Arbeitsjournal. Sonntag, der 23. November 2008.

7.15 Uhr:
[Am Terrarium. Ginastera, Erste Cellosonate.]
Ich >>>> antworte (auch >>>> das gehört eigentlich in den Konnex) und denke dabei abermals über >>>> diesen und >>>> diesen Komplex nach; seit halb sechs bin ich auf; völlig ausgeschlafen, obwohl ich >>>> in der Nacht davor nur drei Stunden schlief und gestern nacht erst um eins ins Bett ging, woran Αναδυομένη „schuld“ hatte; das Gedicht freilich ruht noch. Sehr wahrscheinlich werde ich im Lauf des Tages noch auf weitere Kommentare antworten, die zu sehr viel länger zurückliegenden Beiträgen gehören.

7.26 Uhr:
Die Kleinen sind aufgewacht; ich bin heute morgen allein; K. hat mit Freunden im Club die Nacht durchgemacht und macht noch den frühen Morgen durch; ich weiß seit vorgestern einmal wieder, daß das für mich nichts ist; Meinecke sagte: „Die Bässe sind wichtig, die Hosenbeine müssen wehen.“ Mich schreckt das, ich fliehe dann eigentlich immer sofort, weil mir diese Form außengesteuerter Überwältigung unangenehm ist und ich dazu nun schon gar nicht tanzen kann: es wäre ein mich einem Medium Übergeben, dessen Rhythmik, so empfinde ich das, mich vergewaltigen will: hergestellte Kopf-losigkeit. Wiederum ist, auch das wurde mir vorgestern klar, ein durchaus wirkender religiöser, wenigstens meditativer Aspekt dabei durchaus mitzuerleben. Also die Kleinen haben ihre Milch bekommen, jetzt spielen sie schon auf der Couch und lassen mich tatsächlich tippen.

Religion. Seltsam. >>>> Was Elas Laska moniert, hat Ursache und Grund. Dennoch. >>>> So etwas zum Beispiel lösche ich nicht, obwohl sich so im Ton vergriffen wird, weil ich ganz ähnliche Positionen und Reaktionen ebenfalls kenne, vielleicht noch radikaler; wie Breton, der Freundschaften beendete, wenn die Freunde sich kirchlich trauen ließen, reagierte oft auch ich; mir wird allmählich klar, daß es sich dabei möglicherweise um eine Reaktionsbildung, also unbewußte Abwehr von allzu Nahem, gehandelt hat. Berühren tut mich daran, daß, je radikaler die Abwehr wurde, um so größer auch die Faszination wurde, offenbar, sonst lauteten heute viele der hiesigen Beiträge nicht so, w i e sie lauten. Im Zusammenhang dazu beschäftigt mich auch >>>> Vergils letzter Eintrag, auf den auch wieder heftig draufgehauen wurde. Ich k a n n nicht draufhauen, ich bin da völlig ambivalent: etwas zieht mich an, das ich selber gut kenne, anderes stößt mich auch ab, was an einer gewissen ausschließlichen Radikalität der Dogmas liegt, das ich spüre. Wobei mir rundweg bewußt ist, daß es sich bei seinen Beiträgen (wie denen der anderen) immer nur um Auszüge eines weit größeren Komplexes handelt, um etwas Ausge/erwähltes, dem Intentionen zugrundeliegen. Wenn man die Lesart beiseiteläßt, es handele sich “sowieso nur” um eine Erfindung; darauf genau kommt es in diesem Medium eben nicht an.

8 Uhr:
Schnee. Und die Entsteigende aus dem Eis. Kakao kochen, für viere, weil Katangas Junge auch wieder bei uns ist. Jetzt sind wir zu fünft in dieser Dreizimmerwohnung. Und die Arbeitswohnung als Fluchtpunkt, der langsam langsam zuwächst und einer klaren Hand bedürfte.

