Arbeitsjournal. Montag, der 30. März 2009.

6.08 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Der Junge schläft noch auf seinem Vulkanlager. Amseln flötillen durchs offene Fenster aus dem zweiten Hof hoch. Ich geh mal Kakao kochen.

So. Und Du bist geweckt und kannst noch eine Viertelstunde dösen. Tschaikowski b-moll, Rituale. Hattest gestern Deinen großen Auftritt, Deine ganze Klasse, im Theater Engelbrot. Wirklich großartig, was Ihr da auf die Beine gestellt habt mit dieser Max-Liebermann-Revue unter Anleitung Eurer Klassenlehrerin Frau Z. Der Saal war voll, Ihr spieltet vor wirklich ausverkauftem Haus.Nachher montierte ich den Fahrradkorb ab und fuhr mit Dir hinten auf dem Gepräckträger die ganze Strecke von Alt Moabit aus heim. Nur auf dem steilen Stück Invaliden den Prenzlauer Berg hoch blieb ich stecken; es waren zuviele Fußgänger auf dem Bürgersteig, gerade neben dem kleinen Park. Da mußte ich d o c h schieben. Wirst Du Dich erinnern?>>>> Heroes weitergesehen. Sucht, klar, aber auch mehr. Man muß sich diese Dinger in der ganzen Breite geben, dann kommt man auf Gedanken, wenn man in solch eine Welt einsteigt; auch darüber, was ganz nebenbei mittransportiert wird. In diesem Fall die Vermutung, 9/11 sei tatsächlich von „den USA“ selbst initiiert; nur sehr schwer verbirgt sich hinter der Handlungsidee die verschwörerisch aufgeladene Realität und macht diese „volksnahe“ Mischung aus SF und Mystery zu einer Schlüsselserie, zumal noch voll des Comic-Mythos und einigen Spuren Erfahrung mit der Brutalität, auch Hannibal Lector spielt hinein und damit dann ebenfalls wieder ein mythisches Muster (das Gehirn des Gegeners verspeisen, gibt uns seine Kraft). Glaube an und Furcht vor der Gentechnik, überhaupt gerät das Gehirn-als-Organ, d.h. als chemophysische Funktionsapparatur, ins Zentrum des Geschehens, wobei zugleich wieder Gott angerufen und fast im selben Atemzug die Autonomie des Menschen beschworen wird, auf sie geklopft wird, sie behauptet wird. Das führt zu Aufspaltungen der Zukunft in viele mögliche Zukünfte, die, wenn man es scharf gegendenkt, parallel exisitieren: Möglichkeitswelten. Mir ist das ja sehr vertraut; wenn ich mich mal wieder auf „Volkskunst“ einlasse, bin ich jedesmal erstaunt, wieviel Reflex von alledem in ihr mittransportiert wird – auch gegen alle offenbare Absicht. Vielleicht auch, weil es nicht mehr so drauf ankommt? Weil es eh wurscht ist, was wir ausstrahlen, sofern es nur entertaint?

Junior, Du mußt jetzt aufstehen.

7.37 Uhr:
[Strauss, Ein Heldenleben.]
S c h o n ein ziemlicher Motz, dieses Strauss-Stück. Auch Genies schaffen Müll.
Mein Junge ist grad los; mittags werd ich sein Cello in die Musikschule bringen und beides, es und ihn, um 15 Uhr wieder dort abholen, um hier Hausaufgaben mit Dir zu machen und, bevor Du zur Mama hinüberfährst, noch ein Kapitel aus den Kindern des Kapitäns Grant vorzulesen. Bis dahin werd ich wohl n o c h ein paar Folgen >>>> „Heroes“ gesehen haben. Sowas gibt mir Produktionsschübe, immer wieder, bei >>>> „24“ war das ähnlich. Die Themen haben Breitengrundierung, daß ich sie in meine Literatur hineinhole, hat mir der E-Betrieb immer verübelt, der sich zugleich immer mehr von der „Basis“ entfernt hat, indes diese mir immer verübelt hat, die Formen nicht an ihr restringiertes Bedürfnis anzupassen. So steh ich hie wie da außerhalb – und bleibe dennoch gegenwärtig, was dann wieder von beiden Seiten, weil Ignoranz so vergeblich ist, zu Ärger auf mich führt. So lange ich am Leben bin, kann man mich auch schlecht kanonisieren, ich bin kein Durs Grünbein, „du bist unveräßlich*“ hat Uve Schmidt mal gesagt, „die Hand, die dich streichelt, kann nicht sicher sein, ob du nicht zubeißt“, was stimmt.

[*: “unveräßlich” ist toll! Dennoch
muß es “unverßlich” heißen. Leider.]

Irgendwie nehme ich den Film nicht ernst; in der Literatur hielte ich, was ich mir so im Film anseh, gar nicht aus, also die Form. Doch bin ich nicht der Typ, der leise vor sich hinliest. Manchmal allerdings wär ich das gerne. Dann hab ich einen Testosteronschub und will es n i c h t mehr gerne sein.

Was ansteht? Klar, weiterhin die Steuer. Dann die BAMBERGER ELEGIEN, über die ich heute morgen dachte, daß ich mich viel weiter vom Hexameter lösen muß, als ich wollte. Den Erscheinungstermin in diesem Herbst werde ich aber canceln müssen, will ich auch canceln; es ist einfach zu früh. ARGO. Da muß ich unbedingt wieder bei. Erst einmal ist aber >>>> das Hörstück über Christian Filips zu schreiben, wobei ich diesmal völlig anders als sonst vorgehen will; da ich selbst produziere, werde ich das Typoskript erst dann schreiben, wenn die Sendung schon fertig ist; arbeiten, wie Godard oft gedreht hat, noch radikaler: Rivette. Habe ich mir diese Art „Freiheit“ nicht immer gewünscht?

: 8 Uhr.
[Strauss, Till Eulenspiegels lustige Streiche:
Das ist nun wieder toll von Strauss!]

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