Arbeitsjournal. Montag, der 10. November 2008.

4.50 Uhr:
[Am Terrarium.]
Pünktlich hoch; das geht also noch. Sofern ich früh genug schlafen gehe. Es war kurz nach Mitternacht, der Schlaf war ungestört, nur eben, als der Mobilchenwecker rief, muckte der Zwillingsbub ein bißchen; es kostete gar keine Mühe, ihn wieder zum Schlafen zu bekommen. In die Küche, die Morgenmilch vorbereitet, während der Kaffee durch die Maschine läuft – die Kaffeemaschine meiner verstorbenen Mutter; sogar das Filterpapier, das ich nach der >>>> Hausacher Wohnungsauflösung mit nach Berlin nahm, hat bis vor zwei Tagen gehalten. Seltsam, wie anders die Dinge werden, wenn sie ihr Mensch verläßt: auch die schwarze Ledercouch-Garnitur ist nun eine andere, mit den Kissen werfen als morgendliche Ersthandlung die Zwillinge herum, die gepflegten gelben Teppiche haben Flecken bekommen, meiner Mutter Suche nach der verlorenen Zeit, sie liebte Proust, steht hier in dem kleinen Regal und scheint darauf zu warten, daß jemand in ihr weitersucht. Proust „ist nichts meins“; ich nahm die Ausgabe mit, weil ich wußte, wie sehr sie an ihm hing. Es gibt Autoren, die deutlich von Frauen präferiert werden; Autoren, viel weniger, die deutlich von Männern präferiert werden, und dann gibt es noch Autoren, bei denen das Geschlecht keine Rolle zu spielen scheint; wobei man sich prinzipiell vor die Augen führen muß, daß siebzig Prozent aller Belletristik-Leser – Leserinnen sind.

Heut früh ist Nachdruck aufs Cello zu legen, das gestern und vorgestern entschieden zu kurz kam. Unter drei, allermindestens zwei Stunden Übezeit täglich hat es keinen Sinn, sich auf ein Instrument einzulassen; besser wären, sowieso, vier bis fünf Stunden täglich; was ich ja auch hinbekam, anfangs, bis die Fahnenleserei losging und die Auftragsarbeiten, die Vorträgchen, zu schreiben gewesen waren; bis kurz vor der Buchmesse also.
Bin gespannt auf später, weil mir >>>> der Verlag nachher DER ENGEL ORDNUNGEN Umschlagentwurf hermailen will; „Umschlag“ trifft den Sachverhalt aber nicht mehr, da der Druckauftrag längst erteilt ist. Ich bange ein bißchen, weil Dielmann sich für die Titelei auf dem Umschlag nun doch für zwei Schriftfarben entschieden hat; eine, der Titel selbst, in Sandgelb (wie ich mir das gewünscht hatte), aber eine andere noch für Autor- und Verlagsnamen in, erinnere ich mich richtig?, einem Blaugrau, das mit Kiefers Bild, so Dielmann, korrspondiere und insgesamt dem Eindruck sehr nahekomme, man könne über das Titelblatt pusten, und alle Schrift verwehe sich. So war in der Tat meine Idee gewesen. Dann habe man aber vergessen, mir die Entwürfe zu schicken. Hm, denk ich mir. Mittags werd ich mehr wissen.
Mittags auch Treffen mit >>>> Barbara Stang, der ehemaligen Pressechefin von AUFBAU, die jetzt frei arbeitet, als Agentin, als Promoterin, als Außenlektorin, als public relations officer für Verlage; „officer“ sagt man im US-amerikanischen doch wohl. Dielmann machte einen leicht erschrockenen Eindruck, momentlang aber nur, als ich ihm von dem Treffen erzählte und davon, ich spielte mit dem Gedanken, diese Frau als Agentin zu nehmen; prinzipiell wird ihn das Wort „Agent“ verärgern; in aller Regel werden Autoren durch Agenten teurer. Ich habe aber das Gefühl, meine Verlagsverbindungen in geschäftlicher Hinsicht entpersonalisieren zu müssen; es gehen hier Freundschaften, Rücksichtnahmen, auch Gefälligkeiten auf eine Weise durcheinander, von der ich mir nicht sicher bin, ob das letztlich gut ist. Andererseits bedeutet, sich fremdvertreten zu lassen, seine Arbeitsbeziehungen zu verdinglichen. Ich werde das Gespräch entscheiden lassen, heute mittag, ob ich das und inwieweit ich es will. Und auch Frau Stang wird, ihrerseits, entscheiden. Jemanden wie mich zu vertreten, bedeutet nicht nur Lebensfreude und gute Brise als Rückenwind. Sondern man muß gegen den Wind kreuzen können.

7.51 Uhr:
[Arbeitswohnung. Latte macchiato. Morgencigarillo. Fußbad. Birtwistle, The Io Passion.]
Seltsam warm für November, ein Pullover reicht, wenn ich bei geöffnetem Fenster am Schreibtisch sitze, völlig. Am Terrarium noch >>>> ein Lektorat fürs virtuelle Seminar erledigt; es wird am Mittwoch abend einiges in Heidelberg real zu besprechen sein. >>>> Enorm magische Musik, je öfter ich sie höre.
Gerade kommt ein persönlicher Brief von >>>> Helbig herein, den ich sofort beantworten will. Dann muß ich nun endlich den Entwurf für >>>> Rainer Weiss schreiben. Und in einer Stunde ist das Cello dran. Außerdem müssen die Bücher für >>>> diese Veranstaltung angesehen werden. Und duschen muß ich auch noch, bevor ich zur Stang radle.

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