hmm, da läuft mir ein zweites mal…

…. eine stellenanzeige über den weg. es wäre sogar hier in der nähe, mit internationaler ausrichtung, es ist ein großer bekannter konzern, aber eine völlig andere branche. die anzeige las ich vor drei wochen, sie suchen anscheinend immer noch, was seinen grund darin hat, daß hier erst einmal ein standort in diesem jahr eingerichtet werden soll. die frage, die ich mir stelle, ist nicht die nach der chance, diesen job zu bekommen, sondern die, ob ich solch einen job noch will, wieder will, oder ob ich dem zur zeit sehr deutlichen widerwillen stattgebe in der form, daß ich mich nach etwas ganz anderem umsehe. diesbezüglich findet in mir im augenblick eine grundsatzdiskussion statt, hab ja zeit dafür zur verfügung. im krankenhaus lernte ich eine sehr liebenswürdige frau (meine bettnachbarin… ja, das sagt man so) kennen. ihre augen leuchteten, als sie von ihrer arbeit sprach. sie ist sozialpädagogin, arbeitet mit kindern, spielt cello, singt alt, ihr mann ist musiker, er spielt konzertgitarre, ist international bekannt. schon als ich ihren nachnamen hörte, und das erste mal, aber wirklich sehr leise, das wort gitarre erwähnt wurde, dachte ich: “na?…” ich lag mit meiner vermutung richtig. beide zusammen sind ein so schönes paar, langjährig verheiratet…. so wie es aussieht, immer noch glücklich, beide kinder sind auf ihrem weg. später stand ich vor dem spiegel, fragte mich: “leuchten deine augen genauso, wenn du von deiner arbeit sprichst?” ein deutliches “nein” war die antwort. die mit dieser frau geführten gespräche taten mir sehr sehr gut. eines morgens stand sie am geöffneten fenster mit ihrem roten haar im sonnenlicht, drehte sich zu mir um, und sagte: “komm, wir üben jetzt bauchatmung.” es ist wirklich so, daß man nach einer solchen op kein gefühl mehr für die eigene bauchatmung hat, man muß die eigenen hände auf den bauch legen, um diesen besser fühlen zu können. ich stand auf, ging zu ihr zum fenster, beide legten wir unsere hände auf unseren bauch, begannen zu atmen, was sich wirklich als sehr schwierig herausstellte. “ich weiß, wie das besser funktioniert”, sagte sie, und fing an, eine mir gleich bekannte melodie zu summen. ich ließ sie eine weile allein summen, hörte zu, stimmte dann ein. sie alt, ich sopran… so standen wir eine ganze weile da, und summten diese melodie. was wir nicht bemerkten, daß ihr mann irgendwann im zimmer stand, als wir uns umdrehten, stand er da, und lächelte. wir auch. “wo hast du singen gelernt?” “im kirchenchor.” “und?, singst du heute noch?” “nein.” “warum nicht?” “das ist eine längere geschichte.” “egal, was für eine geschichte das ist, du solltest singen, du kannst es.” “naja…. ich bin nicht so davon überzeugt.” da meldete sich ihr mann zu wort: “augenblick, ich bin gleich wieder da.” er kam mit seiner gitarre zurück. wir übten dann mit ihm gemeinsam die tonleitern hoch und runter. sie erkannte gleich mein problem: “du willst den ton nicht r a u s singen. er kippt nach hinten unten weg.” “ich kann das nicht, aber auch das ist eine längere geschichte.” als ich das sagte, füllten sich meine augen mit tränen. sie sah das, nahm mich in den arm: “da liegt wohl viel in tiefen schichten verborgen.” “ja, wohlbehütet, und das jahrelang.” wir übten weiter, die schwestern kamen immer wieder, um zu gucken, ließen uns gewähren, es waren nicht viele betten in den nachbarzimmern belegt, weil das wochenende ja bevorstand. am schluß sah ihr mann mich an: “du hast ein absolutes tonhöhengedächtnis.” “ich weiß, das wurde mir schon mehrere male gesagt. ich kann auch gewünschte töne ohne probleme ansingen.” “wie?.. das will ich jetzt aber hören.” als wir damit fertig waren, war er still, sah seine frau an, und grinste. ich dachte… “scheiße, du hast bestimmt alles völlig schief gesungen.” er grinste immer noch, seine frau sah mich an: “d a s kann ja noch nicht einmal ich, und ich singe jetzt seit 14 jahren.” “ups…”, dachte ich. “wer hat dir das singen in der kindheit beigebracht?” “meine großmutter.” “spielst du ein instrument?” “ja, flöte und mehrere jahre querflöte.” “jetzt auch noch?” “nein.” “schade eigentlich, du solltest singen, wir testen jetzt mal deine tessitura.” “wie?, was?” “das sind die klangfarben der tonlagen, die du bequem singen kannst. dein hohes c klingt zwar klar, aber eher, wie bei einem dramatischen sopran, ich würde dich jetzt mal auf anhieb dem mezzosopran, dem lyrischen, zuordnen, weil dein kehlkopf sich in bestimmten tonlagen eindeutig nach hinten wie ganz leicht öffnet, wodurch deine stimme ein dunkles timbre bekommt, was nur ein mezzosopran hat. ich glaub, du bist dir dessen nicht bewußt, was da beim singen in deinem kehlkopf passiert.” “hmm… ich habe mich bis jetzt immer in den ersten sopran eingeordnet.” “ja, ein mezzo kann wie ein sopran klingen, wenn er ohne atemwiderstand in hohen bereichen singt.” ich mußte dann mit der zunge zwischen den lippen eine fünfton-skala abwärts singen, währendessen sollte ich mir vorstellen, den hinteren teil meines kehlkopfes unabhängig von der zungenwurzel zu dehnen. war schwierig, das alles miteinander in einklang zu bringen, sie stand vor mir, legte mir ihre hand auf meinen bauch, ich sollte dagegen ansingen, mit einer geste sagte sie mir immer wieder: “mach den mund richtig auf.” das ergebnis aber war für ihn eindeutig. “deine stimme hat in den bereichen, die du ganz bequem singen kannst, eine unglaubliche klangfarbe.” hmm… so ist da mit mir noch niemand ins eingemachte gegangen, vor allen dingen nicht mit dieser leichtigkeit. was ich damit jetzt anfange, weiß ich noch nicht. am wochenende kommen beide mich besuchen, sie wird ihr cello mitbringen, er seine gitarre. was ich mit all dem sagen will?, man merkt diesen beiden menschen an, daß sie mit den dingen, die sie tun, also ihren gewollten lebensinhalten, wirklich glücklich und zufrieden sind. ich muß mir die frage nicht stellen, ob ich das bin, denn ich bin’s nicht. ich muß was ändern, deshalb auch die frage, ob ich diesen job noch machen will. diese fünfton-skala übe ich immer noch, es ist befreiend, die eigene stimme so zu hören. ich freue mich sehr über die begegnung mit diesen beiden menschen, zwischen i. (das ist sie) und mir bestehen schwingungen, die sich eindeutig trafen. “magst du britten?” ich brauchte nicht zu antworten, sie lächelte, als sie meinen blick sah.