Die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Netz und eine Kommentatorin. Immer wieder v. Ribbentrop. Sowie über Demut.

Heut morgen fand sich >>>> in diesem Artikel über mich bei FAZ-net folgender Kommentar, geschrieben von bellealliance:(…) er wurde nicht vom kulturbetrieb totgeschwiegen, weil er den namen Alexander von Ribbentrop trug, sondern weil er sich mit diesem namen als fordernder, arroganter, ihre ästhetik verachtender dandy den sogenannten 68ern in den verlagen und redaktionen präsentierte, sie als angepasste kulturbetriebler diffamierte und sie als vertreter von ns-diffamierungsmethoden anprangerte, wenn sie seine texte nicht würdigen wollten.Ich habe wegen der „NS-Diffamierungsmethoden“ Kontakt mit der FAZ aufgenommen und kündigte an, im Zweifel werde ich mir gerichtlich eröffnen lassen, wer hinter bellealliance stecke. Da kam dann heraus, der Kommentar sei anonym eingestellt worden, und so etwas widerspreche den Vorschriften des Hauses. Er war der FAZ ‚durchgerutscht’, sowas kommt vor, das ist nicht schlimm. Man nahm den diffamierenden Kommentar wieder heraus.
Ich möchte ihn dennoch nicht unwidersprochen lassen, aber ihn an einer Stelle dokumentieren, über die ich Handlungsfreiheit und Übersicht habe: zu den Tausenden, die seinen Text bereits bei http://FAZ.net gelesen haben werden und noch hätten, wäre er dort stehengeblieben, kann ich nicht sprechen. Zu Ihnen, meinen Lesern, aber schon.