8.14 Uhr:
Aber weiter. Es findet in mir alles in schroffsten Widerspruchspaaren statt, deren Teile immer auch völlig gelebt (empfunden) sind: ich stehe völlig hinter dem >>>> Biologismus, aber das hält mich nicht von Faszination, ja Hindrängen zu religiösem Ausdruck ab; am schärfsten habe ich das wohl in der neunten BAMBERGER ELEGIE ausgedrückt: „C h e m i e ist sakral“. Weiterhin bin ich davon überzeugt, daß es sich bei der Empfindung von Freiheit tatsächlich nur um Empfindung h a n d e l t; dennoch bin ich von Ritualen stark angezogen, die Freiheit bezeugen. Ich bin ganz sicher ein Vertreter der Frauenemanzipation, zugleich hält mich das nicht davon ab, Demütigungsspiele zu spielen; wohlgemerkt: auf der Basis einer Freiwilligkeit, von der ich doch zugleich weiß, daß von Freiwilligkeit eigentlich nicht gesprochen werden kann, weder, wenn man von vorgängiger Traumatisierung ausgeht, noch auch, wenn man vorgeblich vor-vorhandene „Neigungen“ ins Feld führt; d a wäre ja Freiheit nun schon g a r nicht zu finden. Ich glaube nicht an Gott, aber ich mache Gotteserfahrungen, vor allem durch Kunst. Ich glaube nicht an das autarke Individuum, zugleich stelle ich es permanent her. Und im Sexuellen/Erotischen, da ganz besonders; weshalb ich Vergil eben auch verstehen kann; auch wenn zugleich immer ein Moment nötiger Profanierung dabei ist, so, als legte man einen Schalter um, als versetzte man sich vermittels seiner Durchlassung oder Absperrung in verschiedene Ladungszustände, die aber miteinander in Verbindung stehen. Imgrunde ist auch dies, ich schrieb das ja schon bei einiges >>>> BDSM-Überlegungen, ein Kunstprozeß, nicht etwa aber ein künstlicher.

In diesen gesamten Komplex persönlich-öffentlicher Überlegungen gehört nachdrücklich, nach wie vor, >>>> das .

17.48 Uhr:
[Arbeitswohnung. Zender, Hölderlin lesen für Streichquartett und Sprechstimme.]
Sie gefallen mir zunehmend besser, diese Musikstücke mit Sprache. Und dann sah ich über einen referrer, >>>> daß die englischsprachige Wikipedia meine Rezension von Birtwistles Io Passion zitiert; man hat sogar meinen Text übersetzt. Ich geb zu, daß mich das stolz macht, auch wenn die Engländer „Alban Nikolai Herbst“ in Häkchen schreiben, um auf den pseudonymen Character hinzuweisen. Es wäre ganz gut, wenn jemand von der Nennung in der englischen Wikipedia auf meinen deutschen Wikipedia-Eintrag verwiese; ich selbst tu das aus naheliegenden Gründen nicht, mir sitzt noch >>>> die Auseinandersetzung um Verbeen in den Knochen.
So, Körperpflege. Danach ans Cello.

8 thoughts on “Arbeitsjournal. Sonntag, der 23. November 2008.

  1. Die Freiwilligkeit einer Neigung Die Freiwilligkeit und Freiheit besteht darin sich bewußt zu sein das die Neigung da ist, sie zuzulassen und zu leben, das gibt nicht zuletzt ein Gefühl der Freiheit. Es ist eine freie Entscheideidung vom Geist… wenn auch getriggert von einer biologischen Macht der Neigung.

  2. Schön, Herbst, begriffen und kurz bemerkt: Frau möchte manchmal Kannibalin sein, nicht um den oder jenen BDSM-Praktikanten aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.

    1. Wenn sich M. Trittbrettfahrer wenigstens Mühe geben würde, auf sprachlichen Ausdruck zu achten. Aber nein! Weder Stilfragen noch Fragen danach, ob man jede Kleinigkeit kommentieren soll, interessieren ihn. Ich persönlich finde das höchst amüsant.

      Abgesehen davon: Herbsts Schwanken deutet auf eben die innere Konfliktsituation hin, von der ich anderswo sprach. C’est ça!

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