Arbeitsjournal. Dienstag, der 20. Januar 2009.

5.17 Uhr:
[In der Muschel. Milchkaffee. Strauss, >>>> Die Ägyptische Helena (Krips).]
Scheint ja funktionieren, die Selbst-Re-Disziplinierung; jedenfalls um 5 Uhr hoch, gar nicht lange gefackelt, als der Mobilchenwecker fiepte, obwohl es so ja überaus verlockend ist liegenzubleiben. Ich hab das Cello gestern abend mit hierhergenommen, um dann direkt nach Charlottenburg zum Unterricht zu radeln, gegen acht Uhr werd ich mich, wie schon einmal, ein halbes Stündchen lang „einspielen“. Es ist wieder warm geworden, winterwarm-naß, und regnete in Fäden gestern, alles Eis ist dahin (Goethe: „Das Gras steht wieder auf“, >>>> Harzreise im Winter). Auch ich steh immer wieder auf.
Post checken, Die Dschungel checken, dann an die Elegien; es ist auch noch die begonnene Variation >>>> auf findeiss nicht fertig: ich möchte da gerne etwas fassen, das bei ihm, denke ich, allein über die böse „Pointe“ untergeht. Außerdem habe ich noch >>>> dafür einen Text zu schreiben; es soll ein Reader zum Thema entstehen. Was bei mir wegen der Trennungsangelegenheit völlig untergegangen ist, bzw. hatte ich nicht die Kraft, da auszuscheren und eine eigenständige Idee zu entwickeln. Vielleicht stell ich aber auch ein paar Segmente der >>>> Kleinen Theorie des Literarischen Bloggens zusammen und schreibe sie um, bzw. kombiniere sie zu e i n e m Thema. Muß ich mir angucken. Die Rubrik ist ja bewußt als eine Art denkerischer Steinbruch angelegt.
(Höre gerade, wie kristallklar bei der Empfangsszene in Aithras Saal Das Rheingold durchbricht. Diese – häufigen – Bezüge hätte ich in >>>> die Kritik eigentlich auch noch hineinschreiben können; sie sind hier, zusammen mit den Meistersinger-Harmonien und den strauss’schen Selbstzitaten, musikalisch mit die stärksten Momente, bezeichnenderweise.)

6.09 Uhr:
Ich lese gerade, daß der Termin für das neue >>>> Zagrosek-Interview wegen der Neuproduktion von Křeneks Orpheus und Euridice steht: 9. Februar, 14.40 Uhr. Jetzt gilt es, sich da einzuhören.

Mit einem Mal gebe es massiert Bestellungen von MEERE, teilt mir wiederum >>>> Dielmann mit und fragt, ob das wohl an der >>>> Kritik im Tagesanzeiger liege. Fast interessanter als dies ist, daß er offenbar wieder auftaucht.

16.33 Uhr:
[Arbeitswohnung. Stille.]
Der Reim ist wirklich eine Sucht! Das läßt einen nicht los. An >>>> dem Ding hab ich jetzt sage und schreibe drei Tage herumgedacht und -probiert. Immerhin ist jetzt die Richtung klar, auch wenn ich vorherwußte, daß es um Vaterschaft gehen müsse und genau darum nicht so einfach zu lösen war, wie sich das >>>> bei findeiss zu lesen scheint. Wenn man selber Vater ist, funktioniert es nicht mehr, nur zu symbolisieren.

Warte auf meinen Jungen für die Hausaufgaben und das Cello. Seltsam, wo bleibt er?

12 thoughts on “Arbeitsjournal. Dienstag, der 20. Januar 2009.

  1. Der aktuelle Verkaufsrang für den Roman “Meere” bei Amazon.de in Büchern liegt bei #431.216. Klar, ist keine Referenz. Doch würde es interessieren, wieviele Exemplare der persischen Fassung bereits verkauft wurden und wann Sie, Herr Herbst, denn nun auch mal was von der Ernte abbekommen.

    1. Verkaufsrang amazon.de, Bücher
      Daniel Kehlmann:
      “Ruhm: Ein Roman in neun Geschichten” (neuester Roman) # 6
      “Die Vermessung der Welt” # 14
      “Mahlers Zeit” # 420
      “Unter der Sonne: Erzählungen” # 1840
      Bis auf den Erzählband, der immer noch recht gut in den Verkaufszahlen da steht, ist Kehlmann bei amazon (woanders natürlich ebenfalls) recht erfolgreich. Als Künstler natürlich längst geadelt und mit Preisen überhäuft.
      Wo liegt da der Unterschied dann zur Kunst des ANH? Ist mir ein Rätsel. Werbung und Hype alleine können es ja wohl nicht sein, oder?

    2. @ blogcounter; “Wo liegt da der Unterschied dann zur Kunst des ANH?”
      Keine Ahnung. Sagen Sies mir. Sie können das auf die altmodische Weise ermitteln: Lesen Sie alles, was Kehlmann bisher geschrieben hat; dann lesen Sie alles, was Herbst bisher geschrieben hat. Dann fällen Sie ein Urteil.
      Oder Sie können es auf die moderne Weise, die Ihre, tun: Sie nehmen nicht-repräsentative Zahlen einer Online-Buchhandlung, vergleichen diese und kurzschließen von segmentiertem Marktwert auf Kunst.

