß t; allerdings mußte ich auch für Stücke, die ich längst auswendig kannte, die Noten hervorholen; ich mußte aber nicht mehr, oder kaum noch, die Finger beobachten, abgesehen von der Bogenhand, die ein Problem geblieben ist. Anfangs freilich intonierte ich unsauber, die Töne lagen immer knapp neben sich; nach zwei Stunden, morgens bereits, war das aber vorbei. Keine Rede jedoch, daß ich mit der gestreckten Lage schon übe; erst einmal wieder ankommen, wo ich, bevor ich nach Frankfurt fuhr, war.

Dagegen ein nahezu restloses Chaos in meinem Kopf, w i e denn nun die mit >>>> Dielmann angeblich längst fertige Reihenfolge der Gedichte in DER ENGEL ORDNUNGEN sein soll. Da muß ich mir Papier für Papier das Typoskript neu durchsehen; ich hoffe, ich habe, als ich die Arbeit morscht abbrach, kein Durcheinander angestellt und alles einfach auf einen Haufen getan. Der Tag wird es weisen. Es ist auch noch die kleine Fiktion für den Anfang November zu schreiben, ja überhaupt zu erfinden…

Leser, kommst Du nach Sparta.

6.47 Uhr:
Jetzt hab ich ganz vergessen, das einzustellen – das heißt, in die Maske hatte ich den Text schon eingefügt, auch schon die Links gelegt, aber dann auf “veröffentlichen” zu klicken vergessen – so sehr ging’s in meinem Kopf zu.

8.35 Uhr:
[Arbeitswohnung. Bruckner, Sinfonie Nr. 5 (Cass.-„Projekt“ Nr. 81).]
Wasser fürs pflegende, cremende Fußbad sitzt auf, Fencheltee ist in der Tasse; draußen ist’s klirrend kalt, es wird für Handschuhe beim Fahrradfahren Zeit. Um halb zehn geh ich ans Cello, bis dahin schreib ich den Text für marebuch, der mir um- und umgeht, mich in mir unterströmt, mich spritzig aufspült, gischtig, Brandung, aber man steht auf der Klippe und sieht zu: nachdem man von unten heraufgeklettert war vor schon langer Zeit. Und ist gewärmt und getrocknet.

18.08:
Seit morgens konzentriert DER ENGEL ORDNUNGEN geordnet, weiter durchstrukturiert, ein paar Kleinigkeiten verbessert, dann mit >>>> Dielmann telefoniert (!!!!!!!!!!!!!!!!!!), weil eben doch noch nicht alles fertigwar, ihm die noch nicht zugeordneten Gedichte nach Titeln aufgeschrieben, das rausgemailt und >>>> dieses weiterverfolgt, weil es >>>> dort nun wirklich spannend wird; da hat Gloria recht. Auch mit A. telefoniert, was immer sehr schön ist, in einer aggressionsfreien Spannung. Was mir fehlt, sind die Gespräche mit >>>> June, die sich bezüglich Der Dschungel nun ganz zurückgezogen hat. Ich verstehe das, aber es ist schade. Daß ich dies schreibe, weil ich denke, sie lese vielleicht immer noch mit (irgendwo müssen meine irrsinnigen Zugriffszahlen ja herkommen), ist selbstverständlich.

Und Cello geübt. Es fängt wieder zu klingen an. Heimat.

2 thoughts on “Arbeitsjournal. Freitag, der 24. Oktober 2008.

  1. Wanderer kommst du nach Spa… Grandios! Böll, wie Mathis Erml gesagt hat! Ich hoffe er hat seine letzte Seite gefunden, von welcher Kurzgeschichte war das nochmal? Ich weiß auch gar nicht so recht ob das hier hinpasst, ich hatte mir nur vorgenommen etwas von Böll zu lesen und habe mich an Ihren Eintrag im Arbeitsjournal erinnert, was meint das: Leser, kommst Du nach Sparta. ? Ich muss das nur irgendwie grad loswerden, ich hoffe das kommt nicht so streberhaft daher aber es passt zu so vielen Diskussionen aus letzterer Zeit.

    … Weg

    “Immer wieder hatte ich radiert, den Bleistift gespitzt, radiert … nichts …”

    “Augenblick, Sie sind gleich an der Reihe …”

    “: sie hatten die Tafel auseinandergezogen und quer gestellt und die Lücke zwischen Wand und Tafel mit einem Bettuch zugehängt; dahinter brannte grelles Licht …”

    die Zeit verstreicht im Flug, der Satz ist nicht vollständig, nur Ahnung: Spa…, selbst den Dornauszieher in der Zeit der Geschichte schon überrundet, so viele Male,

    dann das Erkennen, als Aufflackern, ein Zenith:

    “Ich lag auf dem Operationstisch und sah mich selbst ganz deutlich, aber sehr klein, zusammengeschrumpft, oben in dem klaren Glas der Glühbirne, winzig und weiß, ein schmales, mullfarbenes Paketchen, wie ein außergewöhnlich subtiler Embryo: das war also ich da oben.”

    alles verlangsamt, Zeitlupe, dann

    “Milch”, sagte ich leise …

    immer drei Punkte, immer wieder von Neuem, nur das Ausgeschriebene, wie Sparta markiert, wiederum Erinnerung, je nach Übersetzung oder Auslegung der Geschichte, im Prinzip hat Böll damit, wenn auch hier auf die Übersetzung Schillers gestützt, eine “Allgemeingültigere” gefunden, eben wegen des …, also nicht ausgeschrieben (die Geschichte), und es somit der Schlacht bei den Thermopylen ein Stück weit enthoben.

    Darüber habe ich gerade das Essay “Über das Marionettentheater” gelesen.
    Jetzt interressiert mich wirklich, was wird nun aus Ihrem Vorhaben ein Kleistseminar auf die Beine zu stellen?

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