Zum einen gibt der Text zu, daß ich totgeschwiegen worden s e i. Das trifft die Achtziger Jahre sehr gut. Nicht aber, daß ich mich mit diesem Namen den Redaktionen und Verlagen präsentiert hätte; ich tat ja unter Annahme des Künstlernamens genau das Gegenteil, war geradezu heikel darauf erpicht, jede Spur meiner Abstammung zu verwischen, indes ich sie in DIE VERWIRRUNG DES GEMÜTS von 1983 künstlerisch l e g t e: bis in den WOLPERTINGER hinein spielt ein falscher Paß eine herausragende Rolle. Ich sei fordernd und arrogant gewesen, heißt es weiter; nun ja, so mag das angekommen sein, dazu will ich mich hier gar nicht äußern, auch nur wenig zu „ihre Ästhetik verachtender Dandy“; ich verdiente damals über Jahre um die 800 Mark monatlich, das ist für einen Dandy sicher zu wenig; zu meinen Anzügen habe ich bereits an anderer Stelle gesprochen. Aber die Ästhetik der 68er, wirklich Pardon, wo w a r die denn? G a b es eine? Ich schaute zweidreimal hin, dann ließ ich die Blicke gelangweilt davon. Bis heute ist, was dort als ‚Realismus’ fungiert, künstlerisch irrelevant und irrig; das heißt aber nicht, daß es nicht seine Berechtigung gehabt hätte. Die hatte es nämlich p ol i t i s c h; nur für eine künstlerische Ästhetik, die auf dem Geschehenen aufbaut, taugte und taugt es wenig. Zu dieser Meinung, die eine der K u n s t ist, stehe ich bis heute.
Das gefiel und gefällt nicht, ich kann das nachvollziehen. Und ich kam also in den Feuilletons nicht vor. Dennoch muß einem Künstler unbenommen sein, für sein Werk, und sei es erst im Entstehen, zu kämpfen. Da gründete ich die DSCHUNGELBLÄTTER, die fünf Jahre lang zehn Mal im Jahr erschienen. Und dort, in der Tat griff und prangerte ich an, aber nicht NS-Diffamierungsmethoden, sondern den Schmu, wer in welchen Juries saß und wie man sich gegenseitig die von der Öfffentlichen Hand finanzierten Preise zuschob. Ich untersuchte Kritiken, polemisierte gegen sie, nannte Namen Funktionen Verbindungen. Letztlich war das, jedenfalls in den ersten beiden Jahren, reiner Karl Kraus. Dann ging ich – aus finanzieller Not, ich war ja für den Literaturbetrieb offiziell nicht da – an die Börse und schrieb zugleich den WOLPERTINGER weiter und zuende. Als er erschien, kündigte ich. Das Buch wurde erst nicht wahrgenommen, dann erschien Uwe Pralles „Bundesdeutscher Sommernachtstraum“, ein halbes Jahr später Wilhelm Kühlsmanns Rezension in der FAZ. Mit ihr war ich mit einem Schlag zu einem Meister geadelt, dessen Präsenz sich nicht mehr umgehen ließ.
Doch hielt ich mich abermals nicht an die Gepflogenheiten der Szene, und siehe, bereits mit den Besprechungen zu ARNDT, schließlich zu THETIS tauchte auch der Ribbentrop-Hinweis wieder auf, und wieder wurde von meinen Krawatten gesprochen, von meinen Anzügen usw. Die alten Seilschaften hatten sich vererbt; Leute, mit denen ich studiert habe, sagten, etwa in Klagenfurt: „Wenn Herbst hier einen Preis kriegt, verlasse ich die Jury.“ Schließlich verlor ich aus einem ähnlichen Grund meinen Verlag, weil ich nämlich dem Verleger Conradi vorwarf, seine Vertreter machten ihre Sache nicht richtig. Ich könne sie gerne couchen, ich hätte zu verkaufen gelernt. Es wurde ein Streitgespräch, bei dem er mich ironisch mit dem Satz abzukanzeln versuchte: „Sie wollen sich doch nicht mit Pynchon vergleichen?“ Nun war dieser Vergleich von Peter Michalzik am Beispiel THETIS in der Süddeutschen Zeitung unternommen worden, von mir stammte er gar nicht. Weshalb ich sehr ruhig sagen konnte: „Aber sicher will ich. Das habe ich im Auge. Wer zu solcher Formkunst nicht hinwill, kann es insgesamt bleiben lassen.“ Conradi nunmehr: „Sie können Ihr nächstes Buch machen, Sie stehen ja unter Vertrag. Aber glauben Sie nicht, Sie bekämen aus meinem Hause dafür irgend einen Support.“ Bei sowas kann man ein Verlagshaus gleich verlassen; ob so ein Buch erscheint oder nicht, spielt keine Rolle. Es würde nicht mehr wahrgenommen. Ich g i n g also, ein Verlagsvorschuß ist nicht rückzahlbar, so mußte ich nicht die existentielle Gefährdung fürchten, in der ich jetzt bin.
Ich begann, einen neuen Verlag zu suchen, fand keinen mehr. Ausnahme sind die beiden kleinen Häuser >>>> Elfenbein und >>>>tisch7, die aber nicht genug ökonomische Kraft haben, um ein Projekt wie ANDERSWELT zu stemmen. Beide würden daran zugrundegehen. – Aber der marebuch-Verlag gab mir einen Auftrag, ich schrieb den heute verbotenen Roman, einen meiner besten. Es kam zu dem bekannten Prozeß. Das wurde nun Anlaß, mich völlig aus der Literaturszene hinauszudrängen, – etwas, das der Kläger ganz sicher nicht vorgehabt hatte, er fühlte sich tatsächlich persönlich verletzt. Und wenn ich auch nach wie vor hinter dem Buch mit meiner ganzen künstlerischen Existenz stehe und dieses Buch mit Recht immer verteidigen werde, so tut mir diese Verletzung doch tief und im Innersten weh. Was sich allerdings im Literaturbetrieb nun abspielte, gehört auf ein anderes Blatt, das sich, weil es intentional so gut paßte, auf das persönliche Blatt des Klägers legte und gleichsam auf ihm surfte. Ich bekam so gut wie keine Lesungsangebote mehr, Mitarbeiter von Verlagen schlugen Türen, wenn ein Lektor es wagte, einen meiner Texte zu vertreten usw. Man wollte mich weg.
Nun – wie die DSCHUNGELBLÄTTER zwanzig Jahre zuvor – gründete ich DIE DSCHUNGEL. ANDERSWELT und nutze ein für den Literaturbetrieb immer noch etwas abseitiges, scheinbar unseriöses Medium – aber eines, das sich Gehör verschafft. Wenn Hannes Hintermeier in seinem Artikel sehr richtig schreibt, ich hätte gegenüber dem Betrieb vermutlich „zuwenig Demutsgesten angeboten“, so ist das noch zu verschärfen: Ich habe k e i n e Demutsgesten gezeigt, man wird von mir solche Demutsgesten auch nicht sehen. Es gibt für sie keinen Grund, im Gegenteil eher; es bleibt einem in diesem Betrieb gar nichts übrig, als arrogant zu sein, wenn man sich nicht vor sich selbst ekeln will. Denn die seriösen, klugen, offenen Leute darin, die sich nicht aus Angst vor Arbeitsplatzverlust oder aus Machtgier handgemein machen, gibt es zwar, aber sie sind rar. Der Literaturbetrieb ist ja so klein, es geht kaum Geld um, und um das wenige wird mit Ellbogen, Buckeln und intrigantem Ausgrenzungswillen Krieg geführt. Oder eben gekungelt. Das wiederum wird in Den Dschungeln protokolliert. Imgrunde wiederholen sie werkgeschichtlich und symmetrisch die DSCHUNGELBLÄTTER, aber mit anderem Hintergrund, mit anderen Erfahrungen und einer gänzlich anderen Klarheit, die sich unterdessen mit einer entwickelten Poetologie zur prozessualen Einheit von intimer sowie öffentlicher Person und Ästhetik verbunden hat. Und hier nun habe ich gegenüber einigen Kommentatoren tatsächlich den Vorwurf von NS-Diffamierungsmethoden erhoben, jetzt, nicht damals – und dies auch nur dort, wo mich aus dem Gebüsch der Anonymität eine so feige wie unverhohlene Häme mit Schlamm bewirft. Aus demselben Grund also, der heute morgen die FAZ veranlaßt hat, den oben zitierten Kommentar wieder zu löschen.