      Es gibt Bücher, die amazon.xx nicht listet. Diese Bücher verkaufen sich, könnten sogar auf ihren künstlerischen Wert hin überprüft werden. Doch in Ihrer Perspektive gibt es diese Bücher nicht. Da habe ich nur noch zwei Worte für Sie: Realitäts Verzerrung.

      gn8

    3. @e-zum & Blocounter. Die Gründe, weshalb einer zum Bestseller-Autor wird, ein anderer nicht, sind vielfältig und nicht unbedingt in den Literaturen-als-solchen zu suchen. Ich halte es jedenfalls für falsch, eine konkurrierende Differenz zwischen ausgerechnet Kehlmann, den ich mag, und mir aufzuspannen. Es gilt wohl auch hier Gottfried Benns “Kunst wird gemacht“, womit er vor allem die Rezeption gemeint hat. Andererseits geht es auch nicht selten schief, wenn sich ein Vertriebsapparat vornimmt, einen Bestseller zu synthetisieren. Im Fall Kehlmanns – der jahrelang bei Suhrkamp gleichsam unerkannt vor sich hinschrieb, ohne damals weniger gut gewesen zu sein – gab es allerdings eine konzertierte Aktion der Vertriebe mit der massiven gegenseitigen Ergänzung durch die Kritik, das kann man ganz gut nachverfolgen. Ähnlich, wenn auch nicht so millionärig, liegt die Sache bei Wilhelm Genazino, der bei Rowohlt zwar nicht schlechter schrieb als nachher bei Hanser, doch erst Hanser brachte ihm den Erfolg, und zwar, kaum daß der Mann seinen Verlag gewechselt hatte. Für Kehlmann brachte aber Rowohlt der Erfolg. Wenn dann jemand erst einmal als Bestseller situiert i s t, kommt er aus dieser Schiene gar nicht mehr raus – da gelten die Gesetze der Massenpsychologie; man würde schließlich auch – ohne dies jetzt auf Kehlmanns nach-Humboldt-Bücher qualitativ anzuwenden – dann noch sehr gut verkauft, wenn es nur noch Unfug ist. Die zugrundeliegende Dynamik ist eine des Pops.
      Kunstgeschichtlich liegt die Sache oft anders. Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, daß eine d e r Ikonen des literarischen Surrealsmus’, deren Einfluß ganz unabsehbar ist, sich in den zehn Jahren nach 1926, dem Erscheinungsjahr, nicht mehr als 1500 mal verkauft hat: Aragons >>>> “Le Paysan de Paris”. Wiederum eines der größten Dramen der deutschen Literatur und wahrscheinlich der Weltliteratur seit der Antike überhaupt, wurde erst Jahrzehnte nach dem Tod seines Autors uraufgeführt: Kleists Penthesilea. Gegen das Stück gab es einen irrsinnigen Widerstand dessen, was wir heute “den Betrieb” nennen; an seiner Spitze stand jahrelang. und erlaubte oder verbot, Goethe. Umgekehrt ist aber, siehe eben Goethe, auch nicht zu sagen, daß eine Literatur die schlechtere sei, wenn sie Erfolg habe. Qualität, bleibende, hat ganz jenseits von Erfolg und Mißerfolg ihren Grund. Oder, um es schöner zu sagen: diesseits, nämlich dort, wo sie außerhalb ihres Warencharacters lebt.

    4. So, oder so ähnlich. Im Grunde interessiert mich das Machen von Bestseller-Autoren gar nicht. Nur dieser Schwanzlängenvergleich von Dritter Seite via Verkaufszahlen geht mir gegen den Strich.
      Aber auch Ihr, Herbst, Gegenargument mit der Kunstgeschichte sticht nicht. Denn Kunst-GESCHICHTE bringt einen entscheidenden Faktor ein: Zeit. Warencharacter hin oder her: Das, was Sie Kunst nennen, ist unplanbar der Zeit unterworfen, und damit Zeit-Geschmack. Wer würde heute Aragon als Vorzeigedichter nennen? (Wer würde ihn überhaupt kennen?) “Einfluß” ist eine nette Kategorie der Literaturwissenschaftler, kann aber Qualität als Kunstwerk nicht gegen die Zeit fixieren.
      Jaja, Goethe hat Kleists Penthesilea verhindert und den Zerbrochenen Krug verhunzt… Aber zu einer Zeit als Goethe selbst nicht besonders erfolgreich war im Vergleich etwa zu Jean Paul. Den liest wiederum heute niemand mehr.

      Kurz gesagt: “bleibende künstlerische Qualität” zeugt von schlechtem Platonismus, den Sie, Herbst, ausversehen aber zurecht mit “jenseits” verbinden. Diesseits in der Welt ist “Kunst” nichts als die Funktion eines urteilenden Einzelnen. Und alles andere als bleibend.

