Arbeitsjournal. Montag, der 27. April 2009.

10.05 Uhr:
Das ist das Bild, das ich jedes Jahr sehr liebe: Flieder im zweiten Hinterhof. Versprechen auf einen tiefen Sommer. Ich sah eben hinaus, >>>> die Arbeit ist beinah getan, ich k o n n t e jetzt wieder sehen. Als höbe man die Lider, unter deren Dach der Blick in eine Erzählung ging, der man verhaftet war bis zu einem Satzende, Punkt, Absatz, Kapitelschluß, Buchende – und man sieht, noch verhangen, auf und sieht die Welt.Während ich dies schreibe, wird die Leibseliger-wave-Datei auf den WDR-Stick gespeichert, und gleich werde ich sie als Audio auf die beiden CD-Rohlinge des WDRs brennen. Ich habe während dieser Arbeit mein kleines Laptop-System einige Male an den Rand der Leistungsfähigkeit gebracht; einige andere Programme ließen sich nicht mehr öffnen; es war ohnedies geraten, keine „Parallelaktionen“ während der Arbeit zu unternehmen und die bei großen Tondateien nötigen Speicherzeiten einfach auszuhalten. Sich zurücklehnen, kurz die Beine baumeln lassen, sozusagen. Aus diesem Grund kam ich kaum an Die Dschungel, führte das Arbeitsjournal allenfalls sporadisch. Dazu kam, daß sich Αναδυομένη von mir erotisch vernachlässigt fühlte, was objektiv auch der Fall war; aber es ging nicht anders, ich war im Meer. Wir zickten uns ein paarmal unschön an. Da war dann zwischendurch immer auch Erklärungsbedarf, ein Soll, das ich nicht gern erfüllte, weil es mich immer wieder herausriß; jetzt werd ich wohl mal Blumen kaufen müssen. Zudem war ja auch mein Übersetzer Prunier noch da, er ist es immer noch und wird, wie seit Mittwoch jeden Tag, um zwölf auf zwei Stunden Gespräch hierherkommen. Und ich hatte und habe alle die Tage meinen Jungen hiergehabt; auf Dich ist da besonders zu achten, gerade für die Zuwendung; Erwachsene hingegen müssen diesen Zustand meiner Abwesenheit aushalten können. Das fiel aber auch d e r Frau immer schwer.
Mit Prunier, Αναδυομένη und Dir am Sonnabend abend zur langen Nacht der Opern und Theaterhäuser unterwegs gewesen, rein vergeblich, wir kamen nirgendwo hinein, überall drängten sich Massen, die Deutsche Oper machte sozusagen schon g l e i c h ganz zu. Ich war verärgert, vor allem Deinetwegen, weil Du nun ganz umsonst von 21 Uhr bis 1 Uhr nachts unterwegs sein mußtest, hinter uns hertrotten mußtest, ohne überhaupt etwas von alledem zu haben, wofür wir aber auch noch Geld bezahlt hatten. Prunier, in seiner feinen Weisheit, nahm es gelassen, ja fast beglückt hin: „Das ist doch ein gutes Zeichen“, sagte er und wiederholte es am folgenden Tag, „wie die Menschen K u l t u r brauchen, wie sie sich dahindrängen, d a ß sie hingehen.“ So war das unausgefüllte Erlebnis für ihn völlig erfüllt.
Wir trafen uns zweidreimal im Pratergarten, auch gestern nachmittag gingen wir noch hin, nach dem Eis für Dich und Deine Freundin, für Αναδυομένη, Prunier und mich; seltsamerweise war es gestern das dritte Mal, das ich mein Bier nicht bezahlen mußte: „für dich i s t es bezahlt“, sagte lächelnd die Bedienung hinterm Ausschank. Und schrieb sich dreimal nacheinander meinen Vornamen auf. „Das ist eine Anmache“, meinte Αναδυομένη, ich bezweifle das aber; irgendwas andres steckt dahinter, j e m a n d anderes… Prunier nicht, den ich drauf ansprach, weil es ihm zuzutrauen wäre, daß er mein Bier im voraus bezahlt. Er hat einige Fragen zu meiner Poetik, einige Fragen zum Entstehungsprozeß der Bücher usw. gehabt; momentan steht er in Verhandlung mit einem bekannten französischen Verlag wegen der Übersetzung der >>>> NIEDERTRACHT DER MUSIK, außerdem übersetzt er >>>> MEERE und will auch an die Gedichte aus DER ENGEL ORDNUNGEN gehen, die er noch nicht übersetzt hat. Es war mir eine Art Glück, ihm die >>>> AEOLIA zu schenken. Auch über >>>> Dielmann sprachen wir; seine Enttäuschung verbirgt er hinter einer sanften Melancholie.

Heut nachmittag geht es fast wieder in die Normalität. Um 14 Uhr Dein Cello zur Musikschule bringen, Dich um 15 Uhr dort abholen; Αναδυομένη muß nachmittags hier etwas einscannen, vielleicht hören wir zusammen die Master-CD ab, sie kennt bisher nur den Entwurf der ersten vier Minuten. Es sind jetzt unsere letzten drei Tage, bevor alles ganz anders werden muß: irgendwie werden wird, aber sehr sehr anders, und keine gemeinsamen Nächte mehr. Kinder haben Vorrang. Das ist mein innerstes Gesetz. Da ich ich heute noch meinen Jungen bei mir habe und morgen ihn und die Zwillinge betreuen werde, bleibt uns nur noch der Mittwoch als Nacht.

Freund M. kam gestern noch um 23 Uhr; Du schliefst fest; ich dachte: dann kann ich auch für ein Bier ans Eck gehen. Lief gut, Du schliefst immer noch fest, als ich kaum eine ¾ Stunde später zurückkam. M und ich sprachen, >>>> Su ist in New York City mit >>>> Brian Cox unterwegs, red carpets und so, es geht um eine Galerie für sie in NYC. „Ich würde da nur stören“, sagte M, „sie würde sich in meiner Gegenwart solchen Verpflichtungen entziehen, sie mag ja keine gesellschaftlichen Ereignisse oder scheut sie doch; wenn ich nicht dabeibin, wird sie hingegen mitgezogen. Das ist jetzt wichtig.“ Wir werden mal wieder eine „Computer-Reinigungsnacht“ einlegen, mit Malt, versteht sich. Freunde gehören zum Besten, das ein Leben g i b t.

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