Da vorhin bereits w i e d e r solch ein hämischer Text hier erschien, den ich unterdessen meinerseits gelöscht habe, habe ich nunmehr das Programm angewiesen, nur noch Kommentare von Lesern zuzulassen, die sich als user registrieren. Bitte nehmen Sie mir das nicht übel, aber ich möchte mich nicht der Handhabe begeben, bei harter, wirklich harter Diffamierung eine rechtliche Auseinandersetzung führen zu können. Das Verfahren der Registratur ist einfach und unkompliziert, und ich begrüße jeden, der sich darauf einläßt.
Danke für Ihre Geduld, dieser Text ist auch für ein Literarisches Weblog, ich weiß, zu lang.
ANH

4 thoughts on “Die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Netz und eine Kommentatorin. Immer wieder v. Ribbentrop. Sowie über Demut.

  1. Nur gut, daß Sie wenigstens einen Teil des Kommentars dokumentiert haben. Wer Ihnen vorwirft, Sie seien den 68ern gegenüber

    mit diesem namen als fordernder, arroganter, ihre ästhetik verachtender dandy den sogenannten 68ern in den verlagen und redaktionen

    aufgetreten, der sagt schon allein damit: Ein von Ribbentrop hat nicht das Recht, 1. mit diesem namen aufzutreten, 2. irgendetwas zu fordern, zumal von den 68ern, 3. sich so zu kleiden, wie es ihm beliebt.

    Zu dieser beispiellosen Toleranz fällt mir ein schönes undandyhaftes Stück von The Yardbirds ein; nämlich jene Art von Musik, die den späteren 68ern anno 65 viel zu dreckig a.k.a. punkig war, mir aber gerade recht kam, als ich mit 10 Jahren gegen die Nazis und den Mief der 50er Jahre aufzubegehren begann, und ohne die mein von gewissen Redakteuren totgeschwiegenes Buch nie geschrieben worden wäre:

    Can you judge a man
    By the way he wears his hair?
    Can you read his mind
    By the clothes that he wears?
    Can you see a bad man
    By the pattern on his tie?

    Chorus:

    Then Mister you’re a better man than I
    Yeah Mister you’re a better man than I
    Oh Mister you’re a better man than I
    Yeah Mister you’re a better man than I

    Could you tell a wise man
    By the way he speaks or spells?
    Is this more important
    Than the stories that he tells?
    And call a man a fool
    If for wealth he doesn’t strive

    Chorus

    Could you condemn a man
    If your faith he doesn’t hold?
    Say the colour of his skin
    Is the colour of his soul?
    Or could you say if men
    For king and country all must die?

    Chorus

    Wie sang doch zur selben Zeit Roger Daltrey von The Who? Hope I die before I get old …

  2. “kälte … … ist zu empfehlen, wo es anrüchig wird. es geht sich leichter über gefrorenen schlamm. der dandysmus ist unter anderem als reaktion auf die romantische sentimentalität zu verstehen.” (e. jünger) und nicht nur auf diese.

    andererseits: erweist die gewisse verbitterung, die ich meine aus dem eintrag herauszulesen, zuletzt nicht doch ihrer ursache damit gleichzeitig auch durchaus demutsvoll referenz, macht sie den gegenstand ihrer ablehnung nicht gerade im beharren auf dieser oder jener haltung erst wirklich sichtbar? wäre ein – demgegenüber m.e. vorzuziehendes (allerdings, ich sehe nur mit meinen augen) – stadium von souveränität nicht erst an einem anderen punkt überhaupt erreichbar? möglicherweise in einem erheblich weniger berechenbaren: lachen?

    1. Das mag gut sein. Andererseits bin ich eher er-, nicht aber verbittert. Zur Verbitterung gehört es aufzugeben. Das aber liegt mir gerade nicht. Dazu bin ich auch viel zu glücklich in dem, was ich literarisch auf die Beine stelle, dazu ist der ist der Schaffensrausch zu groß. Im übrigen schließt auch meine Begeisterung eine Verbitterung nahezu prinzipiell aus. Wäre ich verbittert, ich stellte Die Dschungel ein. Ich tu aber das Gegenteil; sie sind (auch) in einem sehr gewissen Sinn Kampfschrift.

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