    5. Schwanzlängenvergleich? Dafür sorgt doch unser Autor selbst, indem er alle naslang auf die Zugriffszahlen seines Blogs hinweist. Wie relativ das ist, weiß dieser ja selbst. Ebenso wissen wir, die aufmerksamen Dschungel-Leser, daß Preise und Auszeichnungen im Literaturbetrieb mit Vorsicht zu betrachten sind. Das literaturwissenschaftliche Interesse an seinen Werken ist ebenso relativ. Dazu müßte klargestellt werden, welche Reputation der jeweilige Wissenschaftler genießt. Wer weiß, vielleicht handelt es sich beim sogenannten Wissenschaftler nur um einen Zweitsemesterstudenten mit Schreibambitionen? Natürlich kann weder ein Amazon-Verkaufsrang noch tatsächlich verkaufte Bücher eine Aussage über die künstlerische Qualität eines Werks liefern. Was bleibt dann also? Für den Autor angenehm wäre eine hohe Anzahl verkaufter Bücher. Nur um dann unter Generalverdacht zu stehen, eine Bestselleautor zu sein. Viele verkaufte Bücher? Da kann der Autor ja gar nicht gut sein! Wird so mancher denken. Und sich in die Kunstgeschichte zu denken/schreiben? Nun ja, die meisten erleben diesen glückseligen Zustand höchstens auf Wolke 7, mit Harfe oder Cello vor dem Knie.
      Wie war das noch mit Elke Heidenreichs Sendung “Lesen!” im ZDF? Lag da die Einschaltquote nicht bei einer Million? Nach ihrem Rauswurf moderierte sie im Internet und kam auf etwa 75.000 Internetzuschauer. Was die meisten Zeitungsrezensenten verheimlichen ist, daß es sich dabei sehr wohl um eine respektable “Quote” handelt – relativ gesehen im Internet. Macht das aber ihre Sendung besser, schlechter oder gleich? Schlimmer noch als Bücher, die nicht verkauft werden, sind Bücher, die nicht gelesen werden. Somit verknüpft sich irgendwie schon der rein kommerzielle Erfolg eines Autors mit der Wahrnehmung desselben in der Öffentlichkeit. Ein Dilemma. Hat er (der Autor) finanziellen Erfolg mit seinem Werk, heißt das noch lange nicht, das er künslerisch erfolgreich ist. Umgekehrt genau so. Daher wünschen wir dem Blogautor Herbst, er möge doch bitte einmal einen sattmachenden Erfolg mit seiner Ware, seiner Kunst, seiner Dichtung haben, damit zukünftig auch mal andere Gesänge hier angehoben werden können!

    6. @anonymen Blogcounter. Wäre ja interessant zu erfahren, ob Sie je eines meiner Bücher gelesen haben, zumal Sie nachreferieren, was ich selbst vorher schon schrieb, während man d a s da: “Viele verkaufte Bücher? Da kann der Autor ja gar nicht gut sein!” bei mir eben nirgendwo formuliert findet. Und auch, was den Rang der Literaturwissenschaftler anbelangt, ist es doch ein Leichtes, ihn zu bestimmen, auch wenn Ihnen das Resultat möglicherweise wenig gefällt. Unterm Strich, wie auch immer, bleibt, daß jemand, der angreift, das nicht anonym tun sollte, ansonsten disqualifiziert er sich. Wie soeben geschehen. (Haben wohl auch S i e etwas auf die Waage zu legen? Das wäre dann die nächste Frage.)

      [Ich bin immer ganz fassungslos über solche Formen der Ignoranz. Ihr Kommentar macht es mir wirklich nicht leichter, sie zu verstehen.]

    7. Herbst braucht den Schwanzlängenvergleich, bzw. Blogcounter-Wahnsinn, weil er sich sonst nackt und wertlos fühlt, was bei der geringen Auflagen- und Verkaufszahl seiner Werke wiederum irgendwie nachvollziehbar ist.

      Übrigens löscht der Betreiber dieses unsinnigen Weblogs wie Sau, was ihn zusätzlich ziemlich ungläubwürdig macht, trotz vieler öffentlicher Bekenntnisse, er würde nichts willkürlich löschen, sonder höchstens verschieben, weil dies doch ein Roman sei (lachhaft!).

      Ich kläre sie mal auf, Schlaumeier, ein Blog ist ein Witz, und ein Witz ist ein Blog; soll heißen, das ganze Leben ist nur ein Witz, doch ein Blog ist ein noch viel größerer Witz.

    8. if they would just listen to what’s happening, they would understand that we are actually playing the song. coleman 1957 zu haden, den man gerade aus der band geschmissen hat.

      nein, dies ist bestimmt kein roman, wie sie ihn im sinn haben und ein witz kann unter umständen manchmal helfen, die gesichtsmuskulatur zu entspannen.

      ich hätte auch nichts zum vergleichen.

      dieser blog hat viele knöppe, die kann man drücken, wenn man will und an so was spaß hat, sonst kann man das auch lassen.
      mir will scheinen, die aufklärung fällt etwas mager aus.

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